Schlagabtausch um Datenschutz
Für Aufregung hat ein Vorstoß von Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) gesorgt, die Einhaltung der Rettungsgasse mittels Videoüberwachung zu kontrollieren. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) reagierte ablehnend, der Vorschlag sei aus Datenschutzgründen „höchst bedenklich“.
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Lenker, die die Rettungsgasse ignorieren oder widerrechtlich befahren, will die Polizei mit Videoüberwachung in Zukunft besser ausfindig machen und bestrafen können. Zwar werde die Rettungsgasse grundsätzlich eingehalten, so Bures bei einer Pressekonferenz am Donnerstag, es komme aber immer wieder zu Problemen, wie jüngst bei der Massenkarambolage auf der Westautobahn in der Karwoche. Die gesetzliche Grundlage, eine Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO), sei dem Innenministerium, dem Datenschutzrat und dem Verfassungsdienst bereits übermittelt worden.
Innenministerin will Information statt Überwachung
Bures’ Hoffnung, dass die Novelle noch in dieser Legislaturperiode beschlossen wird, erteilte die Innenministerin jedoch eine Absage. „Gerade im sensiblen Bereich des Datenschutzes halte ich Schnellschüsse jedenfalls für höchst bedenklich“, so Mikl-Leitner, deren Ministerium selbst immer wieder im Visier der Datenschützer steht.
„Ich denke, in erster Linie wäre es richtig, die Autofahrer besser zu informieren und nicht stattdessen flächendeckend zu überwachen.“ Es gehe zudem um Verwaltungsübertretungen und nicht um Straftaten. Als Beispiel führte Mikl-Leitner an, dass das Innenministerium zur Kriminalitätsbekämpfung aktuell 18 Hotspotkameras einsetze.
Bures reagierte auf Mikl-Leitners Aussage mit einer Aussendung, wonach ihr Ministerium mit dem Innenministerium „erfreulicherweise von Anfang an einig darin gewesen sei, dass die Exekutive ein wirksames Instrument zur Durchsetzung dieser lebensrettenden Regelung bekommen soll“. Bures weiter: „Selbstverständlich sind im Vorschlag des Verkehrsministeriums strenge datenschutzrechtliche Kriterien vorgesehen. In dieser Hinsicht muss sich die Innenministerin keine Sorgen machen.“
Polizisten aktivieren Kameras
Mit der geplanten Novelle soll die Exekutive direkten Zugriff auf 800 Kameras der ASFINAG bekommen. Die ASFINAG überwacht mit derzeit 4.874 Verkehrskameras den Verkehr auf 2.178 Kilometern Autobahnen und Schnellstraßen und damit rund 50 Prozent des Netzes. 3.594 Kameras sind in Tunnels, dort wird laut ASFINAG-Vorstand Klaus Schierhackl laufend aufgezeichnet. Die restlichen rund 1.280 Kameras zeichnen derzeit nicht auf. Bei zumindest 800 davon soll sich das mit der StVO-Novelle nun ändern.
Im Fall der Fälle sollen laut Bures’ Plänen Polizisten jene Kameras, die für den betroffenen Streckenabschnitt das beste Bild liefern, aktivieren, um damit die Videos aufzuzeichnen. Die Bearbeitung und Bedienung erfolge direkt bei der Polizei, so Schierhackl. Derzeit gibt es in Wien, Niederösterreich, Salzburg, Oberösterreich und Tirol entsprechende Videobedienstationen, ansonsten soll in den Landeskommandostellen der Polizei ein dafür erforderlicher Computer eingerichtet werden, sagte Bures.
Datenschützer teilen Bedenken
Die Videoüberwachung solle unter Einhaltung „strenger datenschutzrechtlicher Kriterien“ erfolgen und „ausschließlich für Verwaltungsstrafverfahren bei Vorliegen eines konkreten Verdachts“ verwendet werden, so Bures. Zudem dürften die Aufnahmen nur so lange gespeichert werden, wie sie für die Strafverfolgung erforderlich seien. „Unbeteiligte Personen und Kennzeichen müssen sofort unkenntlich gemacht werden“, sagte Bures.
Datenschützer Hans Zeger von der Österreichischen Gesellschaft für Datenschutz (ARGE Daten) hat allerdings „sehr viele grundrechtliche Bedenken“. Aufzeichnungen seien nur dann zulässig, wenn schon im Vorhinein genau definiert wird, wofür sie verwendet werden. Die Kameras seien aber für einen anderen Zweck als den nun geplanten installiert worden. Zeger glaubt nicht, dass die Novelle vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) halten würde, er hält die Pläne des Verkehrsministeriums für einen „unglaublichen populistischen Unfug, mit dem man versucht, eine Totgeburt wiederzubeleben“.
Polizei will einfachere Kontrolle
Bures geht davon aus, „dass die Exekutive in enger Kooperation die Möglichkeit nutzen wird“. „Wir kommen damit auch einem immer wieder geäußerten Wunsch der Exekutive nach, die immer wieder beklagt hat, dass es schwer ist, bei einem Unfall auch noch die Rettungsgasse zu kontrollieren“, sagte Bures.
Mit einer eigenen Medienkampagne sollen die Autofahrer über die Neuerungen informiert werden. „Wir werden im ersten Halbjahr 2013 noch einmal eine knappe Million in die Hand nehmen“, sagte Schierhackl. Weiters soll es eine umfassende Evaluierung über weitere Verbesserungspotenziale geben.
Rettungskräfte begrüßen Novelle
Vertreter der Einsatzkräfte begrüßten die Pläne. „Wie wir alle wissen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, sagte Reinhard Hundsmüller, Bundesgeschäftsführer des Samariterbundes. Der generalpräventive Aspekt stehe im Vordergrund. Für Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes, ist die Bildung der Rettungsgasse „eine Frage der Verantwortung“.
Wenn Patienten dadurch in einer vernünftigen Zeit erreicht werden könnten, könne man fünf, zehn, 20 Menschenleben zusätzlich retten. Laut der niederösterreichischen Feuerwehr gibt es vor allem in drei- und vierspurigen Bereichen Probleme bei der Bildung der Rettungsgasse.
ARBÖ dafür, ÖAMTC dagegen
Für ARBÖ-Generalsekretärin Lydia Ninz wird durch die Novelle die „Kontrolle durch die Exekutive sichtbar“ und auf „echte Gefahren reduziert“ statt der Geldbeschaffung zu dienen. Anders der ÖAMTC: Es sei „nicht zielführend, die Strafandrohung zu erhöhen, ohne vorher für Klarheit bei der Regelung zu sorgen“, so Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung. Für Autofahrer sei es noch zu unklar, wann die Rettungsgasse genau zu bilden ist. Die aktuelle Regelung sieht das für stockenden Verkehr vor. Dafür gebe es allerdings „unterschiedliche Auslegungen“, sagte Wiesinger.
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