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Kampf um die kabellose Ladehoheit

Das Surfen im Internet erfolgt via Funknetz, die Kopfhörer werden mittels Bluetooth verbunden. Jetzt soll sich das Dickicht auf dem Schreibtisch um ein weiteres Kabel lichten: das Netzkabel. Ein einziges Ladegerät könnte in Zukunft die Akkus von Tablet, Smartphone und MP3-Player drahtlos aufladen.

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Drei verschiedene Konsortien versuchen derzeit ihre Technologie als den neuen Standard für drahtloses Aufladen zu etablieren und scharen medienwirksam Unterstützer um sich. Als wäre das der Verwirrung nicht genug, verweigert iPhone-Hersteller Apple jeden Vorschlag und setzt seinerseits auf eine Eigenentwicklung. Der US-Konzern hat dafür gerade ein Patent für drahtloses Laden mittels Smart Cover angemeldet, Details unbekannt.

Die verschiedenen Ladetechniken basieren auf dem Prinzip der Induktion, das Magnetfelder zur Energieübertragung nutzt. Technisch gesehen benötigt man dafür eine Primärspule, von der die Energie ausgeht, und eine Sekundärspule im Gerät selbst, auf welche die Energie übertragen wird. Die Spannung wird über ein unsichtbares Magnetfeld übertragen. Ein Prinzip, das von elektrischen Zahnbürsten und auch Rasierapparaten bekannt ist.

Möbel als Ladestation

Als Ladestation können dabei nicht nur bestimmte Ladematten oder Ladeschalen genutzt werden, auch das feste Verbauen der Technik in Möbelstücke wie zum Beispiel einen Schreibtisch ist möglich. Ladestation und Handy müssen dabei nicht vom gleichen Hersteller sein, solange sie nach demselben Standard arbeiten. Auch könnten verschiedene Geräte wie Tablet, Digitalkamera, Smartphone und MP3-Player eine Ladestation gemeinsam und gleichzeitig nutzen. Die Suche nach den verschiedenen Netzteilen und einer freien Steckdose entfällt, Ladekontakte oder -buchsen können nicht mehr verschleißen.

Die kabellose Zukunft bringt jedoch auch Einschränkungen mit sich. Damit möglichst wenig Energie ungenutzt verpufft, müssen Ladestation und Gerät direkt aufeinanderliegen. Das wiederum macht ein Telefonieren während dem Ladevorgang quasi unmöglich. Auch erreicht die induktive Energieübertragung nicht den Wirkungsgrad eines Kabels.

Qi-Standard hat Nase vorn

Die besten Chancen auf Durchsetzung werden aktuell dem Qi-Standard (gesprochen „Tschi“) eingeräumt. Bereits im Jahr 2008 vom Wireless Power Consortium (WPC) verabschiedet, schart das Konsortium mittlerweile über 130 Mitglieder um sich - darunter HTC, Huawei, LG, Nokia, Panasonic, Philips, Samsung, Sony und Toshiba. Qi liefert aktuell eine Leistung von bis zu fünf Watt.

Einige Handyhersteller wie Nokia (Lumia 920 und 820), HTC (Droid DNA), Google (Nexus 4), Samsung (Galaxy S3 und 4), LG (Spectrum 2) haben die nötige Technologie für die Nutzung von Qi bereits in einzelne Modelle integriert. Mit Toyota (Modell Avalon Limited) hat zudem ein erster Autohersteller ein Qi-Modul in die Mittelkonsole integriert, eine Integration im Prius soll folgen. Verschiedene Hersteller wie Powerkiss, Energizer, Zens und Nokia bieten Qi-konforme Ladestationen an, die Preise beginnen bei etwa 50 Euro und gehen bis 200 Euro.

PowerKiss-Ladestation

PowerKiss

Der Powerkiss-Ring auf dem markierten Ladeplatz

Erster Testhotspot in Österreich

Das finnische Unternehmen Powerkiss hat bereits vereinzelt öffentlich zugängliche Orte mit drahtlosen Ladestationen nach dem Qi-Standard ausgerüstet. Die Qi-Ladefelder finden sich in McDonald’s-Filialen wie etwa im oberösterreichischen Mondsee und einigen europäischen Flughäfen wie Düsseldorf, Paris, Amsterdam.

Um sein Handy drahtlos zu laden, muss das Smartphone mit eingebauter Qi-Technik bzw. mit aufgestecktem Powerkiss-Modul, das optisch einem Baby-Beißring ähnelt, auf die gekennzeichnete Ladefläche am Tisch (Durchmesser 4,5 Zentimeter) gelegt werden. Im Vergleich zum kabelgebundenen Aufladen (98 Minuten) dauert ein drahtloser Ladevorgang am Beispiel eines komplett leeren iPhone 4 124 Minuten.

Konkurrent vorerst nur in den USA

Herausforderer des Qi-Standards ist die 2012 gestartete Power Matters Alliance (PMA), zu deren Mitgliedern unter anderen Google, AT&T, Duracell, Starbucks, LG und Texas Instruments zählen. Eine Ladestation für den PMA-Standard bietet derzeit Duracell mit der Powermat - eine mehrere Zentimeter dicke und etwa ein halbes Kilogramm schwere harte Ladefläche, die optisch an eine Kochplatte erinnert - an. Die PMA-Unterstützung am Smartphone wird mittels einer Handyhülle nachgerüstet.

Die Ladestation ist bisher nur in den USA erhältlich. Auch hier sollen öffentliche Hotspots in Restaurants und auf Flughäfen den Nutzern Geschmack auf die neue Technologie machen. Als Pilotprojekt wird etwa die New Yorker Veranstaltungsarena Madison Square Garden mit Stehtischen ausgestattet, die entsprechende Ladefelder integriert haben.

Duracell Powermatt

Duracell

Mehrere Geräte gleichzeitig laden

Neben dem Platzhirschen Qi und dem Herausforderer PMA buhlt mit der Alliance for Wireless Power (A4WP) eine weitere Industriegruppe um die Gunst der Hersteller. Unterstützer sind hier unter anderen die Deutsche Telekom, Qualcomm, Samsung und Texas Instruments. A4WP setzt nicht auf die übliche magnetische Induktion, sondern auf magnetische Resonanz.

Eine Besonderheit der Technik ist, dass sich auf einer Ladestation mehrere Geräte gleichzeitig laden lassen, auch wenn diese unterschiedliche Ladeströme benötigen. Auch sollen die Geräte nicht unmittelbar auf der Ladematte liegen müssen, sondern auch daneben platziert werden können. Kritiker sehen hier allerdings eine niedrigere Energieeffizienz als bei der Induktion. Noch gibt es keine Geräte bzw. Ladeschalen nach diesem jüngsten Standard. Der Marktstart soll im nächsten Jahr erfolgen.

Ladechaos schreckt Käufer ab

Wie so oft in der IT-Industrie droht ein langwieriger Streit um den nächsten Standard. Die Unübersichtlichkeit der Standards führt dazu, dass sich viele Unternehmen gleich mehreren Gremien angeschlossen haben, um im Falle eines Durchbruchs mit dabei zu sein. Auch Ladegeräte, die nach allen drei Standards arbeiten, sind etwa beim Halbleiterhersteller NXP sowie bei Texas Instruments in Arbeit.

Denn trotz aller Vorzeichen ist längst nicht klar, welches Format sich am Ende durchsetzen wird - im schlimmsten Fall hat der Konsument auf das falsche, weil auslaufende System gesetzt. Der Käufer reagiert daher mit dem einzig sicheren Weg: der vorläufigen Kaufverweigerung. Die Elektroindustrie träumt derweil schon vom nächsten Schritt: In Zukunft könnten demnach auch Elektroautos beim Fahren kabellos aufladen werden. In die Fahrbahn eingelassene Spulen könnten den Akku drahtlos im Vorbeifahren aufladen.

Beate Macura, ORF.at

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