Ein Fenster zur Welt
Atemberaubende Bilder sind derzeit in einer Ausstellung des Wien Museums in der Hermesvilla zu sehen. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es keine Farbfotos und noch keinen Massentourismus in ferne Länder. Hubert Sattler bereiste deshalb die Welt und fertigte fotorealistische Bilder an.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Betritt man nach dem notwendigen Spaziergang durch den Lainzer Tiergarten die Ausstellungsräume in der Hermesvilla, fällt als Erstes die Technik Sattlers ins Auge. Im ersten Moment wirken die Bilder, als wären sie elektrisch hintergrundbeleuchtet - so sehr treten Licht und Farbe bis heute hervor. Im zweiten Moment denkt man an Photoshop-Bilder, bei denen jemand Kontrast und Helligkeit hochgeschraubt hat.

Salzburg Museum
Hubert Sattler: New York (von Long Island aus), 1854
Die „optische Zimmerreise“
Hubert Sattler, geboren 1817 in Salzburg, war als Bub mit seinem Vater durch ganz Europa gereist. Der Vater hatte ein ausladendes Panorama der Stadt Salzburg gemalt, das er in zahlreichen Städten ausstellte. Noch vor der Abfahrt hatte der Bub einen Crashkurs an der Akademie in Sachen Malerei erhalten. Schon früh fertigte er auf Reisen Skizzen an, die er dann später zu Hause als Gemälde ausführte.
1840 schließlich übernahm er das Unternehmen seines Vaters. Er reiste aber nicht mehr mit dem Salzburg-Panorama durch die Gegend, sondern stellte ganz auf Reisebilder um. Die „optische Zimmerreise“ war damals nicht unüblich. Reisemaler stellten Bilder aus, die man durch ein Loch in einer Zwischenwand betrachtete. Das Guckloch war so angelegt und ausgerichtet, dass man direkt auf das optimal beleuchtete Bild blickte, nicht aber dessen Rahmen sah. So entstand der Eindruck, man schaue durch ein Fenster direkt in die Welt hinaus.

Salzburg Museum, ORF.at/Simon Hadler
Durch das Loch im Guckkasten sieht man den Bilderrahmen nicht - was wirkt, als würde man die Welt durch ein Fenster betrachten
Gespür für „gute Geschichten“
Sattler war also nicht der einzige Reisemaler, aber er war einer der besten. Heute sind im Salzburg Museum noch rund 130 großformatige Bilder erhalten, von denen nun mehr als dreißig Stück in der Hermesvilla ausgestellt sind. Zu Sattlers Geschäftsmodell gehörte es nicht nur, mit seinen Ausstellungen herumzureisen und an den Eintrittsgeldern zu verdienen. Er fertigte auch kleinformatige Kopien seiner großen Bilder an und verkaufte sie an Ort und Stelle - eine frühe Form des Museumsshops also.
Sattler hatte ein Gespür dafür, was die Menschen damals sehen wollten: den Orient, große Weltstädte, Berge und das Meer. Er rückte kaum je Menschen - auch nicht berühmte - in den Vordergrund. Seine Perspektive ist oft eine von einem Hügel aus. Erst wenn man näher an die Bilder herangeht, sieht man, dass sie sehr wohl bevölkert sind, und erkennt den Detailreichtum. Ein wenig erinnern seine Stadt- und Landschaftsansichten an Wimmelbilder für Kinder, in denen man jedes Mal, wenn man sie ansieht, wieder neue Details und Szenen entdecken kann.

ORF.at/Simon Hadler
Eine Ausstellung als Zeitreise; Bilder mit beachtlicher Tiefenschärfe
Champagner, „Kaffe“ und Wohl dem „Vicekönig“
Seine erste Reise führte ihn in den Nahen Osten und nach Nordafrika. Sattler malte unter anderem Istanbul, Mekka und Heiligtümer wie den Tempel von Abu Simbel in Ägypten. Oft sah man auf seinen Bildern irgendwo versteckt ein paar Reisende, auch wenn die in Wahrheit selten anzutreffen waren. Sattler empfand seine Kunst als Bildungsauftrag. Er wollte Ängste abbauen und zeigen, dass jeder zu diesen entfernten Orten reisen könne. Außerdem fertigte der Maler ausführliche Beschreibungen zu seinen Bildern an; darin vermittelte er ebenfalls - meist historische - Bildung.
Ausstellungshinweis
Sattlers Kosmorama. Eine Weltreise von Bild zu Bild. Eine Ausstellung in Kooperation mit dem Salzburg Museum. Hermesvilla, Lainzer Tiergarten (Wien); von 11. April bis 3. November, Dienstag bis Sonntag und Feiertag, 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr
Manchmal vermittelte Sattler en passant, was es hieß, Reisemaler zu sein. In Damaskus wurde er mit Steinen beworfen - die Ortsansässigen sahen nicht ein, warum sie von einem „Westler“ gemalt werden sollten. Ganz anderes berichtete er aus Ägypten von einer Silversterparty:
„Nach einem glänzenden Souper folgte ein brennender Pudding, und hierauf Punsch, Rheinwein, Bordeaux, Cypro und Champagner, womit die Toaste auf den König und die Königinn von Preußen, auf das österreichische Kaiserhaus, auf die anwesende Societät und auf alle unsere Verwandte in Deutschland ausgebracht wurde. [Auf] Die Gesundheit des Vicekönigs von Egypten wurde mit schwarzem Kaffe getrunken.“

Salzburg Museum
Sebastian Stief: Porträt Hubert Sattlers, 1875
New York vor den ersten Hochhäusern
Große Erfolge feierte Sattler nicht nur in Österreich - sondern auch in New York, wo er monatelang mit seinem Bildern am Broadway gastierte. Er hatte tolle Kritiken, und viele Prominente kamen in die Ausstellung. Nur über den geringen Eintrittspreis von 25 Cent jammerte Sattler. Aber er nutzte die Reise für weitere Bilder. New York, schrieb er, sei mit seinen 800.000 Einwohnern „jetzt der wichtigste Handelsplatz Amerika’s und nach London der zweite der Welt“.
In einem großen Gemälde zeigte er New York, noch bevor 1870 die ersten Hochhäuser gebaut worden waren. Von Brooklyn aus gesehen, erkennt man bereits die charakteristische Struktur der Stadt. Auch hier sind es die zahllosen Details, die faszinieren. Ebenfalls in der Ausstellung zu sehen: Mexico City, das damals noch nichts vom heutigen Moloch an sich hatte.
Sattler, der am 3. April 1904 in Wien verstarb, verstand zu seiner Zeit, Menschen auf Reisen mitzunehmen - er war damit ein Vorläufer der Diavorträge, die in den 80er und 90er Jahren auch in Österreich äußerst populär waren. Seine Bilder sind aber auch heute eine spannende Ergänzung zu den wenigen Schwarz-Weiß-Fotografien des 19. Jahrhunderts. So wurde aus seiner Welt- eine Zeitreise.
Simon Hadler, ORF.at
Link: