„Normal zu sein ist ein Fehler“
Kinky Friedman kommt für zwei Konzerte samt Lesung nach Österreich. Dieser Mann ist vieles: Country-Musiker, Schriftsteller und Politiker; texanischer Cowboyhutträger mit Zigarre im Mund und Liberaler; gleichzeitig Freund von Bill Clinton und George W. Bush; er lebt in Texas auf einer Ranch und in Greenwich Village von Manhattan. Einen Widerspruch sieht der raubeinige Haudegen in alldem nicht.
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Er lasse sich eben nicht festnageln, sagt Friedman im Interview mit ORF.at: „Normal zu sein ist bei dem Zustand der Welt ein Fehler.“ Schon immer eckte er an. 1949 in Chicago geboren, wuchs der Lockenkopf als Spross einer jüdischen Familie in Texas auf. Anfang der 70er Jahre feierte er seine ersten Erfolge als Country-Musiker mit Songs wie „They Ain’t Maiking Jews like Jesus anymore“ und „Get Your Biscuits In The Oven And Your Buns In The Bed“. Ersterer brachte ihm den (absurden) Vorwurf des Rassismus ein, letzterer jenen des Sexismus.
Spätestens seit damals ist Friedman Feind der Idee einer politischen Korrektheit um jeden Preis. In seinen Krimis ist der Texaner selbst die Hauptfigur - als Privatdetektiv. Die Storys sind niemals blöde, aber zotig geht es da zu, ein bisschen wie bei Charles Bukowski, nur ohne die Lyrik in der Sprache. Sprechverbote, meint Friedman, würden nur dazu führen, dass Unerwünschtes bestehen bleibe, aber unter den Teppich gekehrt werde: „Ich will Bigotterie und Rassismus einen Spiegel vorhalten, sie an den Pranger stellen.“

Brian Kanoef
Kinky Friedman weiß, wie ihn seine Fans sehen wollen
Das politische Programm des „Kinksters“
Aber was heißt das für ihn als Politiker? 2006 trat Friedman bei den Gouverneurswahlen in Texas als unabhängiger Kandidat an und erreichte 13 Prozent der Stimmen, 2014 möchte er sich in den Vorwahlen der Demokraten als deren Kandidat für das Gouverneursamt durchsetzen. Das sei jetzt „zu 95 Prozent sicher“. Eine seiner zentralen Forderungen: die Freigabe der Ehe für Homosexuelle. Aber dass man Schwule politisch unkorrekt „Schwuchteln“ nennt, ist für ihn okay?
Ist es nicht, sagt Friedman. Man müsse da schon zwischen dem „Kinkster“ - der Kunstfigur Kinky Friedman - und dem Politiker unterscheiden. Als Schriftsteller sehe er seine Aufgabe darin, zu provozieren und Debatten anzustoßen. Als Politiker sei er Teil eines gänzlich anderen Diskurses. Neben der Homosexuellenehe und einem härteren Kurs in Sachen Außenpolitik (etwa in Syrien) fordert Friedman auch die Freigabe des Glücksspiels und von Marihuana in Texas.
Wann „Jesus liebt dich“ problematisch wird
Mit dem Marihuana-Thema dürfte er seinem engen Freund, den überzeugten Kiffer Willie Nelson, Freude machen. Der, wie Friedman sagt, „Hillbilly-Dalai-Lama“ hatte ihm für die politische Karriere einen Ratschlag mit auf den Weg gegeben: „Wenn du mit einem Tier vögelst, such dir am besten ein Pferd aus. Mit dem kannst du nachher wenigstens wegreiten.“ Der leicht abseitige Humor und der Hang zum Zotigen ist den beiden Freunden also gemein.
Für fast jedes Thema hat Friedman ein Bonmot parat. Religion: „‚Jesus liebt dich‘ - das sind tröstliche Worte, außer du hörst sie in einem mexikanischen Gefängnis.“ Dem Musikernachwuchs, wohlstandsgesättigt wie er sei, traut er wenig zu: „Ein Künstler ist jemand, der seiner Zeit voraus und mit der Miete im Rückstand ist.“ Noch weniger traut er nur dem Internet, das, überspitzt formuliert, außer pädophilem Kram auf der einen und Überwachung auf der anderen Seite wenig zu bieten habe.
Die besoffenen Norweger
Auch wenn Friedman augenzwinkernd gerne grantelt: Um die Stimmung bei den beiden Abenden in Wien (Freitag) und Graz (Samstag) muss man sich keine Sorgen machen. Mit seinen knapp 70 Jahren hält ihn einerseits das Adrenalin beim stressigen Touralltag am Leben - und andererseits das Publikum. In Schweden hätten sie bei „Jews“ wie wild mitgesungen, in Norwegen habe ein vollkommen besoffenes Publikum die „Ballad of Ira Hayes“ herzergreifend mitgegrölt.
„Liebe die Menschheit, aber traue ihr nicht“
Friedman ist ein Country-Musiker vom alten Schlag. Mit seinem Cowboyhut, der Zigarre, dem Jameson-Whiskey und dem selbst gebrannten Tequila wird er nach der Tour wieder auf seine Ranch zurückkehren. Dort kümmert er sich um verlassene und misshandelte Tiere.
Tiere, sagt Friedman, seien die besten Freunde: „Liebe die Menschheit, aber traue ihr nicht.“ Nachdem er die Wahl 2006 verloren hatte, sei sein Telefon plötzlich verstummt, erzählt Friedman. Aber Verbitterung hält bei ihm nie lange an. Lieber schwärmt er von seinen musikalischen Mitstreitern und Idolen, neben Willie Nelson, Roger Miller und Merle Haggard auch „Piss Pissedofferson“, wie er Kris Kristofferson scherzhaft nennt. Man hat, zumal in Europa, nicht oft die Möglichkeit, in diese Welt einzutauchen. Nun bieten sich zwei Möglichkeiten; eine Empfehlung.
Simon Hadler, ORF.at
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