Studie widerspricht Optimisten
Die globale Öl- und Gasförderung wird laut einer Studie der Expertengruppe Energy Watch Group (EWG) schneller zurückgehen als gedacht. „Der Welt geht die billige und reichliche Verfügbarkeit von fossilen Energieträgern aus“, sagte Hauptautor Werner Zittel am Montag in Berlin. Neue Methoden zur Öl- und Gasgewinnung wie das umstrittene Fracking schaffen laut den Wissenschaftlern kaum Abhilfe.
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Die EWG setzt sich mit ihren Ergebnissen deutlich von den Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) ab, die bis zum Jahr 2030 sogar einen Anstieg der weltweiten Ölförderung erwartet. „Anders als die IEA nehmen wir die belastbaren Zahlen etwas ernster“, sagte Zittel bei der Vorstellung der Studie. Er warf der Energiebehörde vor, „Spekulationen“ auf Grundlage der optimistischsten Ausbeutungsprognose zu betreiben.
Tatsächlich geht die Förderung von konventionellem Erdöl, das mit klassischen Fördermethoden gewonnen wird, laut der Studie seit 2008 zurück. So würden in Europa heute schon 60 Prozent weniger Öl als im Jahr 2000 gefördert. Im Jahr 2030 werde die weltweite Erdölförderung 40 Prozent unter den Förderwerten des vergangenen Jahres liegen. Prognosen, wonach die USA zum Nettoölexporteur aufsteigen könnten, würden sich nicht bewahrheiten, heißt es in der Studie.
Szenario bis 2030
Die Studie analysiert die globale Verfügbarkeit von Erdöl, Erdgas, Kohle sowie die Uranversorgung und entwickelt daraus ein Szenario bis zum Jahr 2030. Die Expertengruppe ist ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern. Die Gruppe wurde vom deutschen Grünen-Parlamentarier Hans-Josef Fell gegründet.
Rasches Ende des Frackingbooms
Demnach konnten neue Fördermethoden bisher lediglich den Rückgang bei der konventionellen Erdölgewinnung ausgleichen. Bei diesen Methoden handelt es sich um Bohrungen in der Tiefsee, um die Ausbeutung von Teersanden und um Fracking, bei dem Öl und Gas mit hohem Aufwand aus Schiefergestein gelöst werden.
Die neuen Methoden sind allerdings teurer, energieintensiver und riskanter als die konventionelle Förderung. Insbesondere in den USA hat das Fracking einen neuen Boom ausgelöst. Tatsächlich werde das Fracking wegen der begrenzten Gesteinsvorkommen aber nur „kurzzeitig einen deutlichen Förderbeitrag in den USA“ liefern, sagte Zittel.

Reuters/David Mdzinarishvili
Ölfeld in Aserbaidschan
Tiefseereserven kaum erschlossen
Auch die noch immer als vielversprechend geltenden Tiefseereserven etwa vor Brasiliens Küste und im Golf von Mexiko seien wegen des hohen technischen Aufwands bisher kaum erschlossen worden. Die Explosion der BP-Plattform Deepwater Horizon im Jahr 2010 habe gezeigt, dass die Ölindustrie „an den Grenzen des technisch Machbaren arbeitet“, sagte Zittel.
Bald Spritpreis von zwei Euro pro Liter
„Die Konzerne haben kein Interesse daran, die Ressourcenlage als verknappt darzustellen“, sagte Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der deutschen Grünen, bei der Vorstellung der EWG-Studie. Die Verbraucher würden bewusst über künftige Preissteigerungen im Unklaren gelassen. Der Ölpreis habe sich innerhalb von 15 Jahren verzehnfacht, sagte Zittel. Bereits in den nächsten fünf Jahren sei ein Spritpreis von zwei Euro pro Liter möglich.
Förderückgang bei Gas und Kohle
Beim Erdgas sei voraussichtlich 2020 das Maximum erreicht, danach gehe die Fördermenge zurück. Bei der Kohle sehen die EWG-Forscher die Lage ähnlich drastisch: So hätten sich die Weltkohlereserven seit 1990 halbiert. Die weltweiten Vorkommen reichten bei stagnierendem Verbrauch noch für etwas mehr als hundert Jahre, heißt es in der Studie.
Sollten sich die Ergebnisse der Wissenschaftler bewahrheiten, stehen der Weltwirtschaft drastische Verteilungskämpfe bevor. Denn die EWG-Studie geht davon aus, dass die Verfügbarkeit der Energieträger auf dem Weltmarkt noch drastischer zurückgeht als die Fördermenge selbst, weil die Förderstaaten weniger exportieren werden.
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