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Steuern rückwirkend ab 2005

Rund 150.000 Pensionisten in Österreich dürften derzeit unerwartet Post aus Deutschland bekommen haben: Ihnen ist von einem deutschen Finanzamt eine Aufforderung zur Steuernachzahlung zugeschickt worden. Es geht um Pensionen, die sie ab dem Jahr 2005 aus Deutschland bezogen haben. Diese müssen nun aufgrund einer Gesetzesänderung im Nachhinein versteuert werden.

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Wie das Ö1-Morgenjournal am Donnerstag berichtete, müssen die rund 150.000 Pensionisten, die irgendwann in Deutschland gearbeitet haben, rückwirkend eine Steuererklärung abgeben. Die Steuerpflicht gilt bereits seit dem Jahr 2005, informiert wurden die Betroffenen darüber aber bisher nicht, erklärt Wolfgang Nolz, Sektionschef im Finanzministerium gegenüber dem Radiosender. „Das hat sicherlich niemand kapiert, dass da jetzt ein Gesetz gekommen ist, das plötzlich alle verpflichtet, wenn sie aus Deutschland eine Pension beziehen, in Deutschland eine Steuererklärung abzugeben“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.

„Fast nicht schaffbar“

Rechtzeitig, bevor die Verjährungsfrist abläuft, hat daher nun das zuständige deutsche Finanzamt Neubrandenburg Aufforderungen an die Pensionisten in Österreich verschickt, Steuerklärungen rückwirkend ab dem Jahr 2005 zu machen. Die Nachforderung umfasst die Summe mehrerer Jahre, „und wenn man das plötzlich auf einmal bezahlen soll, dann ist das fast nicht schaffbar“, sagt Nolz.

Fekter schickt Delegation zu Schäuble

Aus dem Finanzministerium hieß es dazu am Donnerstag, dass Ministerin Maria Fekter (ÖVP) im Dezember mit ihrem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble ein Gespräch geführt und ihm einen Brief übergeben habe, in dem sie um eine Lösung des Problems ersuchte. Nach Ostern wird nun dazu eine Delegation des Finanzministeriums zum für Auslandspensionisten zuständigen deutschen Finanzamt Neubrandenburg reisen, kündigte ein Ressortsprecher auf Anfrage der APA an.

Fekter habe Nolz beauftragt, mit dem Finanzamt Neubrandenburg in Kontakt zu treten. Nach Ostern wird nun eine Delegation unter seiner Leitung nach Deutschland reisen und sich um eine „nachhaltige Lösung“ bemühen, wie es aus dem Ministerium heißt. Möglich wären etwa Ausnahmen für Kleinstpensionisten. Aufgrund „vieler Härtefälle“ bat Fekter Schäuble in dem Brief, dass die deutsche Finanzverwaltung im Falle von Kleinstpensionisten von den ihr zustehenden Möglichkeiten „großzügig Gebrauch macht“. Fekter dachte dabei an „Stundung und Vollstreckungsaufschub“ sowie an den „Erlass aus Billigkeitsgründen“. Auch „das Instrument des Absehens von der Steuerfestsetzung“ im Falle von Kleinstpensionisten wäre für Fekter eine Möglichkeit.

Viele „Minipensionen“ betroffen

Die Finanzministerin machte in dem Brief ihren deutschen Kollegen auch darauf aufmerksam, dass es sich in vielen Fällen lediglich um „Minipensionen“ handle und die Betroffenen „90 Jahre und älter“ sind. Obwohl der jährliche Nachforderungsbetrag bei derartigen Minipensionen nur etwa 100 Euro betrage, entstünden durch die Vorschreibungen für mehrere Jahre Nachforderungsbeträge von 600 Euro und mehr, „die die Betroffenen nur schwer oder gar nicht aufbringen können“.

Entstanden ist das Problem durch eine Gesetzesänderung in Deutschland, wo seit 2005 Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung besteuert werden und nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den beiden Staaten Deutschland für diese Einkünfte das Besteuerungsrecht hat. Seit einiger Zeit verschickt nun das zuständige Finanzamt Neubrandenburg Steuererklärungen an die betroffenen Personen und stellt auch schon Steuerbescheide für mehrere Jahre seit 2005 zu. Wie Nolz im Ö1-Morgenjournal erläuterte, können die von Deutschland geforderten Nachzahlungen deshalb auch zum Teil beträchtlich ausfallen und bis zu mehrere tausend Euro ausmachen.

Fekter: „Unmut groß“

Fekter stellt dazu in ihrem Brief an Schäuble fest, dass die in Deutschland geänderte Rechtslage den betroffenen Personen nicht kommuniziert wurde und daher die betroffenen Personen keinesfalls vorsätzlich ihre Steuern nicht bezahlt hätten. „Daher ist der Unmut der Betroffenen sehr groß“, schreibt die Finanzministerin ihrem deutschen Kollegen. Im Ministerium werde derzeit eine Ombudsstelle eingerichtet, erklärte Nolz gegenüber Ö1.

Blecha wettert gegen Doppelbesteuerung

Beim Pensionistenverband (PVÖ) zeigt man sich jedenfalls empört über die nachträglichen Forderungen: „Hochbetagte Pensionistinnen sind plötzlich einer äußert komplizierten steuerlichen Bürokratie ausgesetzt und kommen verzweifelt zum Pensionistenverband“, ließ Präsident Karl Blecha in einer Aussendung wissen. Man hätte die Betroffenen bereits 2005 informieren müssen, die jetzige Vorgehensweise sei „inakzeptabel“. Blecha forderte Fekter auf, „umgehend“ mit ihrem deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble in Verhandlungen zu treten, mit dem Ziel „diese Doppelbesteuerung zu verändern und ein neues Abkommen zu erreichen.“

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