Historisches Dokument online
Zum 70. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto hat das polnische Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) den sogenannten Stroop-Bericht online zugänglich gemacht. SS-General Jürgen Stroop war für die Niederschlagung des Aufstands jüdischer Kämpfer verantwortlich.
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Der Originalbericht Stroops über das Vorgehen der zahlenmäßig überlegenen und technisch weit besser ausgerüsteten Deutschen befindet sich in den Archiven des IPN, das nationalsozialistische und kommunistische Verbrechen in Polen juristisch aufarbeitet.
„Das ist außergewöhnliches Material. Schritt für Schritt wird mit deutscher Präzision und Genauigkeit das Vorgehen des deutschen Militärs im April und Mai 1943 beschrieben“, sagte Rafal Leskiewicz, Leiter der IPN-Archivabteilung, am Mittwoch in Warschau. Der Bericht mit dem Titel „Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr“ verdeutliche den gesamten Vernichtungsprozess und die Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten.

Instytut Pamięci Narodowej
Das Deckblatt des Originalberichts
„Mentalität der Henker“
„Dieses Dokument zeigt die Mentalität der Henker“, betonte Andrzej Zbikowski, Historiker des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau. Der Ghetto-Aufstand war am 19. April 1943 ausgebrochen. Am 16. Mai schrieb Stroop nach der Sprengung der Warschauer Synagoge: „Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk Warschau mehr.“
Der Bericht datiert vom Mai 1943 und war an SS-Chef Heinrich Himmler gerichtet. Enthalten sind 31 Einzelberichte von 20. April bis 16. Mai 1943 sowie 53 Fotografien, die das Vorgehen der deutschen Truppen zeigen. Auch das berühmte Bild eines Buben mit in die Höhe gereckten Händen ist zu sehen, das weltweit zum Symbol für das Leid der Juden im Warschauer Ghetto wurde.
Von dem Bericht existiert noch ein weiteres Exemplar, das an Adolf Hitler gerichtet war. Dieses befindet sich in US-Archiven. Der von den US-Truppen nach dem Krieg entdeckte Bericht diente in den Nürnberger Prozessen als Beweismittel.
Stroop 1952 in Warschau gehängt
Stroop war der deutsche Kommandant für das Warschauer Ghetto. 1945 wurde er von den US-Truppen gefasst und den polnischen Behörden übergeben. Nach seiner Verurteilung zum Tode 1951 wurde er ein Jahr später am Ort seiner Verbrechen gehängt.
Am 19. April 1943 entschieden die Juden im Warschauer Ghetto, sich gegen die Nazis zu erheben. Die Kämpfe dauerten bis zum 16. Mai. Nach der Niederschlagung des Aufstands ließen die Nazis die noch im Ghetto verbliebenen Juden ins Todeslager Treblinka bringen. Nur wenige tausend Menschen aus dem Ghetto überlebten.
Neues jüdisches Museum
Zum 70. Jahrestag des Aufstands wird in Warschau - auf dem Gelände des ehemaligen Ghettos - auch ein neues jüdisches Museum eröffnet. Die Vizedirektorin Dorota Keller-Zalewska, die 2002/2003 das Polnische Jahr in Österreich koordinierte, war von Anfang an mit dem Projekt in Warschau verbunden, zunächst als Stadträtin. Sie betonte im Vorfeld der Eröffnung, dass man eine halbe Million Besucher jährlich erwarte. Damit würde die Einrichtung ebenso stark besucht wie das Museum des Warschauer Aufstandes, das - als letzter großer Museumsneubau in Polen - 2004 eingeweiht wurde.
Das Museum für die jüdische Geschichte richtet sich stärker an ausländische Besucher als an die polnische Bevölkerung. Allein 30.000 Schüler aus Israel sollen pro Jahr kommen. Bisher lernen die israelischen Gruppen in Polen fast ausschließlich Krakau und das Gelände des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau kennen, künftig sollen sie sich in Warschau mit der gesamten - über tausendjährigen - Geschichte der Juden in Polen auseinandersetzen.
Schau über Leben der Juden in Polen
„Wir ehren die Juden, die hier lebten, indem wir zeigen, wie sie lebten - nicht, wie sie starben“, wie es die Programmdirektorin der geplanten Dauerausstellung Barbara Kirshenblatt-Gimblett, eine Kunsthistorikerin aus New York, formulierte.
Die Dauerausstellung auf 4.330 Quadratmeter entsteht gerade im Keller des Gebäudes. Sie wird in acht Räumen durch die jüdische Geschichte in Polen führen. Ihr Eröffnungstermin stehe jedoch noch nicht fest, so Keller-Zalewska, mindestens bis Ende des Jahres werden die Arbeiten andauern. Bisher ist nur das Gebälk der Holzsynagoge von Gwozdziec zu sehen, die hier nachgebildet wird und bis ins Erdgeschoß ragt. Die erste Sonderausstellung wird jedoch schon am 17. Mai beginnen - über das jüdische Leben in Polen während der Zwischenkriegszeit. Dafür arbeite das Museum mit dem Institut YIVO aus New York zusammen, das Exponate beisteuern werde, so Keller-Zalewska.
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