Unterschiedliche Struktur und Tradition
Mafia steht für einen streng hierarchischen Geheimbund, der seine Macht durch Erpressung, Gewalt und politische Einflussnahme zu festigen und auszubauen versucht und seine Wurzeln im Sizilien des 19. Jahrhunderts hat. Eigentlich kann nur die Mafia sizilianischer Herkunft, die auch Cosa Nostra genannt wird, diese Bezeichnung für sich beanspruchen.
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Mafia ist jedoch in der Umgangssprache zu einem allgemeinem Begriff für kriminelle Organisationen geworden. In Süditalien steckt heute hinter dem Schlagwort Mafia eine Vielzahl krimineller Organisationen. Cosa Nostra, ’Ndrangheta, Camorra und Sacra Corona Unita haben gemeinsam, dass sie mit Gewalt und in der Illegalität ihre Geschäfte ausbauen. Ihre Strukturen und Traditionen sind aber sehr unterschiedlich. Die Sacra Corona Unita ist vor allem in der süditalienischen Region Apulien aktiv.
Rund 180 Cosa-Nostra-Clans
Die Cosa Nostra ist historisch die älteste der italienischen Verbrecherorganisationen. Sie entstand auf Sizilien und hat eine weitgehend hierarchische Struktur mit einem „militärischen“ Flügel und einem wirtschaftlichen. Ihr Zusammenhalt stützt sich wesentlich auf einen internen Kodex mit strengen Verhaltensregeln.
Allen „Ehrenmännern“ gemeinsam ist die ablehnende Haltung gegenüber dem Staat. Diese Haltung ist in der Cosa Nostra so stark verwurzelt, dass ein „Ehrenmann“, falls er selbst Opfer eines Verbrechens wird, niemals Anzeige erstattet. Die Hauptsitze der Cosa Nostra befinden sich auf Sizilien. Die Organisation zählt rund 5.500 Clanmitglieder und 180 Cosa-Nostra-Familien. Das Einflussgebiet der Cosa Nostra erstreckt sich in Italien auf Sizilien, Apulien sowie Mittel- und Norditalien.
’Ndrangheta tief im Kokainhandel
Die ’Ndrangheta entstand im 19. Jahrhundert in der süditalienischen Bergregion Kalabrien aus Briganten und Rebellen. Das Einkommen bestritt man vornehmlich aus Erpressungen und Entführungen. Die ’Ndrangheta zählt aktuell vermutlich etwa 7.000 Mitglieder und umfasst etwa 90 Clans oder „Cosche“. Im Vergleich zur Cosa Nostra basiert die Mitgliedschaft in der ’Ndrangheta weit stärker auf Blutsverwandtschaft.
Die ’Ndrangheta gilt als die bedeutendste Organisation im europäischen Kokainhandel. Sie soll sich auch um die Koordination des Drogenhandels in den Produktionsländern in Südamerika kümmern. Weitere wesentliche Ertragsquellen sind Waffenhandel, Geldwäsche und Erpressungen. Das Zentrum der Organisation liegt nach wie vor in Kalabrien in den Provinzen Reggio Calabria und Crotone. Der Einflussbereich der ’Ndrangheta erstreckt sich in Italien auf Kalabrien, Nord- und Mittelitalien sowie Apulien.
Camorra in Bereiche aufgeteilt
Bei der neapolitanischen Camorra gibt es im Gegensatz zur Cosa Nostra keine Führungspersonen oder Führungsgremien, die für die gesamte Organisation entscheiden. Die Clans operieren aufgrund von Abkommen unabhängig in ihren jeweiligen Bereichen. Laut den italienischen Justizbehörden umfasst die Camorra rund 100 Clans mit rund 6.000 Mitgliedern. Ihr Einflussbereich in Italien erstreckt sich auf die Stadt Neapel und das Umland in der Provinz Kampanien.
Immer wieder Mafia-Fehden
Die Sacra Corona Unita und andere apulische Verbrecherorganisationen sind die jüngsten Ableger der italienischen Mafia. Sie gehen auf traditionelle Schmugglerfamilien an der Küste Apuliens und andere kriminelle Gruppierungen zurück. 1983 wurde die Sacra Corona Unita von Häftlingen im Gefängnis von Bari gegründet. 1991 wurde sie erstmals vom Justizministerium offiziell als eigenständige kriminelle Vereinigung nach Art der Mafia erwähnt. Im Laufe der Jahre wurden weitere Gruppierungen gegründet. Die italienischen Strafverfolgungsbehörden gehen von rund 95 Clans mit etwa 1.800 Mitgliedern aus. Ihr Einflussbereich erstreckt sich in erster Linie auf die Region Apulien.
Innerhalb dieser kriminellen Gruppierungen kam es in der Vergangenheit immer wieder zu gewaltsam ausgetragenen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Clans, beispielsweise dem „Camorra-Krieg“ in Neapel, dem allein im Jahr 2006 mehr als 100 Personen zum Opfer fielen. Auch das Massaker im deutschen Duisburg im Jahr 2007, bei dem sechs Mitglieder der ’Ndrangheta erschossen wurden, gilt als Folge einer Mafia-Fehde.
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