Themenüberblick

Supermärkte besetzen Tankstellen

In Österreich boomen derzeit Tankstellenshops großer Handelsmarken. Nach Spar und Billa setzt nun auch Merkur auf enge Kooperation mit den Tankstellen. Alle Seiten betonen, davon zu profitieren: Die Tankstellen versuchen, mit den Shops den Rückgang beim Treibstoffgeschäft auszugleichen, die Handelsketten wollen Umsatz und Marktanteile steigern.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Der heimische Tankstellensektor ist im Umbruch: Während die Zahl der Tankstellen laufend sinkt, werden immer mehr Standorte auf kostengünstigere Automatentankstellen ohne Personal umgerüstet. 2012 stieg ihr Anteil um 25 Prozent auf über 500 Stationen, wie der Fachverband der Mineralölindustrie Mitte April bekanntgab. Als Grund wurden die im westeuropäischen Vergleich geringen Margen angeführt. Gut frequentierte Standorte werden dafür deutlich aufgewertet und mit neuen Serviceangeboten und Shoppingmöglichkeiten ausgebaut.

Massiver Ausbau geplant

Merkur will etwa bis Ende 2014 gemeinsam mit BP österreichweit pro Monat drei bis vier Tankstellenshops unter der Marke Merkur inside eröffnen, rund 80 Standorte sind derzeit geplant. Mit der Marke Billa ist der REWE-Konzern seit längerem an rund 115 Jet-Tankstellen vertreten, auch hier ist ein Ausbau auf 130 Standorte geplant.

Jet-Tankstelle samt Billa Shop

ORF.at/Doris Rauh

Billa will Standorte bei Jet weiter ausbauen

„Wir sehen das als sinnvolle Erweiterung unseres Geschäftsfeldes“, so REWE-Sprecherin Ines Schurin gegenüber ORF.at über die Strategie dahinter. Darüber hinaus seien die Shops an den Tankstellen eine interessante erweiterte Markenpräsenz. REWE hat auch die Belieferung der 130 BP-eigenen Shops übernommen und beliefert die Shops des ENI-Konzerns.

REWE stellt für die Shops nach „genau definierten Regeln“ Marke und Sortiment zur Verfügung, betrieben werden die Shops von den selbstständigen Tankstellenbetreibern, so Schurin. Die Kosten für den Umbau müssen die Mineralölfirmen und die Pächter tragen. BP investiert dafür einen zweistelligen Millionenbetrag, der überwiegende Teil fließe in das Shopdesign, so BP-Sprecherin Monika Matausch. Nicht an allen Standorten würde sich eine derartige Investition allerdings rentieren.

Länger offen mit Gastrokonzession

Die verlängerten Öffnungszeiten der Tankstellenshops begründen die Betreiber unter anderem mit Gastronomiekonzessionen, die viele Shops hätten, beziehungsweise mit entsprechenden Bestimmungen der Gewerbeordnung. Die Gewerkschaft wünscht sich hier klarere Regeln und mehr Kontrollen, da sie das Sonntagsöffnungsverbot unterlaufen sieht.

Wachstum auf „ausgereiften“ Märkten

In „ausgereiften“ Märkten wie dem heimischen Tankstellenmarkt seien solche strategischen Kooperationen für das Wachstum wichtig, begründet eine Sprecherin von Shell gegenüber ORF.at den Wettlauf. Shell hat seit Mitte 2011 eine entsprechende Partnerschaft mit Spar, 2013 sollen die gemeinsamen Standorte ebenfalls auf 50 aufgestockt werden. Seit 2010 kooperiert Spar zudem mit dem oberösterreichischen Tankstellenbetreiber Doppler. Für Spar sind auch die „erweiterten Möglichkeiten“ bei den Öffnungszeiten interessant, so Spar-Sprecherin Nicole Berkmann - viele Tankstellenshops haben rund um die Uhr geöffnet. Auch hier werden die Shops von den Tankstellenbetreibern und -pächtern selbstständig finanziert und betrieben.

Baustelle eines Spar Express Shops an einer Shell Tankstelle

ORF.at/Doris Rauh

Partnerschaft zwischen Spar und Shell besteht seit zwei Jahren

Noch kein Ersatz für Supermarkt

Marktzahlen zu den Tankstellenshops gibt es laut Michael Oberweger, Leiter der Consultingabteilung bei RegioPlan, aktuell keine. Der Vorteil von Tankstellenshops liege aber auf der Hand: Tankstellen hätten eine gute Frequenz, die Kunden seien schon dort, und auch Parkplätze seien ausreichend vorhanden. Um als vollständiger Ersatz für den täglichen Einkauf genutzt zu werden, hätten die Shops aber noch nicht genügend Kompetenz im Frischebereich, so Oberweger.

Die Konkurrenz aus dem eigenen Haus werde von den Anbietern bewusst in Kauf genommen, um Marktanteile halten zu können und durch ein größeres Warenvolumen auch Vorteile bei den Einkaufspreisen zu bekommen, sagt Oberweger. Auf lange Sicht würden auch nur Tankstellen mit Null- oder Vollservice überleben. Shops ohne Spezialisierung oder Positionierung, gerade in Gebieten mit vielen Wahlmöglichkeiten, hätten hingegen kein Chance.

Shops für Tankstellen „unerlässlich“

Für das Einkommen der Tankstellenunternehmer seien die Shops „unerlässlich“, so BP-Sprecherin Matausch. Durch den rückläufigen Kraftstoffmarkt gewännen die Shops immer mehr an Bedeutung, bestätigt Shell. Auch die OMV, die mit der Marke Viva ein eigenes Tankstellenkonzept pflegt, nennt die Shops einen wichtigen Beitrag für jede Tankstelle, wobei hier die Shops als Zusatzleistung gesehen werden. Ihr Konzept mit der Eigenmarke Viva will die OMV auch weiterführen.

Alle Anbieter berichten von gestiegenen Umsätzen in den Shops, die teilweise über den Erwartungen lägen. Laut Shell korrelieren die Umsätze an den Zapfsäulen mit jenen in den Shops - bei beiden seien deutliche Steigerungen erzielt worden.

Zahl der Wochenendkäufer im Steigen

Laut Shell locken die Spar-Tankstellenshops durchaus auch Kunden an, die dort wie bei einem Greißler ihren täglichen Bedarf decken. Spar Express sei ein kleiner Nahversorger mit einem eigens zusammengestellten Sortiment, so Spar-Sprecherin Berkmann. Die Shell-Shops hingegen seien vor allem auf den Bedarf von Pendlern und Reisenden ausgerichtet, sagt Shell.

Bei BP werden laut eigenen Angaben vor allem Frische- und Convenience-Artikel gekauft, wobei das Angebot von Obst und Gemüse, Wurst, Käse bis hin zu Tiefkühlprodukten breitgefächert ist. Die Kundenfrequenz hänge dabei stark vom Standort und dem Einzugsgebiet ab, so die Anbieter, also, ob sich die Tankstellen auf dem Land oder in der Stadt befänden. Grundsätzlich gebe es aber neben den Hauptverkehrszeiten vor allem an den Wochenenden großen Andrang.

Wettbewerb lässt Preise fallen

Der verstärkte Wettbewerb hat sich auch auf die zum Teil doch deutlich höheren Preise an den Tankstellen ausgewirkt: Spar bietet laut Berkmann Eigenmarken sowie Brot, Obst und Gemüse zum gleichen Preis wie im normalen Supermarkt an. Markenartikel seien um zehn bis 15 Prozent teurer. Es sei Spar von Anfang wichtig gewesen, dass das grundsätzliche Preisniveau „sehr günstig“ sei, weil das Konzept sonst nicht funktioniere, so Berkmann. Der verrechnete Aufschlag bei den Markenartikeln beruht laut Berkmann auf den höheren Personalkosten wegen der längeren Öffnungszeiten. Laut OMV trägt auch der geringere Durchschnittsumsatz zum höheren Preis bei.

Nadja Igler, ORF.at

Links: