Bestürzung und Erleichterung
In London haben die Vorbereitungen für die Beisetzung der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher begonnen. Sie starb im Alter von 87 Jahren an einem Schlaganfall, wie ihr Sprecher mitteilte. Die Trauerfeierlichkeiten sollen mit militärischen Ehren in der Londoner St. Paul’s Cathedral stattfinden.
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Wie die Downing Street mitteilte, hat Queen Elizabeth II. ihre Zusage zu dem Ehrenzeremonie bereits gegeben. Thatchers Wünschen zufolge wird ihr Leichnam nicht öffentlich aufgebahrt. Nach der Trauerfeierlichkeit wird Thatcher im Kreis ihrer Familie beigesetzt. Schon kurz nachdem sich die Nachricht vom Tod Thatchers verbreitet hatte, wurden vor ihrem Haus im Londoner Diplomatenviertel Belgravia Blumen niedergelegt, in der Downing Street und auf dem Buckingham-Palast wehte der Union Jack auf halbmast.

AP/Sang Tan
Blumen vor der Downing Street Nr. 10
Außenpolitikerin mit Ecken und Kanten
Thatcher war die erste Frau an der Spitze einer großen westlichen Demokratie und lenkte ab 1979 elf Jahre lang die Geschicke des Landes. Mit eiserner Hand krempelte sie das Land um: Weniger Staat, weniger Steuern, weniger Macht für die Gewerkschaften, mehr Privatisierung - das war ihr Rezept für Großbritannien. Aber auch außenpolitisch scheute Thatcher keine Konfrontationen.
Sie nannte den African National Congress (ANC) von Südafrikas damaligem Widerstandskämpfer Nelson Mandela eine „typische terroristische Vereinigung“ und steht im Verdacht, das Regime der Roten Khmer in Kambodscha unterstützt zu haben. Dem chilenischen Diktator Augusto Pinochet gewährte sie Schutz und der EU rang sie den noch heute gültigen „Britenrabatt“ ab.
Auch der deutschen Einheit stand die „Eiserne Lady“ stets kritisch gegenüber. „Es ist doch klar: Ihr Deutschen wollt nicht Deutschland in Europa verankern. Ihr wollt den Rest Europas in Deutschland verankern“, sagte sie 1993 in einem „Spiegel“-Interview. Der blutig erkämpfte Sieg gegen Argentinien im Falkland-Krieg gilt als ihr vielleicht größter außenpolitischer Erfolg.
Kohl: „Aufrechte Kämpferin“
Trotz - oder gerade wegen - ihres harten politischen Stils zollten ihr am Montag Wegbegleiter, Widersacher und Nachfolger Respekt. Einer von ihnen war der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl, mit dem sie harte verbale Gefechte über die Wiedervereinigung führte. „Und trotz aller unterschiedlichen Auffassungen in manchen Sachfragen war es bis zuletzt aber vor allem ein respektvoller Umgang miteinander“, schrieb Kohl in einer Erklärung. Er habe Thatcher „wegen ihrer Freiheitsliebe, ihrer unvergleichlichen Offenheit, Ehrlichkeit und Geradlinigkeit sehr geschätzt“, erklärte Kohl weiter. „Sie war eine aufrechte Kämpferin und Vertreterin der Interessen ihres Landes.“
Im eigenen Land noch heute umstritten
Im eigenen Land ist Thatchers Politik bis heute hochgradig umstritten. In einer riesigen Privatisierungswelle koppelte sie Versorger wie British Gas und die Britische Telekom vom Staat ab - ein Vorbild für viele andere Länder in späteren Jahren. Die Gewerkschaften, in politisch konservativen Kreisen als Hemmschuh für Wachstum betrachtet, stutzte sie brutal und machte sie fast handlungsunfähig. Nie zuvor hatte es in England so gewalttätige Protestaktionen gegeben wie unter Thatcher. Nie zuvor war die britische Gesellschaft zwischen Establishment und Working Class so entzweit.
Ken Livingstone, früherer Bürgermeister Londons, kann auch nach dem Tod seiner politischen Erzfeindin nicht an sich halten. „Für jedes echte Problem“, das Großbritannien heute habe, sei Thatcher verantwortlich, sagte er nach ihrem Tod dem Sender Sky News. Sie habe Millionen von Menschen arbeitslos gemacht. In der Amtszeit von Thatcher schnellte die britische Arbeitslosenquote auf bis zu 12,5 Prozent - ehe sie gegen Ende ihrer Amtszeit wieder sank.
David Hopper, Generalsekretär der Bergleutegewerkschaft im nordenglischen Durham, feierte Thatchers Tod sogar als „großartigen Tag“. „Für die Gewerkschaft konnte es nicht früh genug kommen, und ich bin froh, dass ich sie überlebt habe“, sagte der 70-Jährige und kündigte eine Gegendemonstration der Kohlebergleute an: am Tag von Thatchers Trauerfeier.
Cameron: „Sie hat das Land gerettet“
Premierminister David Cameron, der bei einem Auslandsbesuch in Spanien vom Tod erfuhr, lobte hingegen seine Vorgängerin in den höchsten Tönen. „Sie hat das Land gerettet“, sagt er. Großbritannien sei in den 1970er Jahren der „kranke Mann Europas“ gewesen. Durch umstrittene Maßnahmen wie die Kürzung von Sozialleistungen und die Privatisierung von Sozialwohnungen sei es Thatcher gelungen, das Land wirtschaftlich wieder auf die Beine zu stellen.
Ihr direkter Nachfolger, Ex-Premier John Major, würdigte sie als „Naturgewalt“ und „politisches Phänomen“. Ihre Wirtschafts- und Gewerkschaftsreformen sowie ihr Einsatz für die Falkland-Inseln stellten sie „über die normale Politik“. „Alle, die mit ihr zusammengearbeitet haben, werden sich immer an ihre herausragenden Charakteristiken erinnern: ihren Mut und ihre Willenskraft in der Politik, ihre Menschlichkeit und geistige Großzügigkeit im Privaten.“
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