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Reihe von Interviews

Erstmals seit ihrer Freilassung hat Amanda Knox in TV-Interviews über ihren Fall geredet. Die 25-Jährige beteurte erneut, nichts mit dem spektakulären Mordfall 2007 in Perugia zu tun gehabt zu haben. Der Zeitpunkt des Interviews war allerdings alles andere als ein Zufall. Stunden zuvor war Knox’ Autobiografie „Zeit, gehört zu werden“ (engl. „Waiting to Be Heard“) erschienen.

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„Ich möchte, dass die Wahrheit ans Licht kommt“, sagte die 25-jährige US-Amerikanerin in einem am Dienstag (Ortszeit) ausgestrahlten TV-Interview des US-Senders ABC. „Ich möchte, dass ich wieder als Mensch gesehen werde.“ „Ich bin kein Monster“, sagte Knox etwa in einem Donnerstagabend im ZDF ausgestrahlten Interview.

„Ich war nicht dort“

Der Kriminalfall hatte weltweites Aufsehen erregt - italienische Medien nannten Knox den „Engel mit den Eisaugen“. 2007 wurde Knox’ Freundin und Mitbewohnerin Meredith Kercher in der Universitätsstadt Perugia mit durchschnittener Kehle und halbnackt aufgefunden. Es war von Sexspielen die Rede, die außer Kontrolle geraten seien. Jetzt soll ihr Fall in Italien erneut aufgerollt werden -Knox lebt aber unterdessen wieder in den USA.

Stellenweise war Knox in den Interviews den Tränen nahe: „Ich saß im Gerichtssaal, und sie nannten mich einen Teufel. (...) Für sie war ich eine Mörderin“, sagte Knox in dem ABC-Interview weiter. Doch in Wahrheit sei sie in der Mordnacht bei ihrem Freund Raffaele Sollecito gewesen. Sie hätten Marihuana geraucht und Sex gehabt.

Amanda Knox bei einem Interview

APA/AP/ABC/Ida Mae Astute

Knox bei der Aufzeichnung des TV-Interviews beim Sender ABC

Auf die Frage, ob sie an dem Mord beteiligt war, antwortete Knox mit einem einzigen Wort: „Nein.“ Die Polizei habe sie zu missverständlichen Aussagen gedrängt. „Ich war nicht dort“, fügte sie hinzu. Als das erste Urteil verkündet wurde, „konnte ich nicht mehr atmen“.

„Durch ein Feld mit Stacheldraht“

Zur bevorstehenden Neuauflage des Verfahrens meinte Knox, das sei ein Gefühl, als müsste sie erneut „durch ein Feld mit Stacheldraht“ gehen. Zugleich sagte Knox, ein Arzt habe ihr in Haft gesagt, dass sie HIV-positiv getestet sei. Das habe ihr einen unglaublichen Schreck eingejagt - später habe sich das als Irrtum erwiesen.

Knox wurde 2009 mit ihrem damaligen Freund Sollecito in einem spektakulären Indizienprozess zu mehr als 25 Jahren Haft verurteilt. 2011 sprach das Gericht in Perugia die beiden in einem Berufungsprozess frei. Unlängst hob Italiens Kassationsgericht den Freispruch für Knox und ihren Ex-Freund allerdings wieder auf. Das Verfahren muss somit neu aufgerollt werden. Nach ihrer Freilassung war Knox in ihre Heimatstadt Seattle zurückgekehrt. Ob die USA sie zur Neuverhandlung des Falles ausliefern, ist unklar: Nach US-Recht kann niemand zweimal für dasselbe Verbrechen vor Gericht gestellt werden.

Buchcover "Zeit, gehört zu werden" von Amanda Knox

Droemer

Buchhinweis

Amanda Knox: Zeit, gehört zu werden. Droemer/Knaur, 504 Seiten, 19,99 Euro.

Vier Millionen Vorschuss

Der Verlag HarperCollins - Teil des Medienimperiums von Rupert Murdoch und Herausgeber von Knox’ Memoiren - dürfte sich unterdessen wohl über die umsatzsteigernde Wirkung des Gerichtsbeschlusses freuen. Der Grund: Vier Millionen Dollar (3,06 Mio. Euro) soll allein als Vorschuss an Knox geflossen sein.

Ihre Interviews dürfte Knox somit nicht nur für Plädoyers in eigener Sache nützen - vielmehr handle es sich Beobachtern zufolge nicht zuletzt um eine großangelegte PR-Kampagne. Wenig verwunderlich findet sich auch auf den 504 Seiten des Buchs ausschließlich ihre Darstellung der Geschehnisse seit dem 2. November 2007, als Kercher in der gemeinsamen Wohnung der beiden in der italienischen Universitätsstadt Perugia mit 40 Messerstichen ermordet wurde.

Der Inhalt des Buches ist größtenteils schon bekannt, weil ausgewählte Medien das Buch als Teil der PR-Taktik schon vorab erhielten. Knox schildert sich darin als naives Mädchen, das unschuldig in die Fänge einer irregeleiteten Justiz geriet und der schließlich, nach folterartigen Zuständen in der Haft, durch den - inzwischen aufgehobenen - Freispruch in zweiter Instanz im Jahr 2011 Gerechtigkeit widerfährt.

„Amanda Knox, die ihre Eltern liebt“

Sie sei die „Maus in einem Katz-und-Maus-Spiel“ und ein „verlorenes und mitleiderregendes Kind“ gewesen, zitierte die „New York Times“ („NYT“) aus dem Buch. Vor den Ermittlern sei ihr vor allem wichtig gewesen: „Ich wollte nicht, dass sie mich für einen schlechten Menschen halten. Ich wollte, dass sie mich so sehen, wie ich war - als Amanda Knox, die ihre Eltern liebt, gut in der Schule ist, Obrigkeiten respektiert und deren einziger Konflikt mit dem Gesetz eine Verwaltungsstrafe wegen Lärmerregung“ bei einer Party in ihrer Heimatstadt Seattle gewesen sei.

TV-Hinweis

„Kultur.montag“ zeigt am Montag um 22.30 Uhr in ORF2 „Das Geschäft mit einem Verbrechen“ - mehr dazu in tv.ORF.at.

Von der Darstellung aus dem Mordprozess, dass sie eine nymphomanische Psychopathin sei, findet sich in dem Buch keine Spur. Ihre häufig wechselnden Männerbekanntschaften sowie den konstanten Konsum von allerlei weichen Drogen erklärt sie vielmehr damit, dass sie allzu naiv gewesen sei und sich gerade deshalb von ihrem Umfeld zu diesem Lebenswandel verführen habe lassen.

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