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„Tat eines Einzelnen“

Überschattet von einer Schießerei vor dem Regierungssitz hat am Sonntag die neue italienische Regierung ihr Amt angetreten. Während das Kabinett unter Ministerpräsident Enrico Letta von der Demokratischen Partei im Präsidentenpalast vereidigt wurde, schoss ein Mann vor Lettas Amtssitz auf Polizisten und verletzte einen Beamten schwer sowie einen weiteren Beamten und eine Passantin leicht.

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Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war „Wut auf die Politiker“ der Grund für die Schüsse vor dem Amtssitz des Ministerpräsidenten in Rom. Bei seiner Einvernahme durch die Behörden gab der mutmaßliche Täter an, die Idee zu dem Anschlag sei ihm vor 20 Tagen gekommen. „Ich wollte die Politiker treffen, uns geht es schlecht, und sie helfen uns nicht“, habe der Mann gesagt. Nachdem er jedoch nicht an Politiker herankam, schoss er auf die Polizisten.

50 Schuss Munition

Bei dem Mann handelt es sich laut Polizeiangaben um einen 49-jährigen Arbeitslosen aus dem süditalienischen Kalabrien. Er hatte demnach rund 50 Schuss Munition bei sich. „Es hätte ein Massaker werden können“, so Justizbeamte gegenüber der Zeitung „Corriere della Sera“. Die Waffe mit abgefeilter Registriernummer, Kaliber 7,65, habe er sich über illegale Wege besorgt. Er gab damit sieben Schüsse ab. Weitere Patronen trug er in einem kleinen Koffer und in seinen Taschen.

Spurensuche am Tatort

Reuters/Remo Casilli

Drei Personen wurden bei der Schießerei vor dem Amtssitz des Ministerpräsidenten verletzt

Der 49-Jährige besaß keine Waffenlizenz und ist nicht vorbestraft, berichtete der ermittelnde Staatsanwalt Laviani. Der Mann stecke wegen seiner Abhängigkeit von Glücksspielen in schweren Nöten, so Laviani. Das hatte zur Scheidung von seiner zweiten Frau geführt. Er hatte auch seine Arbeit verloren und war daraufhin vom norditalienischen Piemont nach Rosarno in Kalabrien zu seinen Eltern gezogen.

Eskorten für Politiker sollen verstärkt werden

Aus Sicherheitsgründen sollen unterdessen die Eskorten für die Minister und die ranghöchsten Politiker in Italien verstärkt werden, verlautete aus Ermittlerkreisen. Es bestehe Sorge vor weiteren Anschlägen, hieß es. Der Zwischenfall sorgte für dramatische Szenen auf der zentralen Piazza Colonna im Herzen der italienischen Hauptstadt, wo sich der Regierungssitz befindet. Auf dem Platz waren gegen 11.40 Uhr Hunderte Menschen.

Absperrung vor dem Regierungssitz in Rom

APA/AP/Gregorio Borgia

Die Tat sorgte für eine sofortige Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen in Rom

Die Schießerei sorgte für eine massive Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen in Rom. Der Regierungssitz Palazzo Chigi liegt in rund einem Kilometer Entfernung vom Präsidentenpalast nahe einer belebten Einkaufs- und Touristenmeile. Medienberichten zufolge wurde nach der Schießerei auch der Platz vor dem Präsidentenpalast, wo gerade die neue Regierung vereidigt wurde, aus Sicherheitsgründen geräumt.

Neuer Innenminister bei Verletzten im Spital

Die neuen Minister, die nach der Angelobung von den Geschehnissen erfuhren, zeigten sich bestürzt. „Wir müssen erst begreifen, was passiert ist“, sagte der neue Verteidigungsminister Mario Mauro. Italiens neuer Innenminister Angelino Alfano, der nach seiner Angelobung die Verletzten im Krankenhaus besuchte, sprach von der Tat eines Einzelnen.

Der römische Bürgermeister Gianni Alemanno machte das angespannte politische Klima in Italien für die Schießerei vor dem Regierungssitz verantwortlich. „Es handelt sich um die Tat eines geistig Verwirrten, doch man darf sich nicht wundern, wenn man ununterbrochen gegen die Institutionen wettert, als wären sie abzubauen“, so Alemanno weiter.

Grillo: „Sind nicht gewalttätig“

Auf die Frage einiger Journalisten, ob er sich auf die Protestbewegung Fünf Sterne (Movimento 5 Stelle, M5S) beziehe, die eine scharfe Kampagne gegen die ihrer Ansicht nach korrupten etablierten Parteien führt, antwortete Alemanno: „Ich beziehe mich auf niemanden.“ Die M5S-Parlamentarier verurteilten die Schießerei. „Hoffentlich bleibt das ein Einzelfall. Unsere Bewegung ist nicht gewalttätig“, so M5S-Gründer Beppe Grillo.

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