Frauen als „Zünglein an der Waage“
Nicht nur das Thema Wohnen wird, wie die aktuelle innenpolitische Debatte zeigt, ein Wahlkampfthema abgeben. Auch andere Themenfelder werden im Moment von Regierungsmitgliedern besetzt. Vor allem bei frauenrelevanten Themen wollen sich die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP im Moment positionieren.
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Zuletzt setzte sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) Mitte März im Rahmen der Wehrpflichtreform für die Öffnung des Zivildienstes auf freiwilliger Basis für Frauen ein und stellte sich damit Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) entgegen. Heinisch-Hosek nutzte unterdessen die Vorstellung des vierteljährlich durchgeführten Frauenbarometers Ende März, um im Zuge dessen gleich allgemein das Thema Wohnen und junge Familien anzugehen und sich dabei auf weitreichende Versprechungen wie eine Quote für günstige Startwohnungen für Junge einzulassen.
„Die Spitzenkandidaten der Parteien werden wohl mit Ausnahme von Eva Glawischnig männlich sein, können also kaum in letzter Sekunde frauenbezogene Themen glaubwürdig in die öffentliche Diskussion einbringen, “ so Politologe Peter Filzmaier im Gespräch mit ORF.at. „Die Strategieentscheidung, Mikl-Leitner und Heinisch-Hosek Schlüsselthemen auch jenseits der Ressortgrenzen ihres Ministeriums kommunizieren zu lassen und ihnen damit mehr Medienpräsenz zu geben, ist offenbar schon vor längerer Zeit gefallen.“
Entscheidende Wechselwählergruppe
Die Auseinandersetzung zwischen Mikl-Leitner und Heinisch-Hosek ist demnach nicht als persönliches Duell zu sehen, sondern als Wettrennen um die Aufbereitung von Themen, die ihr jeweiliger Chef - Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) - im Intensivwahlkampf am liebsten diskutieren möchte. Frauenaspekten kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil speziell berufstätige Frauen zwischen etwa 30 und 45 Jahren in Städten und im städtischen Umland eine entscheidende Wechselwählergruppe darstellen.
„Viele dieser Frauen haben als Wählerinnen bei Sozialthemen eher Einstellungen, die zum Konzept des Sozialstaates der SPÖ passen, jedoch gleichzeitig privat und beruflich ein durchaus bürgerliches – allerdings nicht unbedingt christlich-konservatives - Lebenskonzept, sind also auch für eine moderne ÖVP gewinnbar. Sowohl SPÖ als auch ÖVP müssen zugleich aufpassen, diese Wählerinnengruppe nicht an die Grünen zu verlieren, was bei den unter 30-jährigen Frauen schon in großem Ausmaß passiert ist“, analysiert Filzmaier.
Mehr Zwischenrufe werden folgen
Auch das weitere Wahljahr wird nach Filzmaiers Einschätzung von einem Themen- und Kompetenzdurcheinander gezeichnet sein. Zwar habe jede Partei bestimmte Wunschthemen, die sie für sich beansprucht. Bei den Grünen sei das etwa die Umweltpolitik, bei klassischen Sicherheitsthemen und dem „Ausländerthema“ profitierten ÖVP und FPÖ. Wirtschaftskompetenz werde eher der ÖVP, Gesundheit, Bildung sowie Arbeitsmarktpolitik und generell Soziales eher der SPÖ zugeschrieben.
Gleichzeitig versuchen die Parteien aber gerade im Wahljahr auch die Kernbereiche der politischen Konkurrenz anzugreifen - ohne Risiko, denn angesichts der Zeitabläufe bei der Gesetzgebung ist es ohnehin bald nicht mehr realistisch, große Politikvorhaben rechtzeitig bis zur Wahl im Herbst umzusetzen. „Das Risiko für Minister, welche sich allzu sehr als Zwischenrufer jenseits ihrer Ressortkompetenzen betätigen, wäre ja, nach einiger Zeit entweder als Dauerstreiter oder als bloße Ankündigungspolitiker dazustehen. Das ist am Beginn einer fünfjährigen Koalition fatal, im Wahlkampf wird es bis zu einem gewissen Grad geradezu erwartet“, so der Politologe.
Beate Macura, ORF.at
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