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„Die Formel war perfekt“

Aus der Verwendung von billigem Industriesilikon für seine Brustimplantate hat der Gründer der französischen Skandalfirma PIP, Jean-Claude Mas, nie einen Hehl gemacht. „PIP wusste, dass es nicht vorschriftsgemäß war, aber das Produkt war nicht schädlich“, versicherte Mas. „Die Formel war perfekt.“

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Heuer wurde dem mittlerweile 74-Jährigen wegen des Vorwurfs des schweren Betruges in Südfrankreich der Prozess gemacht. Weltweit hatten sich Hunderttausende Frauen seine Implantate einsetzen lassen. Das Bild des PIP-Firmengründers mit grauem Bart, Halbglatze und Brille ging vor etwas mehr als einem Jahr um die Welt: Interpol startete erstmals einen Fahndungsaufruf - allerdings nicht wegen der Billigimplantate, sondern wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss 2010 in Costa Rica.

Luxusleben in Toulon

Der Pensionist Mas, der bis dahin weitgehend unbehelligt in einer luxuriösen Villa in der Nähe der südfranzösischen Stadt Toulon gelebt hatte, wurde wenig später doch noch wegen des Skandals um die Brustimplantate inhaftiert. Im März 2012 landete er im Gefängnis, weil er eine Kaution nicht bezahlt hatte. Erst im Oktober vergangenen Jahres kam er unter Auflagen wieder frei. Sichtlich abgemagert und müde sagte der 74-Jährige, die Haft habe ihn „ruiniert“. Seine Gegner aber fürchteten, dass der PIP-Gründer ins Ausland flüchten könnte.

Mehr als 5.000 Frauen aus verschiedenen Ländern klagten im südfranzösischen Marseille gegen Mas, dem zusammen mit vier früheren Angestellten seiner Firma seit April der Prozess gemacht wurde. Die Ermittlungen in dem Verfahren waren bereits im Oktober 2011 abgeschlossen worden. Kaltschnäuzig hatte Mas im Polizeiverhör gestanden, dass er jahrelang ein hausgemachtes, billigeres Industriesilikon für seine Brusteinlagen verwendet hatte, um Geld zu sparen. Und er berichtete, wie er die Kontrolleure des TÜV hinters Licht führte: „Es war schon Routine, dass ich die Anweisung gab, alle Unterlagen zu verstecken.“

Auch Wein und Cognac verkauft

In das Medizinproduktegeschäft war der 1939 im südwestfranzösischen Tarbes geborene Mas erst spät eingestiegen. Nach seinem Militärdienst in Algerien jobbte er hier und dort, arbeitete in einem Lebensmittelgeschäft, für eine Versicherung, verkaufte Wein und Cognac. Danach wurde er Pharmavertreter und blieb zehn Jahre, bis 1980, bei der US-Firma Bristol-Myers in Südfrankreich.

Der Wendepunkt kam 1982: Er lernte seine spätere Lebensgefährtin Dominique Lucciardi kennen, die im Brustimplantategeschäft tätig war und mit einem Schönheitschirurgen aus Toulon zusammenarbeitete. Dessen Formel für die Einlagen übernahm Mas ab 1991 für seine eigene Firma PIP.

Aufstieg in die Weltliga

Mas schaffte es, dass seine Firma zum zeitweise drittgrößten Produzenten von Brustimplantaten weltweit aufstieg. 100.000 Silikoneinlagen jährlich stellte PIP her, bis die Einlagen im März 2010 verboten wurden und das Unternehmen schließen musste. Die meisten Implantate gingen ins Ausland, nach Südamerika, Großbritannien, Spanien. Die USA hatten seine Firma schon im Jahr 2000 im Visier - damals wegen Kochsalzeinlagen.

Wie skrupellos Mas seine Geschäfte verfolgte, lässt sich auch daran ablesen, dass er trotz des Verbots seiner Produkte die Gründung einer neuen Firma für Brustimplantate in Südamerika plante. Nach dem Betrugsprozess warten noch zwei weitere Verfahren in Frankreich auf ihn: eines wegen betrügerischen Bankrotts und eines wegen fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Tötung. Bisher konnte aber nicht nachgewiesen werden, dass auch mehrere Krebsfälle bei Frauen auf seine Billigeinlagen zurückgehen. Auf die Frage, was er über seine Opfer denke, sagte Mas im Polizeiverhör: „Nichts.“

Christine Pöhlmann, AFP

Link:

  • PIP (Wikipedia)