Keine „grindigen Uralt-Fetzen“
Das Konzept ist alles andere als neu. Getauscht wurde praktisch schon immer im Privaten oder auf Flohmärkten (dort meist gegen geringes Entgelt). Nicht zuletzt der Secondhandboom und ein sich ausbreitender Nachhaltigkeitsgedanke verhalfen dem Konzept zu einem neuen Aufschwung und lassen den Flohmarkt als Tauschparty mit Clubstatus wiederauferstehen.
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Das Tauschen wird so zum Lifestyle-Event: Getauscht wird auf öffentlichen Veranstaltungen, im Wohnzimmer bei Freunden oder auf einer von unzähligen Websites. Je nach Größe teils mit Begleitprogramm wie Modenschauen und DJs, teils mit Motto (sehr beliebt: Vintage-Tauschpartys), in jedem Fall aber mit fixen Spielregeln.
Kleidung, Herzbackformen, Nagellacke
Das Muster einer Tauschparty ist im Kern immer dasselbe. Eines vorweg: Mit Homepartys a la Tupperparty hat das Ganze wenig zu tun. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen bringen Kleidung und andere Gebrauchsgegenstände zur Party mit und preisen diese den anderen Gästen an. Getauscht wird dabei freilich nicht nur Gewand, das seit Jahren unbenutzt im Kleiderkasten hängt. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, vor allem bei privaten Veranstaltungen.

Privat
Beliebtes Tauschgut sind Reisemitbringsel wie diese entzückende Handnähmaschine aus Istanbul
Von Accessoires über Flohmarkt-Pfeffermühlen bis hin zu Herzchenbackformen und halb entleerten Nagellackfläschchen darf alles mitgebracht werden, was potenziell einen Abnehmer findet. Gibt es für ein Stück mehrere Interessenten, wird vom „Publikum“ entschieden, welcher Kandidatin bzw. welchem Kandidaten die Hose, das T-Shirt oder der Schal am besten passt. Ziel ist es, den eigenen Kleiderkasten zu durchforsten und Teile, die nicht mehr passen oder gefallen, gegen Neues auszutauschen. Je nach Intention heißt das im Idealfall dann auch, dass man mehr hergibt, als mit nach Hause genommen wird.
Trennung fällt leichter
Quasi ein Kollektionswechsel, der die Geldbörse nicht belastet. Noch dazu einer, der Spaß macht. Denn anstatt den ehemaligen Lieblingspulli ganz anonym im Altkleidercontainer auszusetzen, sieht man ihn so vielleicht an der Arbeitskollegin wieder. Das erleichtert auch die Trennung. Und überhaupt sorgt der Umstand, Gebrauchtes nicht einfach wegzuwerfen, natürlich für ein gutes Gewissen.

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Mit einem Gläschen Sekt in der Hand tauscht es sich am besten - hier auf einem Top-Swap-Event im Wiener Hilton
Und so schießen nicht nur die privaten Tauschveranstaltungen aus dem Boden, sondern auch die Websites für das Tauschen in größerem Stil. Auf Kleiderkreisel.at und Swapstyle.com beispielsweise werden gebrauchte Kleidungsstücke, Schuhe und Accessoires getauscht oder gegen ein geringes Entgelt verkauft. Das Angebot ist so groß, dass sogar nach Marken gefiltert werden kann. Bei Swapstyle finden sich darüber hinaus auch Bücher, Konsolenspiele und als eigene Kategorie Umstandsmode im Angebot.
Veranstaltungstipp:
Am 30. April wird in Wien auf Initiative von Kleiderkreisel vor dem Club Grelle Forelle getauscht und anschließend getanzt. Ausdrücklich nicht erwünscht: „grindige Uralt-Fetzen“.
Tausche H&M gegen Lena Hoschek
Tauschen findet aber auch ganz ohne Flohmarktathmosphäre statt - im Designerschick mit gutem Gewissen. Das nennt sich dann Charity-Swapping. Ein derartiges Event fand kürzlich im Wiener Hilton-Hotel statt. Getauscht wurden hier für 40 Euro Eintritt zum Motto „A girl’s night out“ Kleider, Taschen und Schuhe. Das Publikum war eine bunte Mischung aus aufgebrezelten Mittzwanzigern bis -sechzigern, die alle die gleiche Mission hatten: eines der Designerstücke an den Kleiderbügeln zu ergattern, die von unterschiedlichen heimischen Labels gesponsert wurden.
Die Spielregeln wurden für den noblen Rahmen adaptiert. Anstatt einer Kilowertung der mitgebrachten Kleidungsstücke (wie bei regulären Top-Swap-Veranstaltungen) wurden diese mit (je maximal drei) Punkten bewertet. Die Teile wurden beim Eingang abgegeben und hübsch aufgehängt oder arrangiert. Je nach Anzahl der Punkte durfte dann „Neues“ ausgesucht werden. Ein gebrauchtes H&M-Kleid ließ sich so etwa gegen ein Lena-Hoschek-Stück tauschen - theoretisch jedenfalls. Praktisch musste man dafür sehr, sehr schnell sein.

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Top-Swap-Organisatorin Cloed Baumgartner (li.) erklärt sich den großen Andrang bei ihren Veranstaltungen auch mit der Lust am Verkleiden (im Bild mit Mitorganisatorin Chris Schnagge)
Im Hintergrund legten zwei DJs auf, und wer eine Pause vom Suchen-Anprobieren-Suchen-Tauschen brauchte, setzte sich mit einem Glas Sekt in das Publikum einer der parallel stattfindenden Modenschauen. Den teilnehmenden (fast ausschließlich) Damen machte es sichtlich Spaß.
Alte Sachen werden zum „Kapital“
„Wenn man einmal etwas darüber nachdenkt, dann findet es jeder gut“, ist Modedesignerin Cloed Baumgartner überzeugt. Sie hat unter dem Namen Top Swap schon vier Tauschpartys in Linz und Wien mit jeweils mehreren hundert Teilnehmern organisiert. „Man kann seine alten Sachen als Kapital einsetzen und bekommt noch etwas dafür“. Dass das Thema derzeit so angesagt ist, führt sie auch auf den wachsenden Trend zum Teilen, etwa beim Carsharing, zurück sowie auf die „Lust am Verkleiden“. Und wen der gemeinschaftliche Gedanke noch nicht überzeugt, der lässt sich vielleicht durch die Möglichkeit, gratis shoppen zu können, begeistern.
Petra Fleck, ORF.at
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