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Zahlreiche Mängel festgestellt

Der Rechnungshof (RH) hat seinen vertraulichen Rohbericht über den Salzburger Spekulationsskandal fertiggestellt. In dem der APA und dem ORF vorliegenden Papier werden die Finanzgeschäfte beurteilt und viele Kritikpunkte aufgelistet. In dem RH-Bericht mit dem Titel „Land Salzburg. Finanzielle Lage“ wird der Vorwurf erhoben, dass Vermögenswerte und Schulden des Landes nicht vollständig und transparent erfasst waren.

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„Infolge der nicht sachgerechten Vollmachtserteilung durch die jeweiligen Finanzreferenten an die Mitarbeiter der Finanzabteilung zur Eröffnung und Schließung von Konten entstand eine Kontrolllücke, die es ermöglichte, Konten ohne Wissen und Zugriff der Landesbuchhaltung zu eröffnen. Dies führte dazu, dass mindestens 300 Bankkonten und zusätzlich 120 Fremdwährungskonten mit Umsätzen im Jahr 2012 von 9,5 Mrd. Euro im Rechnungswesen des Landes nicht erfasst waren“, heißt es in dem Bericht.

Gravierende Mängel in Kontrollsystem

Im Finanzmanagement und in der Buchhaltung habe es an einem effizienten internen Kontrollsystem gefehlt. „Die gängigen Prinzipien des Internen Kontrollsystems - Transparenz, Kontrollautomatik, Vier-Augen-Prinzip, Funktionstrennung sowie Mindestinformation - waren nicht sichergestellt“, heißt es in der Expertise des RH weiter.

Die festgestellten Schwachstellen hätten letztendlich jene Vorfälle begünstigt, die Gegenstand der parlamentarischen und gerichtlichen Untersuchungen seien, verwiesen die Prüfer auf den derzeit laufenden U-Ausschuss im Salzburger Landtag und auf das bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft anhängige Strafverfahren gegen die entlassene Leiterin des Budgetreferates, Monika Rathgeber, gegen Finanzabteilungsleiter Eduard Paulus und einen weiteren Mitarbeiter der Abteilung. Die Finanzaffäre wurde Anfang Dezember 2012 in der Öffentlichkeit bekannt.

Es fehlte ausreichendes Personal

Die vom Land Salzburg in den vergangenen Jahren abgeschlossenen, teils mit sehr hohen Risiken und Unsicherheiten verbundenen Finanzgeschäfte seien mit der Aufgabenerfüllung einer Gebietskörperschaft nicht vereinbar gewesen, urteilte der RH. Das Finanzmanagement habe weder über ausreichende personelle Ressourcen noch über die nötigen Bewertungs- und Kontrollsysteme verfügt, „um ein derartiges Portfolio angemessen zu steuern“.

Mit 22. März 2013 seien noch Wertpapiere und Derivate mit einem Barwert von 1,290 Mrd. Euro und zum Zwecke der Veranlagung aufgenommene Verbindlichkeiten mit einem Barwert von 1,606 Mrd. Euro offen, wurde konstatiert.

„163 Veränderungen der Protokolle“

Die Rechenwerke hätten keine vollständigen Informationen über die tatsächliche finanzielle Lage geboten. Forderungen und Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe seien unter Umgehung der Vorgaben der „Voranschlags- und Rechnungsabschluss-Verordnung“ (VRV) so verbucht worden, „dass sie der Beschlussfassung des Landtages entzogen waren“.

Der RH stellte auch fest, dass den Prüfern anlässlich einer Follow-up-Überprüfung im November und Dezember 2012 „veränderte“ Protokolle des Finanzbeirates aus den Jahren 2008 bis Juli 2011 übergeben wurden, und zwar durch „Löschen und Hinzufügen“. Die Prüfer orteten „insgesamt 163 Veränderungen der Protokolle“. Der RH sei somit über die wahren Tatsachen getäuscht worden, insbesondere was die Aussagen zu Risiko, Limits, Fremdwährungen, Verlusten sowie Empfehlungen des Finanzbeirates und eine Weisung des Finanzabteilungsleiters betreffe.

„Kein Aufklärungsinteresse des Landes“?

Der RH wirft dem Land auch mangelnde Information vor, was den Zeitraum zwischen dem Stellungnahmeverfahren zum Ergebnis der Follow-up-Überprüfung und der Veröffentlichung des RH-Berichtes am 6. Dezember betrifft - an jenem Tag machte der damalige Finanzreferent David Brenner (SPÖ) die Spekulationsaffäre öffentlich bekannt. Die Prüfer kritisieren, dass das Land den RH über die Ungereimtheiten im Finanzmanagement nicht informiert habe.

Besonders kritisch sah der RH „die nicht erfolgte Information“ über die seit Oktober 2012 bis zur Berichtsvorlage erfolgte Schließung von rund 300 Finanzgeschäften vor Ablauf ihrer Fälligkeit, darunter 245 Derivate bei 27 Geschäftspartnern. „Dieses Verhalten vermittelt dem Rechnungshof den Eindruck, dass Informationen zurückgehalten wurden und kein Aufklärungsinteresse des Landes Salzburg bestand.“ Denn das Land habe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr davon ausgehen können, dass die übermittelten Daten „richtig, vollständig und authentisch waren“.

Die Prüfer kritisierten zudem, dass nur ein einzelner Mitarbeiter über die Abwicklung und Auflösung dieser 300 Finanzgeschäfte entschieden habe. Die Auflösungsbeträge bezüglich der 245 Derivate hätten einen negativen Saldo der Ein- und Auszahlungen für das Land Salzburg in der Höhe von rund 49 Mio. Euro ergeben. „Darunter fällt neben positiven Auflösungen u. a. auch eine Zahlungsverpflichtung von rund 56 Mio. Euro aus der vorzeitigen Beendigung von Finanzgeschäften zwischen dem Land Salzburg und der Deutschen Bank AG“.

Schlechtes Zeugnis für Krisenmanagement

Im Zuge der vorzeitigen Beendigung von weiteren zehn Währungsswaps mit der Republik Österreich im November 2012 habe das Land Salzburg weiters rund 93 Mio. Euro gezahlt. Die Höhe dieser Zahlungen sei vor allem auf die für das Land Salzburg ungünstige Wechselkursentwicklung zurückzuführen. Insgesamt habe das Land Salzburg für die Auflösung von 307 Finanzgeschäften von Oktober bis Dezember 2012 rund 77 Mio. Euro aufgewendet, heißt es in dem Prüfbericht.

Der RH stellte dem Krisenmanagement des Landes ein schlechtes Zeugnis aus: „Das Krisenmanagement war nach Bekanntwerden der Vorfälle Ende 2012 mangelhaft.“ Aufgrund von Suspendierung und längeren Krankenständen sei „zeitweilig nur mehr ein Mitarbeiter“ für die Abwicklung der Finanzgeschäfte zur Verfügung gestanden. „Aufgrund der fehlenden Zeichnungsberechtigung eines Mitarbeiters für einen Teil der Bankkonten konnte auf die dort befindlichen Mittel nicht zugegriffen werden. Es mussten stattdessen Barvorlagen aufgenommen werden, was zu unnötigen Kosten führte.“

„Uneinheitlich, teilweise willkürlich und fehlerhaft“

Weiters wurde bemängelt, dass die Verbuchung der Darlehen mit der Republik Österreich (mit der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur, OeBFA, Anm.) „uneinheitlich, teilweise willkürlich und fehlerhaft“ erfolgte, beispielsweise „mit Auszahlungsbetrag statt mit Nominale; mit 40 Mio. Euro statt mit 20 Mio. Euro“.

Zum 31. Dezember hafteten laut RH 51 Darlehen mit der Republik Österreich aus, mit einem Gesamtnominale in der Höhe von 1,83 Mrd. Euro und einem kumulierten Auszahlungsbetrag in der Höhe von 1,91 Mrd. Euro. In den Rechnungsabschlüssen dargestellte vorzeitige Tilgungen von Darlehen mit der Republik „waren tatsächlich gar nicht erfolgt“. Im Rechnungsabschluss 2011 seien die Darlehen auch um 810,73 Mio. Euro zu niedrig ausgewiesen, wurde betont.

Wohnbaufonds: Vier unterschiedliche Werte

Ab dem Jahr 2008 habe auch die Darstellung der Darlehen mit der Republik im Landeswohnbaufonds nicht mit jener im Rechnungsabschluss des Landes übereingestimmt. „Im Jahr 2011 waren in der Buchhaltung des Landes, in der Buchhaltung des Landeswohnbaufonds und in der Meldung für die Statistik Austria vier unterschiedliche Werte der dem Landeswohnbaufonds zugeordneten Darlehen ausgewiesen, von 326,87 Mio. Euro bis 1.050,00 Mio. Euro. Für Abweichungen in Millionenhöhe fehlten Belege und Informationen.“

Maltschnig: Land arbeitet mit Hochdruck

Salzburgs Finanzreferent Georg Maltschnig (SPÖ), Nachfolger des am 23. Jänner 2013 wegen des Finanzskandals zurückgetretenen LH-Stv. Brenner, erklärte am Mittwoch in einer ersten Stellungnahme: „Der Rohbericht des Rechnungshofs des Bundes zu den Salzburger Landesfinanzen hält eines deutlich fest: Komplexe Finanzprodukte und Spekulationen haben in einem öffentlichen Haushalt nichts verloren.“ Das Land arbeite mit Hochdruck „am kompletten Ausstieg aus all diesen Produkten“, mit Unterstützung von „anerkannten Topexperten“.

Maltschnig sieht den Bericht des RH als wertvolle Unterstützung. „Weil er aufzeigt, dass wir einerseits auf dem richtigen Weg sind, und er andererseits weitere Reforminputs liefert“. Der RH habe einmal mehr das Kontrollversagen des gesamten Systems bestätigt. Genau deshalb werde das gesamte Finanzmanagement des Landes Salzburg neu organisiert, „die rechtlichen Rahmenbedingungen werden komplett überarbeitet“. Wichtige Reformschritte, auch in der Buchhaltung, seien bereits eingeleitet worden.

„Schwerwiegendste Erkenntnis“

Die Kritik am Landesrechnungshof, dass dieser die Rechnungsabschlüsse nicht nach nationalen und internationalen Standards durchgeführt habe und „deshalb schwere Mängel in den Rechnungsabschlüssen des Landes nicht entdeckte“, sei die „schwerwiegendste Erkenntnis“ des vorliegenden Rohberichtes, resümierte der neue Salzburger Finanzreferent.

Die Landespolitik habe seit 2006 aus Gründen der Transparenz auf das mutmaßlich schärfste Kontrollinstrument, den Landesrechnungshof, gesetzt, um dem Landtag von unabhängiger Seite geprüfte Rechnungsabschlüsse vorlegen zu können. „Diese Prüfungen erweisen sich nun als Makulatur - die Landesregierung und der Landtag haben zu Unrecht auf die fachliche Kompetenz des Landesrechnungshofes gesetzt“, meinte Maltschnig. Daher müsse der Landesrechnungshof „komplett neu aufgestellt werden“, damit er in Zukunft seinen Aufgaben nachkomme. „Es muss sichergestellt sein, dass die Politik in Zukunft den Prüfungen des Landesrechnungshofs vertrauen kann.“

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