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Gefängnisbande wohl hinter Mordserie

Seit am Wochenende in Texas ein Staatsanwalt und seine Ehefrau ermordet worden sind, sind sich die US-Behörden zunehmend sicher: Hinter einer mysteriösen Mordserie scheint eine rechtsextreme Gefängnisgang zu stecken. Im Vorjahr waren Dutzende Mitglieder der Gang Arische Bruderschaft angeklagt worden. Die Gang drohte mit Vergeltung - und macht diese Drohung nun offenbar wahr.

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Staatsanwalt Mike McLelland und seine Frau Cynthia wurden erschossen in ihrem Wohnhaus im Bezirk Kaufman nahe Dallas im Bundesstaat Texas gefunden. McLelland war Teil eines Teams, das im Herbst des Vorjahrs gegen 34 Mitglieder der Arischen Bruderschaft in Texas (ABT) Anklage erhoben hatte. Kurz darauf warnte das Department für öffentliche Sicherheit des Bundesstaats, dass die Gang „aktiv Vergeltungsschläge gegen Gesetzeshüter“ plane.

Zuerst Stellvertreter, dann Staatsanwalt ermordet

Am 31. Jänner verkündete die Staatsanwaltschaft, dass die Gang wegen organisierter Kriminalität verfolgt werde. Wenige Stunden später wurde Mark Hasse vor einem Gerichtsgebäude erschossen. Er war einer der Stellvertreter von McLelland, der für die Tat umgehend die ABT verantwortlich machte. Zwei Monate später war auch er tot.

Ermittler verlassen das Haus des ermoreten Staatsanwalts Mike McLelland

Reuters/Tim Sharp

McLelland und seine Frau wurden laut Behörden „hingerichtet“

Und noch ein weiterer Mordfall scheint zur Serie zu gehören. Am 19. März wurde Tom Clements, der Leiter der Gefängnisbehörde im US-Staat Colorado in seinem Haus erschossen. Hier wurde der mutmaßliche Täter identifiziert: Evan Ebel starb zwei Tage nach der Tat bei einem Feuergefecht mit der Polizei. Er war erst Ende Jänner aus dem Gefängnis entlassen worden und soll danach neben Clements auch einen Pizzalieferanten in Denver ermordet haben.

Einschüchterungen zeigen Wirkung

Medienberichten zufolge hatte Ebel Tätowierungen mit rassistischen und neonazistischen Symbolen. Und er war Mitglied der Gefängnisbande 211 Crew in Colorado - auch bekannt als Bruderschaft der Arischen Allianz. Die Ermittler rätseln noch, welche Verbindungen diese zur ABT hat. Die „Denver Post“ berichtet jedenfalls, die Gang sei nach dem Vorbild der Arischen Bruderschaft aufgebaut worden.

Die Einschüchterungsversuche zeigen jedenfalls Wirkung: Wie US-Medien berichten, legte Staatsanwalt Jay Hileman „aus Sicherheitsgründen“ seine Mitarbeit bei der Anklage gegen die ABT nieder. Und er stellte sicher, dass die ABT das auch erfährt. Berichten zufolge schrieb er eine kurze E-Mail an alle Strafverteidiger der Bruderschaft.

Millionen mit Drogenschmuggel

Die Arische Bruderschaft entstand in den späten 60er Jahren im bekannten kalifornischen Gefängnis St. Quentin. Bis dahin waren verschiedene Ethnien getrennt voneinander verwahrt worden. Mit der Zusammenlegung kam es zu Spannungen, die Gang wurde eigentlich gegründet, um weiße Gefangene vor Übergriffen von anderen zu schützen. Doch rasch rückte der Drogenhandel ins Zentrum des Interesses, mittlerweile verdient die Organisation Millionen, indem Drogen in Gefängnisse geschmuggelt werden. Das Southern Poverty Law Center geht von 20.000 Mitgliedern in Kalifornien aus.

Über 100 Morde?

Die ABT wurde erst in den frühen 80er Jahren gegründet, wollte sich mit ihrer kalifornischen Vorbildorganisation zwar zusammenschließen, diese lehnte aber ab. Somit gibt es weiterhin völlig eigene Strukturen. Die US-amerikanische Organisation Anti-Defamation League (ADL) bezeichnet die ABT laut BBC als eine der brutalsten Extremistengruppen in den USA. Mindestens 30 Morde sollen auf ihre Rechnung gehen, das Southern Poverty Law Center spricht sogar von 100. Ein Gutteil davon sollen „interne“ Tötungen sein: Mitglieder, die mit den Behörden kooperieren, werden umgebracht.

Texanische Medien gehen von 2.000 bis 2.600 Mitgliedern aus. Im Magazin „Daily Beast“ schildern Gefangene, dass die Gruppe praktisch jedes Gefängnis des Staats kontrolliere und dort quasi ein Terrorregime aufgezogen habe. „Blood in, Blood out“ sei das Prinzip: Man werde Mitglied, wenn man einen Mexikaner verletze oder gar töte. Und die Mitgliedschaft ende erst mit dem Tod.

Bisher Aufsehen vermieden

Der Neonazi-Experte TJ Leyden sagte gegenüber der BBC, die Neonazi-Tätowierungen der Mitglieder seien auch eine Form der Kontrolle: Ein normales Leben damit zu führen sei praktisch unmöglich, man bleibe daher in der Gang. Anderen Experten zufolge sind die letzten Ereignisse eigentlich eine dramatischen Wendung: Bisher hat die Organisation eher im Verborgenen gearbeitet und versucht, möglichst wenig Aufsehen zu erregen.

Einer der Anwälte der Bruderschaft meinte etwa, er verstehe gar nicht, wieso die Behörden so vehement gegen die Bruderschaft vorgehen. Die Mitglieder würden sich ohnehin nur gegenseitig umbringen und so der Gesellschaft eigentlich einen Dienst erweisen. Spätestens mit der Mordserie ist diese Argumentation wohl hinfällig.

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