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Ein Boom mit Schattenseiten

Internationale Braukonzerne machen nach, was Konsumgütermultis wie Nestle, Unilever und Danone vorexerziert haben: Sie setzen angesichts stagnierender Margen in den westlichen Industriestaaten immer stärker auf den Absatz in Entwicklungs- und Schwellenländern. In Afrika liefern einander SABMiller und Diageo ein Rennen um die Eroberung des Kontinents.

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SABMiller, nach Anheuser-Busch InBev die Nummer zwei auf dem globalen Biermarkt, erzielt laut dem letzten Konzernbericht vom Oktober 2012 in Afrika relativ gesehen bereits den größten Teil seines Umsatzes - insgesamt 32 Prozent oder rund zehn Mrd. Dollar (über 7,5 Mrd. Euro). Zum Vergleich: Der Anteil Europas und der USA am Gesamtumsatz lag zuletzt bei jeweils 17 Prozent. Auf Lateinamerika und Asien entfielen 23 bzw. elf Prozent. Nach eigenen Angaben erwirtschaftet der Brauriese mittlerweile 76 Prozent seines Konzernergebnisses (vor Steuern) in Entwicklungsländern und „Emerging Markets“ - Tendenz steigend.

Ein Verkäufer in Tansania überreicht einem Kunden zwei Flaschen "Kilimanjaro"-Bier durch ein Eisengitter

Sabmiller/OneRedEye/Jason Alden

Kilimanjaro (SABMiller) ist eine der populärsten Marken in Tansania

Die Strategie, auf die auch der Konkurrent Diageo setzt, lautet: Bier zu möglichst niedrigen Preisen zu produzieren, um es regional möglichst billig an die (in Afrika vorwiegend männliche) Kundschaft zu bringen. Zum einen ist das möglich, da beide Konzerne laut einem Bericht des „Wall Street Journal“ bis dato „mit zumindest sieben afrikanischen Regierungen“ spezielle Steuerdeals ausgehandelt haben.

Billiges Bier durch Steuerbefreiungen

Die Biermarke Impala (Mosambik) wird demnach nur mit zehn Prozent Alkoholsteuer belastet, während auf andere, teurere Biersorten 40 Prozent aufgeschlagen werden. Ähnliche Regelsätze gebe es für die SAB-Marke Eagle in Tansania, Uganda und Sambia. Die Diageo-Marke Senator in Kenia ist laut der Zeitung überhaupt von Biersteuer befreit, Ruut, ein aus der Yamswurzel gebrautes ghanaisches Bier, ist ebenfalls steuerbegünstigt.

Sorghum-Anbau in Uganda

Sabmiller/One Red Eye/David Parry

Sorghumanbau in Uganda

Dazu kommt, dass die Brauer auf Rohstoffe aus der regionalen Landwirtschaft und kurze Vertriebswege setzen. Impala etwa wird in Mosambik mit einem 70-prozentigen Anteil an Maniok (einem traditionellen Rohstoff zur Bierherstellung in Afrika, Anm.) und 30 Prozent Gerste, Eagle in Uganda aus Sorghum (einer Hirseart) gebraut. Alles in allem erlaube das, heißt es in einem Investorenprospekt von SABMiller, die Herstellungs- und Vertriebskosten stark zu drücken. Der Konzern ködert seine Kunden mit dem Versprechen, dass sein Bier nur halb so teuer sei wie andere Marken.

„Ein perfekter Kreislauf“

Das Versprechen an die Regierungen lautet nachhaltige und regionale Entwicklung, Erhalt bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen vor allem in der Landwirtschaft und „sauberen“, noch dazu (wenn auch gering) versteuerten Alkohol. Von SABMiller hieß es dazu Mitte März anlässlich der Einführung von Eagle im westafrikanischen Ghana (dort überwiegend aus Maniok gebraut): „Eagle zielt darauf ab, Konsumenten mit geringem Einkommen vom illegalen Alkohol abzubringen. Das ist ein perfekter Kreislauf: Maniok-Kleinbauern haben einen garantierten Markt für ihre Ernten, die dazu verwendet werden, hochwertiges Bier, das sich die Konsumenten auch leisten können, herzustellen.“ Außerdem profitiere auch die ghanaische Regierung, wenn weniger unversteuerter Alkohol getrunken werde.

Der Konzern schätzt, dass in Afrika rund zwei Drittel des konsumierten Biers „illegal“ hergestellt werden. Was nach großer krimineller Machenschaft klingt, bedeutet in diesem Fall aber einfach, dass das Bier nach traditionellen Verfahren in privaten Haushalten gebraut wird. Die Frage, was am Bier aus der Dose oder Flasche „gesünder“ als am Selbstgebrauten sein soll (gepanschte Spirituosen ausgenommen), bleibt offen.

Das Dilemma der Regierungen

Mitunter stünden die Regierungen an diesem Punkt vor einem Dilemma, so das „Wall Street Journal“. Fraglich sei nämlich grundsätzlich, ob, wenn Bier billiger wird, weniger „illegal“ hergestelltes oder aber grundsätzlich mehr getrunken werde. Es habe deshalb auch schon Überlegungen gegeben, die Abschläge auf die Biersteuer zu streichen, bisher habe man aber davon abgesehen. „Alkohol und Bier sind nicht gut für die Gesundheit, aber zugleich bringen sie Einnahmen“, zitierte die Zeitung Herminio Sueia, den Generaldirektor der Steuerbehörde in Mosambik.

Mark Bowman, Spartenchef für Afrika bei SABMiller, verwies dagegen auf eine „ziemlich vernünftige Beziehung“ zum Alkohol „auf den meisten unserer Märkte“. Die Brauer haben damit auch kein Problem mit einer Vermarktungspolitik, für die offensiv mitunter ein Hilfsausdruck ist. Den „Preis halbieren“, um so möglichst viele Konsumenten zu erreichen, lautet die Devise im Investorenprospekt. Jeder soll sich - je nach Einkommen - Bier leisten können.

„Bier der Armen“ und fragliche Prioritäten

Mit einer extra für Mosambik entworfenen Skala lässt sich Arbeitszeit in Bier umrechnen: 2,3 Stunden Arbeit für einen Liter Chibuku, 4,2 Stunden für knapp mehr als einen halben Liter der Marke 2M Lager. Chibuku ist ein trübes Biergetränk, das aus Sorghum und Mais gebraut wird. Es wird in Tetrapaks und Zweiliterplastikgebinden verkauft und ist vor allem im südlichen Afrika (etwa Botsuana, Simbabwe, Sambia und Malawi) populär. Es gilt als eine Art „Bier der Armen“.

Arbeiter in der Chibuku-Brauerei in Sambia

Sabmiller

„Chibuku Shake Shake“ im Tetrapack - das „Bier der Armen“

Bei diesem Stichwort wird es erneut problematisch. Zumindest kann man die Frage stellen, ob es in Ländern wie Mosambik, Uganda und Tansania oberste Priorität sein soll, die Bevölkerung möglichst flächendeckend mit Bier zu versorgen, wenn das Geld häufig kaum für Grundnahrungsmittel reicht. In den drei Ländern liegt das jährliche Pro-Kopf-Einkommen laut den jüngsten verfügbaren Daten der Weltbank (2011) bei durchschnittlich 470, 510 bzw. 540 Dollar (etwa 360 bis 415 Euro). Mosambik belegt im globalen Entwicklungsindex der UNO (HDI) Platz 185 von 187.

Getränkemultis sind zur Stelle

In anderen Ländern steigen die Einkommen jedoch deutlich, die Wirtschaft vieler afrikanischer Staaten wird in den kommenden Jahren um ein Vielfaches schneller wachsen als jene in Europa und den USA. Parallel dazu soll der Bierabsatz um jährlich 4,6 Prozent wachsen. Laut „Wall Street Journal“ stieg der Umsatz in Afrika und im Nahen Osten zwischen 2006 und 2011 von 4,5 auf etwa sieben Mrd. Dollar (fast 5,4 Mrd. Euro), wobei der Großteil auf die nicht islamischen Regionen Afrikas entfallen dürfte.

Angesichts dieser Perspektiven sind SABMiller, Diageo und andere zur Stelle, wenn sich eine Gelegenheit bietet: 2009, noch vor der faktischen Unabhängigkeit des Südsudan vom islamischen Norden, kaufte SABMiller die Southern Sudan Beverages Ltd. Derzeit lautet die strategische Stoßrichtung Westafrika, wo die Brauer neben Ghana vor allem auch den riesigen nigerianischen Markt im Visier haben.

Zukunftsmarkt Afrika

SABMiller ist in Afrika mit eigenen Niederlassungen in 15 Staaten vertreten, dazu kommen laut letztem Quartalsbericht 21 Joint Ventures, außerdem füllt der Konzern für Coca-Cola in über 30 afrikanischen Ländern Softdrinks ab. Die bekanntesten lokalen Biermarken sind Castle in Südafrika, Safari und Kilimanjaro in Tansania und Eagle Extra in Uganda. International ist SABMiller unter anderem mit Miller, Peroni, Pilsner Urquell und Miller vertreten.

Für Diageo ist Afrika - bei Entwicklungs- und Schwellenländern - der größte und wichtigste Markt. Der Konzern betreibt dort mittlerweile 13 eigene Brauereien und 16 weitere gemeinsam mit lokalen Partnern, dazu kommen 15 Abfüllwerke und eine Glasfabrik. Ein Viertel der Gesamtbelegschaft arbeitet bei Diageo in Afrika. Zum dortigen Produktportfolio zählen Marken wie Tusker (Tansania), Senator (Kenia) und Serengeti (Tansania). Diageo ist außerdem Eigentümer der bekannten Biermarken Guinness und Kilkenny sowie der Spirituosenmarken Baileys und Johnny Walker. Den afrikanischen Gesamtmarkt teilen sich fast zur Gänze SABMiller, Diageo und der niederländische Heineken-Konzern.

Georg Krammer, ORF.at

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