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US-Abzug als Grund für schwere Kämpfe

Seit Monaten beschießt die pakistanische Armee Stützpunkte der Taliban im Stammesgebiet Khyber aus der Ferne. Nun marschieren die Soldaten ein, um den Abzug der NATO aus Afghanistan zu sichern. Zehntausende sind auf der Flucht - mitten im Wahlkampf.

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Im Tirah-Tal im Nordwesten Pakistans blieben die islamistischen Rebellengruppen bisher meist unter sich. Seit Jahren kämpft der pakistanische Ableger der Taliban mit den Extremisten von Lashkar-e-Islam um die Vorherrschaft in dem strategisch wichtigen Stammesgebiet. Die pakistanische Armee beschoss Taliban-Stützpunkte lange Zeit nur aus der Ferne. Das hat sich seit Anfang April geändert: Die Armee ist in die Offensive gegangen.

Armee räumt „harten Widerstand“ ein

Mindestens zwei Dutzend Soldaten und weit mehr als hundert Rebellen sind nach Angaben aus Armeekreisen bei den Kämpfen in der Khyber-Region nahe der afghanischen Grenze bereits ums Leben gekommen. Das Militär stößt auf harten Widerstand. Doch die Armee mache Fortschritte. Auch Kampfjets kommen gegen die Extremisten zum Einsatz. Ein Taliban-Sprecher sagt hingegen, seine Bewegung füge der Armee großen Schaden zu.

Das malerische Tirah-Tal mit seinen tiefen Schluchten und Pinienwäldern war das ideale Rückzugsgebiet für die Taliban. Von hier aus starteten sie Angriffe auf NATO-Truppen in Afghanistan und zogen sich dann wieder über die Grenze zurück. Auch der Afridi-Stamm, der die Region vor den Islamisten kontrollierte, war der pakistanischen Armee nie wohlgesonnen.

Flüchtende als Preis für sichere Abzugsroute

Ein Sicherheitsexperte der Universität Peshawar sieht im baldigen Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan den Grund für die Armeeoffensive: Die US-Armee will ihre Ausrüstung über die pakistanische Hafenstadt Karachi am Indischen Ozean ausführen. Eine der Routen dorthin führt durch die Khyber-Region, sagt Syed Hussain Shaheed Soherwordi. In jüngster Zeit habe es wichtige Gespräche zwischen US-Vertretern und der pakistanischen Armeespitze gegeben.

Eine Befriedung des Tirah-Tals diene also sowohl den aktuellen Sicherheitsbedürfnissen der NATO-Truppen in Afghanistan als auch den Abzugsplänen der US-Armee, erklärte Soherwordi. Doch die Militäroffensive in der Khyber-Region bleibt nicht ohne Folgen für die Zivilbevölkerung. Nach Angaben des pakistanischen Katastrophenschutzes sind bis zu 47.000 Menschen auf der Flucht.

„Nun hat es unsere Häuser erreicht“

Lal Akbar ist mit 18 Angehörigen aus Tirah in die Provinzhauptstadt Peshawar geflohen. „Die Kämpfe zwischen den verschiedenen Gruppierungen laufen seit drei oder mehr Jahren, doch zuvor kämpften sie in den Bergen. Nun hat es unsere Häuser erreicht, und wir mussten fliehen“, erzählte er. Die Häuser seiner Großfamilie wurden von Granatwerfern zerstört. In Peshawar sind die Notunterkünfte überfüllt, Familien müssen sich trennen.

Auch auf die anstehende Parlamentswahl in Pakistan am 11. Mai haben die Kämpfe in der Region große Auswirkung. Der Khyber-Distrikt entsendet zwei Abgeordnete nach Islamabad. Der Ex-Parlamentarier Noor ul Haq Qadri tritt im Wahlbezirk Tirah-Tal an, doch fehlt ihm die Möglichkeit zum Wahlkampf: Wegen der Kämpfe und der Massenflucht kann er derzeit keine Gespräche mit den Wählern führen. „Die Sicherheitslage ist nicht gut. Lassen wir einmal die Kandidaten beiseite - auch die Wähler brauchen Mut, um das Haus zu verlassen und wählen zu gehen.“

Sajjad Malik und Safiullah Gul Mehsud, dpa