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„Perfekte Droge“ der Bankerkultur

Für markige Aussagen ist der Pharmakologe David Nutt vom Imperial College in London bekannt - schließlich haben ihn solche auch 2009 den Job als Drogenbeauftragter der britischen Regierung gekostet. Mit seiner eigenen Theorie zur Finanzkrise sorgt er nun erneut für Aufsehen. Er sieht Kokain als mögliche Ursache für die überbordenden Spekulationsgeschäfte.

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„Banker nehmen Kokain und haben uns damit in dieses furchtbare Schlamassel gebracht“, sagte Nutt der „Sunday Times“. Die Droge hätten sie leichtsinnig gemacht und dazu verleitet, höhere Risiken einzugehen.

Drang nach immer mehr

Kokain sei die „perfekte Droge“ der Kultur der Anspannung und des Dranges nach immer mehr, der in der Bankenwelt vorherrsche. Der Kokainmissbrauch habe daher zum finanziellen Zusammenbruch geführt, so Nutt. Das sei bei der aktuellen Bankenkrise genauso gewesen wie beim Bankrott der Barings Bank 1995.

Damals hatte der Börsenmakler Nick Leeson das traditionsreiche Bankhaus mit gigantischen Fehlspekulationen im Alleingang in den Ruin getrieben und die internationale Finanzwelt schockiert. Der damals 27-Jährige hatte an der Börse in Singapur etwa eine Mrd. Euro Verlust gemacht - zu viel für die älteste britische Handelsbank. Sogar das britische Pfund geriet damals kurz ins Wanken. Leeson versuchte unterzutauchen, wurde aber gefasst und musste für vier Jahre hinter Gitter.

„Reiten gefährlicher als Ecstasy“

Nutt war 2009 als Drogenbeauftragter der britischen Regierung nach umstrittenen Aussagen zu der Gefährlichkeit von Drogen entlassen worden. Er hatte in einer Studie geschrieben, Drogen wie Cannabis, Ecstasy und LSD seien weniger gefährlich als die legalen Suchtstoffe Alkohol und Tabak. Er bezeichnete seine Entlassung damals als politischen Populismus. „Keiner behauptet, Drogen sind ungefährlich.“ Tabak und Alkohol als legale Droge auszunehmen, sei aber „künstlich“.

Die Einnahme von Ecstasy koste, so Nutts Argumentation, jährlich 30 Menschenleben in Großbritannien, damit sei es nicht gefährlicher als Reiten. Cannabis erzeuge „nur das vergleichsweise geringe Risiko“ einer psychischen Erkrankung. Zugleich kritisierte Nutt die staatliche Drogenpolitik, die den Erkenntnissen der Forschung widerspreche.

Debatte über Cannabiseinstufung

Der damalige Labour-Innenminister Alan Johnson sah das Vertrauen in Nutt zerstört und entband ihn umgehend von seinen Aufgaben. „Es ist wichtig, dass die Botschaft der Regierung klar ist, und Sie als Beauftragter tun nichts, damit sie die Öffentlichkeit versteht“, schrieb Johnson an Nutt. Der wiederum gründete im Gegenzug das Independent Scientific Committee on Drugs, ein unabhängiges Wissenschaftlerkommitee zur Erforschung von Drogen.

Auslöser der Debatte damals war die Einstufung von Cannabis: Die britische Regierung hatte im Jänner Cannabis als weiche Droge der Kategorie B eingestuft, deren Besitz mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Damit machte sie eine Entscheidung von 2004 rückgängig, als Cannabis noch als einfaches Beruhigungsmittel der Kategorie C eingestuft worden war.

Nüchterne Diskussion gefordert

Laut Nutt schlug die Regierung mit der Änderung in diesem Jahr wissenschaftliche Erkenntnisse einfach in den Wind. Die Öffentlichkeit werde durch solch ein Vorgehen verunsichert. Nutt forderte „eine breite und offene Diskussion über die wissenschaftlichen Nachweise und eine wohlüberlegte Debatte, warum wir Drogengesetze haben und ob sie ihre Aufgabe erfüllen“.

Suchtmittel müssten nüchterner eingestuft und die Menschen besser über die Gefahren der einzelnen Drogen informiert werden, forderte Nutt. Basierend auf den Kriterien körperliche Schäden, soziale Auswirkungen und Abhängigkeitsgrad stellte der Vorsitzende des Beratergremiums der britischen Regierung zu Drogenmissbrauch selbst eine Rangfolge der gefährlichen Drogen auf.

Poltern gegen „Magic Mushroom“-Verbot

Alkohol komme demnach auf Rang fünf, nur Heroin, Kokain, Barbiturate und der Heroinersatzstoff Methadon richten laut Nutt mehr Schaden an. Die Volksdroge Nikotin in Form von Zigaretten belegte bei Nutt Platz neun. Cannabis, LSD und Ecstasy landeten hingegen auf den Plätzen elf, 14 und 18.

Und genau diese streitbare Linie vertrat Nutt auch vor kurzem wieder: Erst vergangene Woche kritisierte er die Regierung für die restriktiven Drogengesetze, die wissenschaftliche Forschung behindern würden. So sei das Verbot von „Magic Mushrooms“ also psychoaktiven Pilzen „absurd“ und „blödsinnig“, sagte er der BBC. Denn damit könne die Wirkung des Stoffes Psilocybin, der etwa gegen Depressionen eingesetzt werden könnte, nicht erforscht werden.

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