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Opfern wurden Gliedmaßen amputiert

Der Bombenanschlag auf den Boston-Marathon wurde Sicherheitskreisen zufolge mit Hilfe eines Schnellkochtopfs und Schießpulvers begangen. Mindestens einer der Sprengsätze sei so aufgebaut gewesen, hieß es am Dienstag. Bei dem Anschlag kamen am Montag drei Menschen ums Leben. 176 weitere wurden verletzt. 17 Verletzte befanden sich am Dienstag in einem „kritischen Zustand“.

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Der mit Schießpulver gefüllte Schnellkochtopf enthielt den Beamten zufolge auch Kugellager, um bei der Explosion mehr Splitter zu erzeugen. Gezündet wurden die Sprengsätze vermutlich über einfache Eieruhren. Anleitungen für den Bau einer derartigen Bombe seien im Internet zu finden. Chirurgen mehrerer Krankenhäuser berichteten, sie hätten Verletzten Metallkugeln und Nägel herausoperieren müssen.

Reste eines Rucksacks, der laut FBI eine Bombe enthalten hat

AP/FBI

Der durch die Explosion zerstörte Rucksack

Nylonrucksack als erste Spur

Klinikmitarbeitern zufolge wurden mindestens zehn Opfern Gliedmaßen amputiert. Im FBI-Labor in Quantico im US-Bundesstaat Virginia würden Metallteile untersucht sowie Reste von schwarzen Nylonrucksäcken und von Schnellkochtöpfen, hieß weiter. Demnach wurden auch erste Spuren gesichert. Vor allem nach Hinweisen auf den Rucksack werde gesucht, so das FBI.

Nach Angaben der Ermittler waren die beiden explodierten Bomben die einzigen, die es am Montag in Boston gab. In Berichten hatte es geheißen, es seien weitere Sprengsätze gefunden worden, die nicht explodiert seien. Ermittler hätten in diesem Fall möglicherweise wichtige Spuren sichern können.

Terror von innen?

Im Fernsehen äußerten Experten die Vermutung, dass es sich wohl nicht um eine internationale Terroraktion gehandelt habe. So sei der Angriff augenscheinlich zwar sorgfältig geplant, aber die Sprengsätze seien klein und nicht sehr ausgeklügelt gewesen. Sonst hätte es weitaus mehr Todesopfer gegeben. Laut US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass der Anschlag von Boston Teil einer größeren Verschwörung war. CNN zufolge gebe es demnach auch keine direkte Spur zum Terrornetzwerk Al-Kaida oder zu einer anderen ausländischen Gruppe.

US-Präsident Barack Obama

APA/EPA/Dennis Brack

Obama bezeichnete den Boston-Anschlag am Dienstag erstmals als Terrorakt

Nach Angaben der Bostoner Polizei gibt es nach wie vor keine Festnahmen. Aus dem FBI verlautete zudem, niemand habe sich zu der Tat bekannt. Es gebe ein breites Spektrum von möglichen Motiven. Auch sei unklar, ob es sich um einen oder mehrere Täter gehandelt habe.

Detailkarte von Boston

ORF.at

Die Orte der Anschläge

In Ermittlerkreisen hieß es, der Zeitpunkt des Angriffs spreche für einheimische Extremisten, die einen mächtigen Staat ablehnen. Am Montag wurde in Massachusetts der Patriots’ Day begangen, der an den Unabhängigkeitskrieg erinnert. Am 15. April läuft in den USA zudem die Frist für die Abgabe der Steuererklärung ab. Steuern sind für einige amerikanische Extremistengruppen ein Reizthema.

Erste Gedenkfeiern für Opfer

Trotz der Bombenanschläge soll der Boston-Marathon auch im nächsten Jahr wieder stattfinden. Das traditionelle Rennen sei ein „wesentlicher Bestandteil“ der Gesellschaft, sagte Thomas Grilk, Geschäftsführender Direktor des Veranstalters Boston Athletic Association (BAA), in einer Mitteilung. „Wir fühlen uns verpflichtet, diese Tradition mit der Austragung des 118. Boston-Marathons 2014 fortzusetzen.“

Unterdessen sind nun alle drei Todesopfer des Terroranschlags identifiziert. Neben einem achtjährigen Buben und einer 29 Jahre alten Amerikanerin starb auch eine Studentin aus China. Hunderte Menschen gedachten bei kurzfristig organisierten Gedenkfeiern in Boston der Opfer der Bombenanschläge beim Marathonlauf. Mit US-Fahnen und Plakaten versammelten sie sich am Dienstagabend (Ortszeit) an verschiedenen Orten der Stadt, um gemeinsam zu singen und zu trauern. In einem Park nahe der Anschlagstelle zündeten viele Menschen Kerzen an und sangen die US-Nationalhymne.

Bei einer speziell für das jüngste Todesopfer, den achtjährigen Martin Richard, organisierten Trauerfeier versammelten sich Hunderte Menschen in einem Park im Vorort Dorchester, wo Richard gewohnt hatte. Gemeinsam sangen sie „God Bless America“.

Aufruf zur Mithilfe

Nach dem ersten tödlichen Terroranschlag in den USA seit 2001 läuft eine gewaltige Großfahndung. Die Bundespolizei FBI und die Polizei von Boston baten die Bevölkerung um Mithilfe. Aufnahmen, die unmittelbar vor und unmittelbar nach den Explosionen gemacht worden seien, seien besonders wichtig für die Ermittlungen, sagte der örtliche Polizeichef Ed Davis. Der leitende FBI-Agent Rick DesLauriers rief Mitarbeiter von Restaurants und Geschäften in der Nähe des Anschlagsortes auf, Bilder von Überwachungskameras zur Verfügung zu stellen.

„Jemand weiß, wer das getan hat“, sagte er. „Die Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit wird eine entscheidende Rolle bei den Ermittlungen spielen.“ Bis Dienstagmittag (Ortszeit) gingen nach Angaben der Ermittler mehr als 2.000 Hinweise aus der Bevölkerung ein. Laut DesLauriers wurden bereits viele Stunden Filmmaterial und zahlreiche Fotos gesichtet und analysiert. Ein 1.000-köpfiges Team ermittle rund um die Uhr.

New York schickt Anti-Terror-Spezialisten

Unterstützt werden die in Boston unter FBI-Federführung stattfindenden Ermittlungsarbeiten auch von Anti-Terror-Spezialisten aus New York. „Wir haben Ermittler nach Boston geschickt, die dort mit den Behörden zusammenarbeiten sollen“, sagte New Yorks Polizeichef Ray Kelly am Dienstag bei Bloomberg TV. Kelly hatte 1993 die Ermittlungen nach dem ersten Bombenanschlag auf das World Trade Center in New York geleitet.

Polizei am Tatort

Reuters/Neal Hamberg

FBI-Ermittler am Tatort

Der Anschlag habe ihn nicht völlig überrascht. „Es gab vorher keine Hinweise, aber derartige Veranstaltungen ziehen solche Menschen an. Wo immer Tausende Menschen versammelt sind, ist das für Terroristen ein Ziel“, sagte Kelly. Er wollte aber noch keine Schlüsse ziehen, woher die Täter kommen. „Wir wissen kaum etwas, und ich möchte nicht spekulieren. Das wäre unangebracht, erst recht für einen Ermittler.“

Verstärkte Unterstützung erhalten die Ermittler unterdessen auch von der Nationalgarde. Laut US-Verteidigungsministerium seien mehr als 1.000 Nationalgardisten in die Stadt geschickt worden, wie Generalstabschef Martin Dempsey am Dienstag mitteilte. Medienberichten zufolge sollen die Nationalgardisten unter anderem bei der Sicherung des Tatorts helfen.

Flaggen auf halbmast

Obama sprach erstmals ausdrücklich von einem Terrorakt, machte aber klar, keine verlässlichen Hinweise auf den oder die Attentäter zu haben. Der Präsident werde am Donnerstagvormittag den Gedenkgottesdienst in der Heiligkreuzkathedrale in der Ostküstenstadt besuchen, kündigte der Gouverneur von Massachusetts, Deval Patrick, an. Die Flaggen an öffentlichen Gebäuden im Land wehen bis Samstagabend auf halbmast.

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