Kinky Friedman auf Adrenalin-Tour
Kinky Friedman, seines Zeichens Musiker, Schriftsteller und Politiker, übt gerne und viel Kritik an der Gesellschaft. Aber er tut es mit weit mehr Humor als die meisten. Am Freitag gastiert er mit einer Mischung aus Konzert und Lesung in Wien, am Samstag in Graz.
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ORF.at: Sie sind seit 40 Jahren im Business. Was lässt Sie noch immer auf Tour gehen?
Kinky Friedman: Es ist eine Art Wettkampf gegen mich selbst. Ich schaue einfach, ob ich noch so viele Shows direkt hintereinander machen kann. 30 hab ich gerade hinter mir, drei kommen noch. Ich tanke pures Adrenalin. Es läuft gut. Ich freue mich schon, am Freitag nach Österreich zu kommen. Ich kann mich erinnern, einmal auf verschlungenen Pfaden durch Österreich gefahren zu sein. Wir kamen an Mozarts Geburtsort vorbei, dann an Hitlers Geburtsort und dann schließlich an Arnold Schwarzeneggers Geburtsort. Ich nenne das „Die Evolution des Menschen“.
ORF.at: ... die österreichische Spielart ...
Friedman: Genau. Aber ich erinnere mich gerne an meinen letzten Österreich-Aufenthalt. Die Menschen hier scheinen etwas von Country-Musik zu verstehen. Und sie sind sehr belesen. Und es gibt gute kubanische Zigarren.
ORF.at: Neben Adrenalin und Zigarren - nehmen Sie auch ihren selbst produzierten Tequila mit?
Friedman: Ich wünschte, ja, aber ich komme ohne. In Texas kann man ihn überall kaufen. Er heißt Kinky Friedman’s Man in Black. Wir sagen: „Das ist nicht der Tequila Ihres Vaters, das ist der Tequila vom Gärtner des Großvaters.“ Mexikanische Mundspülung nennen wir das. Ich nenne es den Barry-Manilow-Drink, weil er dich für eine kurze Zeitspanne glücklich macht.
Werden Sie auch Klassiker wie „They Ain’t Making Jews Like Jesus Any More“ in Österreich spielen?
Friedman: Glauben Sie mir, ich werde alles spielen. „Jews“ ist über Skandinavien hinweggefegt. Das war fast schon ein Hit dort. Das Publikum hat mitgesungen. In Norwegen war es ein betrunkenes Publikum, das lautstark „The Ballad of Ira Hayes“ mitgegrölt hat. „Call him drunken Ira Hayes“ - das ganze Publikum. Ich singe auch einige Songs, die ich sonst nicht mit im Gepäck habe. „Men’s Room LA“, wo Ringo Starr im Original die Stimme von Jesus spricht. Es geht darin um einen Mann, der ein Bild von Jesus am Boden einer Männertoilette findet. In LA.
An dieser Stelle muss ich das Publikum immer daran erinnern, dass „Jesus liebt dich“ wunderschöne Worte sind, außer du hörst sie in einem mexikanischen Gefängnis.
Haben Sie irgendeine Weisheit für angehende Musiker parat?
Friedman: In Amerika wird es immer schwieriger mit all der politischen Korrektheit. Nehmen Sie Menschen wie die Komödianten Lenny Bruce, Richard Pryor und George Carlin. Wenn die heute als junge Komödianten oder Musiker angefangen hätten, hätten sie’s nicht geschafft. Hollywood könnte heute nie wieder einen Film wie „Blazing Saddles“ machen.
Es gibt da eine Geschichte über Johnny Gimble, einen großartigen Geiger. Er hat mit seinen Eltern als Fünfjähriger ein Konzert gesehen. Er sagte danach zu seiner Mutter: „Wenn ich einmal erwachsen werde, möchte ich Musiker werden.“ Und seine Mutter antwortete: „Du musst dich schon entscheiden. Beides auf einmal geht nicht.“ Also erwachsen sein und Musiker sein.
Es ist schwierig. Manche haben vielleicht jede Menge Motivation und Talent. Vielleicht haben sie einen Bob Dylan oder Townes Van Zandt oder Willie Nelson in sich. Aber die Jungen sind heute so wohlstandsgesättigt. Mein Ratschlag ist: Sei einfach ein Künstler. Ein Künstler ist jemand, der seiner Zeit voraus ist - aber hintennach, was die Miete betrifft. Ansonsten: Finde heraus, was du liebst - und lass zu, dass es dich killt. Wenn du dich daran hältst, kannst du nichts falsch machen.

Brian Kanoef
Kinky Friedman im Einsatz
So Leute wie Willie Nelson oder Kris Kristofferson - oder wie Billy Joe Shaver ihn nennt: Piss Pissedofferson -, dazu Roger Miller, Merle Haggard, die waren andauernd stoned und pleite, die hatten keine Jobs, die wussten nicht, was sie als Nächstes tun sollten. Und die haben großartige Songs geschrieben wie „Sunday Morning Coming Down“ (Kristofferson), „Hello Walls“ (Willie Nelson), „King Of The Road“ (Roger Miller), „Silver Wings“ (Merle Haggard). Sie haben wundervolle Klassiker geschrieben, wie sie heute nicht mehr aus Nashville kommen. Niemand in Nashville schreibt so etwas noch, seit 20 Jahren nicht.
Heute gibt es auch viel zu viel politische Korrektheit. Mit meinem Song „They Ain’t Making Jews Like Jesus Anymore“ stehe ich in Verdacht, ein Rassist zu sein.
ORF.at: Der Song ist doch klar antirassistisch?!
Es geht dabei um eine Konversation in einer Bar mit einem Rassisten - und einem, der ihm etwas entgegenhält. Trotzdem wurde mir der Song schon einmal vorgehalten - und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein.
ORF.at: Denken Sie noch immer daran, 2014 bei den demokratischen Vorwahlen für die Texas-Wahl zu kandidieren?
Friedman: Absolut. Mit 95 Prozent Sicherheit werde ich das tun. Wir sind nur 49. in der US-Rangliste der Bundesstaaten in Sachen Bildung. Die Grenze ist ein einziges Chaos. Wir können diese Probleme lösen. Oder nehmen wir den Kampf für die Ehe von Homosexuellen, für die Legalisierung von Marihuana und von Glücksspiel. Das sind wichtige Themen, und ich glaube, dass ich damit Erfolg haben werde.
Zum Beispiel die Ehe von Homosexuellen: 2006, als ich angetreten bin, war ich noch der Einzige, der sie gefordert hat - dazu brauchte es Mut. Obama und Hillary Clinton waren damals dagegen. Heute braucht man dafür keinen Mut mehr, heute will das jeder. Und die Kriminalisierung von Marihuana sorgt dafür, dass unsere Gefängnisse überfüllt sind. Und die meisten der diesbezüglich Inhaftierten sind Schwarze und Hispanics. Ähnlich ist das mit dem Glücksspiel - es ist absurd, das zu verbieten. Wir haben Texas Hold’em erfunden und dürfen es nicht einmal spielen.
In Sachen Marihuana hat man ja unlängst gesehen, wozu das führen kann, als der 80-jährige Willie Nelson festgenommen wurde. Ich habe ihn am nächsten Tag besucht, er sah so fertig aus - als ob er zehn Kilo abgenommen hätte. In Handschellen hat er im Gefängnis den Wärtern Autogramme gegeben. Willie Nelson ist unser spiritueller Botschafter für die Welt, ich nenne ihn den „Hillbilly-Dalai-Lama“. Er ist auch ein großartiger Stand-up-Comedian. Er hat mir für meine politische Karriere folgenden Ratschlag mit auf den Weg gegeben: „Wenn Du jemals Sex mit einem Tier hast, schau, dass es ein Pferd ist. Damit kannst Du nachher wenigstens davonreiten.“
ORF.at: Willie Nelson will ja zusammengerollt und als Joint geraucht werden, wenn er stirbt.
Genau. „Roll Me Up And Smoke Me When I Die“, das Buch ist ein großer finanzieller Erfolg für ihn und auch für mich, wir haben ja da zusammengearbeitet. Wir warten auf das Geld. Zeigt uns das Geld!
ORF.at: Haben sie eigentlich eine Ranch, so wie man sich als John-Wayne-Cowboyfilm-geschulter Europäer das vorstellt?
Friedman: Meine Ranch ist jetzt eine Tierrettungsfarm. Tierliebhaber können sie im Internet anschauen. Die Farm gibt es jetzt seit 15 Jahren. Wir kümmern uns um ausgesetzte und misshandelte Tiere. Um die Wahrheit zu sagen, sind meine einzigen Freunde heutzutage streunende Hunde und alte Lastpferde.
Ach, kommen Sie!
Okay, sie sind meine einzigen wirklichen Freunde.
ORF.at: Sie sind gute Gesellschaft.
Friedman: Genau. Wenn ich wieder bei der Gouverneurswahl antrete, habe ich plötzlich wieder ganz viele Freunde, auch unter den Menschen. Wenn ich verliere, hört das Telefon zu klingeln auf. So ist die menschliche Natur. Wir können dagegen nicht ankommen.
ORF.at: Lieben Sie eigentlich so wie die meisten Künstler in den USA Präsident Barack Obama?
Friedman: Obama sollte härter vorgehen. Ein Beispiel ist Syrien. Wenn ich sage: Assad muss zurücktreten, dann muss der zurücktreten. Wenn ich das ständig wiederhole, bringt das nichts. So wie in dem Witz vom Polizisten, der dem Dieb nachruft: „Stopp! Oder ich rufe noch einmal ‚Stopp!‘“ Mittlerweile heißt es in Syrien: Entweder es bleibt Assad oder es kommt die Al-Kaida. So weit hätte es nicht kommen müssen.
Wie im Iran bei der Grünen Revolution. Können Sie sich vorstellen, wie John F. Kennedy und Ronald Reagan gehandelt hätten? Die hätten die Mullahs rausgeschmissen. Obama hat gar nichts gesagt. Es gab das Graffito im Iran: „Wo bist du, Obama?“ Das ist die Frage, die auch ich mir stelle. Aber sein Job ist natürlich die Hölle, eigentlich unmöglich zu bewältigen. Ein paar seiner Ansätze sind nicht schlecht. Aber er müsste härter sein. Viele progressive Demokraten geben mir da recht.
ORF.at: Sie sind mit Ex-Präsident George W. Bush befreundet - der war ja härter. In Europa gilt er vielen als Inbegriff des Bösen und der Dummheit. Sie denken anders über ihn?
Friedman: Ja, ich denke anders über ihn. Henry Kissinger und Mao hatten einmal ein Gespräch. Kissinger fragte Mao, für wie wichtig dieser die Französische Revolution halte. Mao sagte: Es ist zu früh, sich darüber ein Urteil zu bilden. Wir müssen manchmal warten, bis die Geschichte mit ihrer flackernden Glühbirne, wie Winston Churchill sagte, ihren Weg in die Vergangenheit findet. Ich weiß nicht, ob ihr in Europa wisst, dass Bush mehr für die Opfer von Aids in Afrika getan hat als je ein Mensch vor ihm oder nach ihm. Da spricht nie jemand darüber - aber es stimmt. Es wird ihm nicht angerechnet.
ORF.at: Es gab schon lange keinen Kinky-Krimi mehr. Haben Sie damit aufgehört?
Friedman: Nein, aber wissen Sie, manchmal kommt einem einfach das Leben dazwischen. Was jetzt von mir erwartet wird, ist ein politisches Buch. Sie wollen so was wie: „Gouverneur Friedman - das erste Jahr im Amt“. Oder etwas darüber, wie Texas ausschauen sollte. Das ist eine gute Idee, so was wird jetzt erwartet, kein Krimi, etwas Aktuelleres, Zeitgemäßeres. Aber die Verleger sind eben Dinosaurier. Das ist auch gut so - das hat das Internet aus ihnen gemacht.
Ich habe kein Internet, kein E-Mail, überhaupt nichts in der Richtung. Mittlerweile twittert sogar Willie Nelson schon wie Justin Bieber, er ist sehr Hightech. Bob Dylan ist wie ich - der verzichtet auf alles.
ORF.at: Warum meiden Sie das Internet?
Friedman: Weil ich glaube, dass es eine sehr dunkle Seite hat. Ein Beispiel. Sagen wir, es gibt einen 57-jährigen Pädophilen in New Jersey. Er tut im Internet so, als ob er ein 27-jähriger Surfer in San Diego wäre. Er kontaktiert ein 14-jähriges Mädchen in Montana, die eigentlich ein mittelalter Vice-Cop in Miami ist. So, genau so ist das Internet. Darauf läuft es hinaus.
ORF.at: Aber nicht nur.
Friedman: Ja, aber ich habe schon genug davon gesehen. Wenn ich ein populärer Blogger bin, kann ich einfach irgendetwas über Sie behaupten, und Sie werden die Hölle durchmachen beim Versuch, das wieder geradezurücken. Mir ist das passiert, es gab diese verrückte „Kinky ist für Rick Perry“-Geschichte. Das war das „Daily Beast“. Die haben einfach diesen Titel für einen Artikel von mir verwendet. Da stand dann „Kinky for Perry“ - und das hat einfach nicht gestimmt.
Und plötzlich schrieben alle: „Kinky unterstützt Perry“ - was ich niemals tun würde, er wäre der letzte Mensch, den ich unterstützen würde. Ich habe andauernd wiederholt: Ich unterstütze den Typ nicht - ich bin Musiker, kein Politiker, und auch als Politiker würde ich ihn nicht unterstützen. Aber es war nicht wiedergutzumachen. Hass-E-Mails kamen herein. Die Info ist da, die Info bleibt da, ob falsch oder wahr. Wie soll das Internet dieses Problem lösen?
Ich hatte „Daily Beast“ damals gesagt: Ihr kennt Euch besser aus, macht einfach irgendeinen Titel zu meinem Artikel. Naja, das haben sie dann ganz offensichtlich getan. Jetzt muss ich die Demokraten überzeugen, dass ich nicht Rick Perry unterstütze. Aber wenn ich das schaffe, dann werde ich auch Gouverneur.
Das Interview führte Simon Hadler, ORF.at
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