Geständnisse lösten Haftbefehle aus
Neue Spuren im Mordfall Giovanni Falcone haben italienische Mafia-Jäger am Dienstag zu einem Schlag gegen einen Clan der sizilianischen Cosa Nostra veranlasst. Sie rückten in der Früh mit acht Haftbefehlen aus und durchsuchten viele Wohnungen mutmaßlicher Mafiosi um den Clanboss Salvo Madonia, wie die Nachrichtenagentur ANSA berichtete.
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Der Jurist Falcone, Symbolfigur im Kampf gegen die Cosa Nostra, war am 23. Mai 1992 in Capaci bei Palermo zusammen mit seiner Frau und drei Leibwächtern durch eine Bombe getötet worden. Die neuen Erkenntnisse der Anti-Mafia-Polizei von Caltanisetta stützen sich auf Geständnisse früherer Mafiosi, die von einer Verwicklung des Brancaccio-Clans in den spektakulären Anschlag berichtet hatten. Für die Morde hatte sich der Mafia-Boss Giovanni Brusca vor Gericht verantworten müssen.

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Die Autobahn wurde bei dem Anschlag weithin zerstört
Fischer soll Sprengstoff geliefert haben
Erst im November 2012 war der mutmaßliche Lieferant des Sprengstoffs für das Attentat von Capaci, der Fischer Cosimo d’Amato, festgenommen worden. Die Mafiosi im Fokus der Ermittler, darunter auch der Boss Madonia, sitzen bereits alle wegen anderer schwerer Vergehen hinter Gittern. Die neuen Haftbefehle gegen sie beziehen sich auf die zusätzlichen Vorwürfe wegen des Attentats auf den Richter.

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Die Mafia-Jäger Falcone und Borsellino
2011 war der Mafia-Boss Bernardo Provenzano verhaftet worden, der den Anschlag auf Falcone angeordnet haben soll. 1993 war bereits der „Boss der Bosse“ Toto Riina, die Nummer eins der sizilianischen Mafia, verhaftet worden, der wegen des Mordes an Falcone zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Lebenslang hinter Gittern sitzt auch der Mafia-Boss Giovanni Brusca. Er hatte den Auslöser der Bombe gedrückt, die Falcone tötete.
Anti-Mafia-Pool aufgebaut
Falcone, der 53-jährig starb, hatte sich stets bemüht, die internationalen Verbindungen der Cosa Nostra aufzudecken. Eine entscheidende Rolle spielte er beim Aufbau des Anti-Mafia-Pools, einer Gruppe von Staatsanwälten, die Mitte der 1980er Jahre große Erfolge im Kampf gegen das organisierte Verbrechen verbuchen konnten.
Sein engster Kollege Paolo Borsellino wurde zwei Monate nach Falcone ebenfalls durch ein Sprengstoffattentat der Mafia getötet. Auch fünf Leibwächter starben bei dem Anschlag. Borsellino, der 52-jährig starb, bemühte sich, die internationalen Verbindungen der Cosa Nostra aufzudecken. Er spielte wie Falcone eine entscheidende Rolle beim Aufbau des Anti-Mafia-Pools.
Bevölkerung aufgerüttelt
Die Ermordung Falcones und Borsellinos markierte in Italien einen Wendepunkt in der Haltung der Bevölkerung zur Mafia. Hunderttausende demonstrierten unmittelbar nach Borsellinos Tod auf den Straßen Palermos. Viele Sizilianer brachen ihr Schweigen und bekannten sich offen als Gegner der Mafia. Erpresste Geschäftsleute wehrten sich zunehmend, Zwangsgelder an die Organisation zu zahlen. Einige von ihnen mussten das mit ihrem Leben bezahlen.
Kurz nach Borsellinos Ermordung wurde ein neues Anti-Mafia-Gesetz verabschiedet, das abtrünnigen Mafiosi beträchtliche Strafmilderungen garantierte. Dank der Kooperation mit Kronzeugen konnten die italienischen Behörden in den Jahren nach der Ermordung Borsellinos wichtige Erfolge im Kampf gegen die Cosa Nostra erzielen.
Dutzende Haftbefehle auf Sizilien
Die italienische Justiz verschärft nun erneut ihre Offensive gegen das organisierte Verbrechen. 77 Haftbefehle wurden gegen Mitglieder der Cosa Nostra auf Sizilien erlassen. Die Haftbefehle sind auf die Staatsanwaltschaft der sizilianischen Stadt Catania zurückzuführen, die aufgrund von Angaben des abtrünnigen Mafia-Bosses Santo La Causa zustande kamen. La Causa, der zu den 30 gefährlichsten Kriminellen Italiens zählte, war 2009 festgenommen worden, während er an einem Gipfeltreffen von Mafia-Bossen in Catania teilnahm. Seit dem vergangenen Mai arbeitet er mit den Justizbehörden zusammen, die heikle Ermittlungen um den Mafia-Clan Santapaola führen.
Auch in der süditalienischen Region Kalabrien haben die Ermittler positive Resultate im Kampf gegen das organisierte Verbrechen zu feiern. Sie konnten Domenico Sibio, einen 35-jährigen ’Ndrangheta-Boss, verhaften. Ihm werden enge Verbindungen zum ’Ndrangheta-Clan Pesce vorgeworfen.
Besitz im Wert von 1,3 Mrd. beschlagnahmt
Erst Anfang April war der Polizei ein schwerer Schlag gegen die Mafia gelungen. Bei einer großangelegten Aktion beschlagnahmte die sizilianische Polizei bei im Bereich umweltfreundlicher Energien aktiven Unternehmen Besitztümer im Wert von 1,3 Milliarden Euro. Es handelt sich um die bisher größte Konfiszierung der Justizbehörden im Kampf gegen die wirtschaftlichen Interessen des organisierten Verbrechens, teilte die Anti-Mafia-Behörde DIA im April mit.
Die Justizbehörden stellten fest, dass der 57-jährige Unternehmer dank seiner guten Verbindungen zur organisierten Kriminalität eine Spitzenposition im Bereich Wind- und Sonnenenergie erreicht hatte. Er pflegte unter anderem geschäftliche Beziehungen zu luxemburgischen, dänischen und spanischen Gesellschaften. In den Jahren davor hatte sich der Verdächtige vom Elektriker zum Großunternehmer in der Produktion von erneuerbaren Energien hochgearbeitet.
Besitztümer des Unternehmers wurden nicht nur auf Sizilien, sondern auch in der Lombardei und im Großraum von Rom beschlagnahmt. Die Behörden gehen davon auf, dass der Firmenchef ein Strohmann der seit Jahren gesuchten Nummer eins der Mafia, Matteo Messina Denaro, ist.
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