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„Nationale Selbstzufriedenheit“

Während Vertreter aus Polen, Israel und anderen Staaten am Freitag den 70. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto würdigten, wird hinter den Kulissen ein Streit um ein Denkmal für die polnischen Helfer von Juden ausgetragen.

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Die Vorsitzende des polnischen Zentrums für die Erforschung der Judenvernichtung (Centrum Badan nad Zaglada Zydow), Barbara Engelkind, sprach sich strikt gegen ein solches, von der Stadt und der Regierung geplantes Monument auf dem ehemaligen Ghetto-Gelände aus.

Historikerin kritisiert Standort

Ein Denkmal für die in Israel geehrten „Gerechten unter den Völkern“ könne aufgefasst werden als Ausdruck von polnischem „Hochmut, der sagt, das wir immer an erster Stelle kommen müssen“, so Engelkind. „Außerdem würde ein Denkmal an einem solchen Ort die Diskussion über die polnische Haltung gegenüber den Juden in der Besatzungszeit gewissermaßen abschließen“, erklärte die Historikerin.

Denn es gebe in Polen die Tendenz, dass sich damalige Kollaborateure „hinter dem kleinen Häufchen der Gerechten verstecken“. Der jüdisch-stämmige Publizist Konstanty Gebert mit dem Pseudonym Dawid Warszawski pflichtete ihr bei: So ein Denkmal käme einem „Triumph der nationalen Selbstzufriedenheit“ gleich, schrieb er in der Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“.

„Hochachtung für unsere Helden“

Dieser Sichtweise widersprachen zahlreiche polnische und jüdische Intellektuelle. Der ehemalige israelische Botschafter in Polen, Szewach Weiss, erklärte der Zeitung „Super Express“, ein solches Denkmal solle direkt neben dem Museum für die Geschichte der polnischen Juden entstehen, das am Freitag eröffnet wurde.

Weiss erinnerte in dem Interview daran, dass es in der polnischen Heimatarmee AK die Abteilung „Zegota“ gab, die speziell mit der Rettung von Juden befasst war und der auch Ex-Außenminister Wladyslaw Bartoszewski angehörte. „Das sind unsere Helden, denen wir Juden Hochachtung entgegenbringen“, sagte Weiss.

Kompromiss: Denkmal außerhalb des Ghettos

Inzwischen wurden mehrere Kompromissvorschläge laut. Einer geht dahin, das geplante Denkmal nicht neben dem Museum - und damit auch neben dem Denkmal für den Ghetto-Aufstand von Nathan Rappoport - zu errichten, sondern am Grzybowski-Platz. Damit würde es in der Nähe der heute wichtigsten Warschauer Synagoge stehen.

Die Projektantin der Dauerausstellung des Museums, Barbara Kirshenblatt-Gimblett, sprach sich bei einem Vortrag in dieser Woche für eine Platzierung außerhalb des Ghetto-Geländes aus. Schließlich seien das auch die Orte gewesen, an denen Polen Juden retteten, etwa indem sie die aus dem Ghetto Geflohenen versteckten.

Diskussion über polnische Beteiligung am Holocaust

Die Diskussion über eine Beteiligung von Polen am Holocaust wird in Polen seit Erscheinen des Buches „Nachbarn“ des US-Historikers Jan Tomasz Gross 2001 heftig geführt. Während dieses erste Buch ein Massaker im polnischen Dorf Jedwabne betraf, bezog sich „Goldene Ernte“ von 2011 auf die Kollaboration mit den deutschen Besatzern insgesamt. Dabei wurde von Gross’ Kritikern immer darauf hingewiesen, dass Polen mit mehr als 6.300 Namen die größte Nation unter den in Yad Vashem geehrten „Gerechten unter den Völkern“ darstellen.

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