Urteil nach stundenlanger Beratung
Im Immofinanz-Prozess hat das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Claudia Moravec-Loidolt am Freitag drei Schuldsprüche gefällt. Karl Petrikovics, Helmut Schwager und Christian Thornton wurden wegen Untreue verurteilt. Ex-Immofinanz-Chef Petrikovics muss sechs Jahre hinter Gitter, der frühere Immofinanz-Aufsichtsratspräsident Schwager viereinhalb Jahre.
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Der mitangeklagte frühere Ex-Prokurist Thornton wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, die allerdings auf drei Jahre bedingt ausgesprochen wurden. Thornton war ebenfalls wegen Untreue angeklagt. Die drei Angeklagten verfolgten die Urteilsverkündung mit ernsten Mienen. Richterin Loidolt begründete die Strafe für Petrikovics mit den Worten: „Petrikovics war der Mastermind“, er sei der im Prozess zitierte „Sonnenkönig“ gewesen. Die angeklagte schwere Untreue kann mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden, damit wurde mehr als die Hälfte des Strafrahmens ausgeschöpft. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Lediglich Schwager meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Petrikovics und Thornton gaben bei Gericht keine Erklärung ab, auch Staatsanwalt Volkert Sackmann wartet noch. Die Angeklagten und der Staatsanwalt haben nun dafür drei Tage Zeit. In einer Aussendung teilte Petrikovics später mit, dass er wohl Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung anmelden werde.
„Alles hin und her geschoben“ von Petrikovics
Es sei hier um einen „fiktiven Aktienerwerb“ gegangen, aber um „realiter ausbezahlte Gewinne“, so die Richterin. Den Mitarbeitern sei immer wieder das Bild gezeichnet worden, die Bank sei die Letztverantwortliche und würde für allfällige Verluste gradestehen. Es wurde „alles hin und her geschoben im Auftrag von Petrikovics“, sagte sie: „Petrikovics hat die Bank und das Leintuch beherrscht“. Mit „Leintuch“ wurden die einzelnen Tochtergesellschaften bezeichnet - weil es so viele waren, dass sie nur auf einer Fläche so groß wie ein Leintuch dargestellt werden konnten.

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Ex-Aufsichtsratspräsident Schwager: „Wenn man nur mit dem Aktiengesetz und Bankwesengesetz herumgeht, dann werden Sie keine Gewinne machen.“
„Begünstigungen ohne rechtliche Grundlage“
„Man hat sich Begünstigungen auszahlen lassen in Höhe von 20 Millionen Euro, ohne dafür eine rechtliche Grundlage zu haben“, führte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung aus. „Man hat kein Kapital eingesetzt und hat sich die Gewinne auszahlen lassen. Oberste Prämisse war: Niemand sollte etwas erfahren.“ Es habe eine unrechtmäßige Bereicherung von Petrikovics und Schwager gegeben.
Die Angeklagten hätten ihre Befugnisse, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, so Loidolt. „Wir haben hier gelernt, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise von der strafrechtlichen abweicht.“ Das Urteil fiel am Freitagabend nach dreieinhalbstündiger Beratung des Schöffengerichts am Wiener Straflandesgericht.
Treuhandschaft, um Geschäfte zu verdecken
In der Urteilsbegründung prangerte die Richterin auch die Treuhandschaft für die Optionsgeschäfte an. Man habe eine Treuhandschaft gewählt, um die Geschäfte zu „verdecken“. Niemand in den entscheidungspflichtigen Gremien habe gewusst, dass es sich um Geschäfte von Petrikovics, Gertner und Schwager gehandelt habe, da deren Namen gar nicht aufgetaucht seien.
Der mitangeklagte, aber bereits freigesprochene Treuhänder Ernst Hable hatte die Treuhandschaft ausgeübt. Er kassierte rund 20 Mio. Euro und reichte sie an Petrikovics, Gertner und Schwager weiter.
„Untreue gegeben“
Die Richterin prangerte auch die Insichgeschäfte im Rahmen der angeklagten Optionsgeschäfte an. Diese Problematik, dass die Angeklagten Petrikovics und Schwager einerseits Organe verschiedener Gesellschaften waren, die verpflichtet wurden, und andererseits auch von den Geschäften direkt profitierten, ziehe sich „wie ein roter Faden“ durch das ganze Verfahren.
Der Senat sei überzeugt, dass auch der subjektive Tatbestand der Untreue gegeben sei, so die Richterin. „Ein Verstoß gegen die Vermögensinteressen des Vertretenen begründet nun mal einen Machtmissbrauch.“ Die geschädigten Gesellschaften seien Tatobjekt. „Auch wenn im Strafrecht immer mehr die wirtschaftliche Betrachtungsweise gesehen wird, muss die Bedeutung und Auslegung dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise dort ein Ende haben, wo das Strafrecht eingreift, bei Befugnismissbrauch und Vermögensnachteil.“
Verurteilte bekannten sich nicht schuldig
Petrikovics, Schwager und Thornton hatten bis zuletzt ihre Unschuld betont. Petrikovics sagte in seinem Schlussplädoyer am Freitag, er habe stets zum Wohle des Unternehmens gearbeitet. Er habe 80 bis 90 Stunden die Woche für das Unternehmen gearbeitet. „Genau das wird mir jetzt vorgeworfen, dass ich versucht habe, dadurch Vorteile für das Unternehmen zu erzeugen.“

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Mitangeklagter Thornton habe nie etwas alleine entschieden, „er hatte gar kein Pouvoir“, so dessen Anwalt. Die Richterin sah das anders
Schwager meinte, hätte er von Unrechtmäßigkeiten gewusst, hätte er sie sofort abgestellt. „Ich hätte nie rechtswidrigen Handlungen des Vorstandes der Bank oder der Immofinanz-Gruppe zugestimmt, wenn ich Verdacht geschöpft hätte“, so Schwager. Lediglich Thornton ließ Reue anklingen, hätte er damals das gewusst, was er heute wisse, dann hätte er vieles nicht gemacht.
Gertner entschlug sich, Hable freigesprochen
Der Prozess wurde seit dem 22. Jänner geführt. Das Verfahren gegen den mitangeklagten Ex-Manager Norbert Gertner wurde wegen Krankheit aus dem Prozess ausgeschieden. Am Freitag war er als Zeuge geladen und entschlug sich der Aussage. Der mitangeklagte Treuhänder Ernst Leo Hable wurde während des Prozesses freigesprochen, die Anklage gegen ihn wurde zurückgezogen.
21 Millionen sich selbst zugespielt
Petrikovics, Schwager und Gertner sollen die komplizierte Firmenkonstruktion des Constantia-Immofinanz-Konzerns ausgenutzt haben, um sich im Geheimen selber rund 21 Millionen Euro zuzuschanzen. Petrikovics und Gertner waren Vorstände der Constantia Privatbank (CPB), die wiederum über Managementverträge alle Fäden bei der Immofinanz und Immoeast und zahlreichen anderen Tochtergesellschaften zog. Schwager war Aufsichtsratsvizepräsident der CPB und Aufsichtsratspräsident von Immofinanz und Immoeast.
Über geheim gehaltene Aktienoptionsgeschäfte am Aufsichtsrat vorbei sollen sich die Angeklagten unrechtmäßig bereichert haben. Ohne Einsatz eigenen Kapitals hätten sie diese Geschäfte mit Mitteln diverser Gesellschaften im Konzern gemacht und diese geschädigt. Über den Treuhänder Hable ließen sie sich Ende 2006 und Anfang 2007 die Gewinne aus den Optionsgeschäften überweisen. Die Angeklagten beteuerten, die Millionen stünden ihnen zu. Trotzdem zahlten sie einen Teil als „Schadenswiedergutmachung“ zurück, insgesamt 8,66 Mio. Euro.
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