Ein Drittel der Sitze an Frauen
Mit einem jüngeren und stark weiblich besetzten Team will der neue italienische Ministerpräsident Enrico Letta von der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) die politische Blockade überwinden, die Italien seit der Parlamentswahl vor zwei Monaten im Bann hält, und das Land wieder auf Kurs bringen.
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Letta, der mit 46 Jahren selbst als Youngster in Italiens Alltherrenpolitik gilt, setzt mit der am Sonntag vereidigten 64. italienischen Nachkriegsregierung eine Reihe neuer Akzente. Die „Dinosaurier“ der Politik in Rom sucht man vergebens in Lettas Kabinettsliste. Kein Silvio Berlusconi (Popolo della Liberta, PdL), kein Massimo d’Alema (Democratici di Sinistra, DS), auch der bisherige Regierungschef Mario Monti (Scelta Civica) taucht darin nicht auf. Dafür treten jetzt etliche wenig bekannte Namen an. Vor allem ist ein Drittel des Regierungsteams aus Politikern und Technokraten weiblich.
Frauenrechtlerin Bonino als Außenministerin
Die neuen Ministerinnen besetzen zum Teil Schlüsselpositionen in der neuen Regierung, die sich aus der PD und der PdL um Ex-Premier Berlusconi bildet. Die 65-jährige Emma Bonino übernimmt das Außenministerium und wird all ihr diplomatisches Geschick brauchen, um Brüssel zu überzeugen, den Sparkurs aufzulockern, unter dem Italien in eine tiefe Rezession gestürzt ist.

Reuters/ Remo Casilli
Justizministerin Cancellieri (l.), Außenministerin Bonino
Die aus dem Piemont stammende Spitzenpolitikerin der Partito Radicale hat internationale Erfahrung als EU-Kommissarin gesammelt und genießt Sympathien in Kreisen des rechten Politspektrums. Die Frauenrechtlerin spricht sieben Sprachen, darunter Arabisch. Ihr Aufstieg zur Außenministerin kam durchaus überraschend. Wegen ihres Einsatzes für Scheidung, Legalisierung weicher Drogen und Abtreibung im Laufe ihrer politischen Karriere ist sie für die in Italien einflussreichen katholischen Kreisen ein rotes Tuch. Bonino stemmt sich außerdem heftig gegen den Einfluss des Vatikans auf die italienische Politik.
Wechsel vom Innen- ins Justizministerium
Auch die scheidende Innenministerin Anna Maria Cancellieri übernimmt ein Schlüsselressort in der neuen Regierung und wird Justizministerin. In dieser Rolle wird sie sich unter anderem um die Vollendung der Justizreform kümmern müssen, die ihre Vorgängerin Paola Severino in der Regierung unter Premier Monti in die Wege geleitet hatte.
Die 70-jährige Ex-Polizeichefin Cancellieri wird den Forderungen Berlusconis standhalten müssen, der das Justizressort für einen seiner Vertrauensleute beansprucht hatte. Wegen der gegen ihn laufenden Prozesse ist Berlusconi seit Jahren mit Italiens Justiz auf Kriegsfuß. Cancellieri ist mit Europaminister Enzo Moavero das einzige Mitglied der bisherigen Technokratenregierung um Monti, die im neuen Kabinett weiterarbeitet.
Olympionikin übernimmt Sport und Frauen
Viel Aufsehen erregte die neue Sport- und Frauenministerin Josefa Idem, die auf eine Bilderbuchkarriere als Kanu-Olympiasiegerin zurückblicken kann. Die in Deutschland geborene 48-Jährige ist seit 1992 italienische Staatsbürgerin und hat vor zwei Monaten einen Sitz im römischen Parlament als PD-Abgeordnete erhalten. Insgesamt nahm sie an acht Olympischen Spielen teil, davon sechsmal für Italien. Noch im vergangenen Jahr hatte sie in London als erste Frau zum achten Mal an Olympischen Spielen teilgenommen.
Erste schwarze Frau in Regierung
Ein Novum für Italien ist eine schwarze Ministerin. Die 49-jährige Ärztin und Menschenrechtlerin kongolesischer Abstammung Cecile Kyenge rückt zur Integrationsministerin auf. Sie ist Sprecherin des Verbandes „1. März“, der sich gegen Rassismus und für Migrantenrechte einsetzt. Die Mutter von zwei Töchtern, die in der norditalienischen Region Emilia-Romagna lebt, will sich als Ministerin für eine Reform des strengen Einwanderungsgesetzes einsetzen. Ferner will sie, dass neugeborene Migrantenkinder automatisch die italienische Staatsbürgerschaft erhalten, auch wenn beide Eltern Ausländer sind.

Reuters/ Remo Casilli
Sport- und Frauenministerin Idem (l.), Integrationsministerin Kyenge
37-jährige Landwirtschaftsministerin
Die Jüngste unter den Frauen im neuen Kabinett ist Landwirtschaftsministerin Nunzia di Girolamo. Die 37-jährige Vertraute Berlusconis sitzt seit 2008 im Parlament und ist mit einem Abgeordneten aus den Reihen der rivalisierenden PD verheiratet. Die Parlamentarierin hatte Berlusconi wegen seiner Verwicklung in Sexskandale immer wieder vor der Kritik aus Frauenverbänden vor den Medien in Schutz genommen. Aus den Berlusconi-Reihen stammt auch die 42-jährige Beatrice Lorenzin, die zur Gesundheitsministerin avanciert. Insgesamt stellt Berlusconis Seite fünf, die Linke neun Minister.
Zu den neuen Frauen in der neuen Regierung Letta gehört auch die parteiunabhängige Mariachiara Carrozza. Sie ist Bildungsministerin. Die 47-jährige Ingenieurin aus Pisa leitet die Eliteuniversität Sant’Anna in Pisa.
Durchschnittsalter bei 53 Jahren
Italiens Regierung wird aber nicht nur in Rekordzahl weiblicher, sondern auch viel jünger - das Durchschnittsalter sinkt von 64 auf 53 Jahre. Mit seinem Alter von 70 Jahren gehört Fabrizio Saccomanni von der Zentralbank zusammen mit Justizministerin Cancellieri zu den Regierungsältesten. Als neuer Wirtschafts- und Finanzminister mit direktem internationalen Draht zum Internationalen Währungsfonds (IWF) und zur Europäischen Zentralbank (EZB) übernimmt er allerdings auch einen in der Schulden- und Finanzkrise äußerst wichtigen Ministerposten. Vizeregierungschef und neuer Innenminister ist PdL-Parteichef Angelino Alfano.
EU „weiter an der Seite Italiens“
Die EU sagte der neuen Regierung ihre Unterstützung für weitere Reformen zu. „Die EU steht weiter an der Seite Italiens, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, die Wirtschaftskrise zu überwinden und Wachstum sowie Jobs zu schaffen“, schrieb EU-Ratspräsident Herman van Rompuy in einem Glückwunschschreiben an Letta. Auch US-Präsident Barack Obama gratulierte und versprach eine enge Zusammenarbeit.
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