Exekutive will einfachere Kontrolle
Mit Videoüberwachung soll die Polizei in Zukunft Lenker, die die Rettungsgasse ignorieren oder widerrechtlich befahren, besser ausfindig machen und bestrafen können. Die Videos sollen von rund 800 schwenk- und zoombaren Kameras der ASFINAG geliefert werden, auf die die Polizei direkten Zugriff bekommen soll.
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Prinzipiell werde die Rettungsgasse zwar gut angenommen und funktioniere, so Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Trotzdem gebe es immer wieder Autofahrer, die sich nicht daran hielten, wie sich zuletzt bei der Massenkarambolage auf der Westautobahn bei St. Pölten in der Karwoche zeigte.
Mit einer Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) will Bures die Polizei nun dazu ermächtigen, für Videoaufzeichnungen direkt auf die Kameras der ASFINAG zugreifen zu können. Die gesetzliche Grundlage sei dem Innenministerium, dem Datenschutzrat und dem Verfassungsdienst übermittelt worden, sagte Bures. „Die Exekutive muss ein Instrument bekommen, damit die Rettungsgasse funktioniert.“ Bures hofft, dass die Novelle noch in dieser Legislaturperiode beschlossen wird.
Polizisten aktivieren Kameras
Die ASFINAG überwacht mit 4.874 Verkehrskameras den Verkehr auf 2.178 Kilometern Autobahnen und Schnellstraßen und damit rund 50 Prozent des Netzes. 3.594 Kameras sind in Tunnels, dort wird laut ASFINAG-Vorstand Klaus Schierhackl laufend aufgezeichnet. Die restlichen rund 1.280 Kameras zeichnen derzeit nicht auf. Bei zumindest 800 davon soll sich das mit der StVO-Novelle nun ändern.
Im Fall der Fälle sollen Polizisten jene Kameras, die für den betroffenen Streckenabschnitt das beste Bild liefern, aktivieren, um damit die Videos aufzuzeichnen. Die Bearbeitung und Bedienung erfolge direkt bei der Polizei, so Schierhackl. Derzeit gibt es in Wien, Niederösterreich, Salzburg, Oberösterreich und Tirol entsprechende Videobedienstationen, ansonsten soll in den Landeskommandostellen der Polizei ein Computer errichtet werden, sagte Bures.
Innenministerium hat Datenschutzbedenken
Die Videoüberwachung solle unter Einhaltung „strenger datenschutzrechtlicher Kriterien“ erfolgen und „ausschließlich für Verwaltungsstrafverfahren bei Vorliegen eines konkreten Verdachts“ verwendet werden, so Bures weiter. Zudem dürften die Aufnahmen nur so lange gespeichert werden, wie sie für die Strafverfolgung erforderlich seien. „Unbeteiligte Personen und Kennzeichen müssen sofort unkenntlich gemacht werden“, sagte Bures.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) reagierte ablehnend auf den Vorschlag. „Gerade im sensiblen Bereich des Datenschutzes halte ich Schnellschüsse jedenfalls für höchst bedenklich“, sagte Mikl-Leitner. „Ich denke, in erster Linie wäre es richtig, die Autofahrer besser zu informieren und nicht stattdessen flächendeckend zu überwachen.“ Es gehe um Verwaltungsübertretungen und nicht um Straftaten. Als Beispiel führte Mikl-Leitner an, dass das Innenministerium zur Kriminalitätsbekämpfung aktuell 18 Hotspotkameras einsetze.
Datenschützer Hans Zeger von der Österreichischen Gesellschaft für Datenschutz (ARGE Daten) kritisierte die Pläne des Verkehrsministeriums als „unglaublichen populistischen Unfug, mit dem man versucht, eine Totgeburt wiederzubeleben“. Es gebe „sehr viele grundrechtliche Bedenken“. Aufzeichnungen seien nur dann zulässig, wenn schon im Vorhinein genau definiert wird, wofür sie verwendet werden. Die Kameras seien aber für einen anderen Zweck als den nun geplanten installiert worden. Zeger glaubt nicht, dass die Novelle vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) halten würde.
Polizei will einfachere Kontrolle
Bures geht davon aus, „dass die Exekutive in enger Kooperation die Möglichkeit nutzen wird“. Es habe über die Pläne laufend Gespräche zwischen Innen- und Verkehrsministerium gegeben. „Wir kommen damit auch einem immer wieder geäußerten Wunsch der Exekutive nach, die immer wieder beklagt hat, dass es schwer ist, bei einem Unfall auch noch die Rettungsgasse zu kontrollieren“, sagte Bures.
Mit einer eigenen Medienkampagne sollen die Autofahrer über die Neuerungen informiert werden. „Wir werden im ersten Halbjahr 2013 noch einmal eine knappe Million in die Hand nehmen“, sagte Schierhackl. Weiters soll es eine umfassende Evaluierung über weitere Verbesserungspotenziale geben.
Rettungskräfte begrüßen Novelle
Vertreter der Einsatzkräfte begrüßten die geplante StVO-Novelle. „Wie wir alle wissen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, sagte Reinhard Hundsmüller, Bundesgeschäftsführer des Samariterbundes. Der generalpräventive Aspekt stehe im Vordergrund. Für Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes, ist die Bildung der Rettungsgasse „eine Frage der Verantwortung“.
Wenn Patienten dadurch in einer vernünftigen Zeit erreicht werden könnten, könne man fünf, zehn, 20 Menschenleben zusätzlich retten. Laut der niederösterreichischen Feuerwehr gibt es vor allem in drei- und vierspurigen Bereichen Probleme bei der Bildung der Rettungsgasse.
ARBÖ dafür, ÖAMTC dagegen
Für ARBÖ-Generalsekretärin Lydia Ninz wird durch die Novelle die „Kontrolle durch die Exekutive sichtbar“ und auf „echte Gefahren reduziert“ statt der Geldbeschaffung zu dienen. Anders der ÖAMTC: Es sei „nicht zielführend, die Strafandrohung zu erhöhen, ohne vorher für Klarheit bei der Regelung zu sorgen“, so Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung. Für Autofahrer sei es noch zu unklar, wann die Rettungsgasse genau zu bilden ist. Die aktuelle Regelung sieht das für stockenden Verkehr vor. Dafür gebe es allerdings „unterschiedliche Auslegungen“, sagte Wiesinger.
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