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„Ich schaffe es“

„In Frankreich hat nie nur der Homo oeconomicus regiert. Wirtschaft war immer auch ein Mittel der Politik“, analysierte jüngst die „Süddeutsche Zeitung“. Frankreich wird wohl auch in diesem Jahr das Maastricht-Kriterium verfehlen. Und man darf rätseln, welchen wirtschaftlichen Kurs Paris in den kommenden Jahren fahren wird. Mehr das deutsche „Sparmodell“? Oder doch die Fortsetzung der Defizitfinanzierung französischer Prägung.

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Seit eineinhalb Wochen ist in Frankreich ein neuer Budgetminister im Amt. Bernard Cazeneuve, davor Europaminister, übernahm am 20. März das Amt von Jerome Cahuzac, der wegen einer Steuerbetrugsaffäre zurücktreten musste. Für Frankreichs Präsident Francois Hollande nicht nur ein schwerer Schlag, weil er mit Cahuzac einen engen Leistungsträger verloren hatte.

Cahuzac, neben Finanzminister Pierre Moscovici, Vertreter der Sparlinie in der französischen Regierungspolitik, schaffte es nicht zuletzt mit seinem energischen Auftreten, harte Sparmaßnahmen im Haushalt durchzukämpfen.

Zu hohe Neuverschuldung

Immer noch wird im französischen Haushalt 2013 mit einer Neuverschuldung von 3,7 Prozent kalkuliert. Und für den Haushalt 2014 sind weitere Kürzungen notwendig - andernfalls würde das Defizit laut EU-Kommission 2014 auf sogar 3,9 Prozent steigen.

UMP-Chef Jean-Francois Cope wirft der Regierung von Premierminister Jean-Marc Ayrault vor, Frankreich mit der momentanen Wirtschaftspolitik „geradewegs auf den Abgrund“ auszurichten: „Entweder wir überarbeiten unser (Wirtschafts-)Modell, um es im weltweiten wirtschaftlichen Krieg wieder wettbewerbsfähig zu machen, oder wir scheiden aus der Geschichte aus.“ Vorbild für Cope ist ein deutscher Sozialdemokrat: Gerhard Schröder und dessen Agenda 2010.

Schröder kurbelte auch die Wirtschaft an

Was freilich zu Schröders Agenda neben den harten Eingriffen in den Sozialbereich dazugehörte: ein Konjunkturprogramm, mit dem Deutschland 2003 den Stabilitätspakt brach.

In der Zypern-Krise schien Frankreich bei der Problemlösung nicht in der ersten Reihe positioniert gewesen zu sein, und politische Beobachter fragen sich im Moment, welchen Kurs der bei der Bevölkerung nicht gerade beliebte Präsident Hollande nehmen wird. Setzen sich in der Regierung die Sparmeister rund um Finanzminister Moscovici durch - oder kann der mehr der Konjunkturankurbelung über zusätzliche Staatsausgaben zugeneigte Industrieminister Arnaud Montebourg im Druck der öffentlichen Meinung punkten. Zuletzt sprachen sich nur 51 Prozent der Franzosen in einer Umfrage dafür aus, über höhere Ausgaben die Wirtschaft anzukurbeln (erwartet worden war ein deutlich höherer Wert).

Francois Hollande

APA/EPA/France Television/France 2

Am Gründonnerstag versuchte Präsident Hollande die Franzosen via TV-Interview auf „France 2“ von seinem Wirtschaftskurs zu überzeugen.

Kommt ein dritter Weg Frankreichs?

Möglich, dass Frankreich auch einen dritten Weg, den der „sozialen Austerität“ einschlagen wird. Hollande bemüht sich jedenfalls, mit Sozialmaßnahmen in der Öffentlichkeit zu punkten. Nötig hätte er es, denn sein Image ist gehörig angeschlagen, wie eine aktuelle Umfrage zeigt: Nur 22 Prozent schätzen ihn als „guten Präsidenten“ ein, ganze 51 Prozent der Franzosen halten den Sozialisten für einen „schlechten Präsidenten“, zeigt eine am Gründonnerstag veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CSA.

Erklärung am Gründonnerstag

Am Gründonnerstag versuchte Hollande jedenfalls zur besten Sendezeit, die Franzosen von seinem beharrlichen Reformkurs zu überzeugen. Bei einem mehr als einstündigen Fernsehauftritt in France 2 verwies der Staatschef auf bereits beschlossene Maßnahmen für Wachstum und Arbeitsplätze, die nun greifen müssten. Neue Regelungen kündigte er nur wenige an, darunter ein verändertes Modell für die Reichensteuer von 75 Prozent.

„Ich warte nicht auf Wachstum, ich schaffe es“, versicherte Hollande. Alle nötigen Maßnahmen dazu seien in die Wege geleitet, sie müssten nun genutzt werden. Dabei verwies er unter anderem auf die Generationenverträge, die jungen Menschen neue Stellen verschaffen und Ältere zugleich im Betrieb halten sollen. Allerdings räumte Hollande ein, dass er bei seinem Amtsantritt vor zehn Monaten nicht damit gerechnet habe, dass die Krise so lange dauern werde.

Die umstrittene Reichensteuer soll nach Hollandes Worten nun in Form einer Art Abgabe bei den Unternehmen direkt erhoben werden und nicht wie bisher geplant bei Einzelpersonen ab einem Gehalt von über einer Million Euro.

„Schock der Vereinfachung“

Angesichts der Haushaltszwänge und der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft kündigte Hollande auch an, dass die Beitragsdauer für die Pensionen steigen müsse. Außerdem soll es bei der Bürokratie einen „Schock der Vereinfachung“ und bei den Familienleistungen Einschnitte für Besserverdienende geben. Der Präsident versicherte aber, dass die Steuern 2013 und 2014 nicht weiter erhöht würden. Auch solle der Verteidigungsetat für 2014 auf dem Niveau dieses Jahres gehalten werden. Sparen solle ansonsten vor allem der Staat.

Mehr Wohnungen für Arme?

Mit einem 20-Punkte-Programm will die sozialistische Regierung in Paris den notleidenden Wohnungsbau in Frankreich ankurbeln. Die Mehrwertsteuer für den sozialen Wohnungsbau soll von derzeit sieben auf fünf Prozent abgesenkt werden. Renovierungsarbeiten von Privatpersonen zur Energieeinsparung sollen mit 1.350 Euro subventioniert werden.

Im vergangenen Jahr wurden lediglich etwa 340.000 neue Wohnungsbauprojekte gestartet statt der angestrebten 500.000. Der Verkauf von Neubauten ging im vergangenen Jahr um 17,9 Prozent zurück, der Start von Bauprojekten um 28 Prozent zwischen November 2012 und Jänner dieses Jahres.

„Große Schlacht für die Arbeit“

2013 soll aber auch nach Willen des Präsidenten zum Jahr der „großen Schlacht für Arbeit“ werden. Die Arbeitslosigkeit in Frankreich steht kurz vor einem neuen Höchstwert. Im Februar stieg die Zahl der Arbeitslosen im 22. Monat in Folge und erreichte 3,19 Millionen. Der bisher höchste Wert war im Jänner 1997 erreicht worden, damals waren knapp 3,2 Millionen Menschen in Frankreich ohne Arbeit.

Bis Ende des Jahres will die Regierung den Trend einer ständig steigenden Arbeitslosigkeit gestoppt haben. Allerdings gibt es zunehmend Zweifel, dass das tatsächlich gelingen wird. Die EU-Kommission sagt Frankreich nach einem Nullwachstum 2012 für dieses Jahr eine minimale Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um nur 0,1 Prozent voraus. „Zu viel Austerität bewirkt eine zu hohe Arbeitslosigkeit“, meinte Hollande jüngst. Gleichzeitig steht im Spätsommer eine andere Stunde der Wahrheit an. Da muss Frankreich seinen Budgetplan 2014 präsentieren. Und hier wird es ohne die Sparefroh-Fraktion nicht gehen.

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