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Putin verschärft Ton an vielen Fronten

Für Flüche und Schimpfwörter in Fernsehen, Zeitungen und Radio sollen in Russland künftig Geldstrafen von bis zu umgerechnet 5.000 Euro fällig werden. Bezahlen müssen laut einem Gesetzentwurf der Kreml-Partei Geeintes Russland nicht nur Verlage, Sender und Journalisten, sondern auch Interviewpartner, wie die Zeitung „Komsomolskaja Prawda“ letzte Woche berichtete.

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Die Gesellschaft müsse vor dem „unmoralischen Informationssystem“ beschützt werden, begründeten die Initiatoren den Entwurf. Sie betonten, dass auch Onlinepublikationen betroffen seien. Kritiker warnten hingegen, der Kreml könne das Gesetz für die Zensur regierungskritischer Sendungen und Artikel missbrauchen.

Eine Liste der beanstandeten Schimpfwörter fügten die Parlamentarier nicht bei - Experten sollen jeden Fall einzeln beurteilen. Für das Dokument stimmten am Vortag in der Staatsduma in der entscheidenden zweiten Lesung 388 von 444 anwesenden Abgeordneten. Das Gesetz muss noch von Kreml-Chef Wladimir Putin unterzeichnet werden, damit es in Kraft tritt.

Kritische Masse für Oppositionserfolg fehlt

Gegen die Versuche, die Meinungsfreiheit einzuschränken, gibt es in Russland weiter beharrlichen Widerstand - allerdings gelang es den Gegnern Putins bisher nie, eine kritische Masse zu erreichen.

So demonstrierten Oppositionelle Anfang März vor dem Kreml gegen die Wahl von Putin zum Präsidenten vor einem Jahr. Mehrere Regierungsgegner mit dem Transparent „Weg mit Zar Putin“ hätten sich an einem Tor des Roten Platzes festgekettet, und in der Nähe hätten Putin-Kritiker ein Banner mit der Aufschrift „Die falsche Wahl“ entrollt. Das sagte ein Behördensprecher am Montag der Agentur Interfax. Polizisten nahmen die Demonstranten fest.

Putin war am 4. März 2012 mit rund 64 Prozent der Stimmen für eine dritte Amtszeit in den Kreml gewählt worden. Kritiker werfen dem 60-Jährigen vor, seitdem die „Daumenschrauben“ angezogen zu haben. Putins Popularität sei nach dem von Protesten überschatteten Wahlsieg leicht von 50 auf 48 Prozent gesunken, teilte das staatliche Meinungsforschungsinstitut WZIOM in Moskau mit. Einer der Gründe sei, dass der Ex-Geheimdienstchef „seinen Ton und die Gesetze verschärft“ habe, sagte WZIOM-Leiter Valeri Fjodorow.

Justiz verschärft Kurs gegen Nawalny

Die russische Justiz verschärfte etwa Ende Februar - im Vorfeld des ersten Jahrestags von Putins neuerlicher Wahl - den Kurs gegen den prominenten Kreml-Gegner Alexej Nawalny weiter und kündigte an, dem 36-Jährigen die Anwaltslizenz entziehen zu wollen. Der Blogger habe sich den Status erschummelt, indem er sich als Direktor einer Firma selbst zum Anwalt ernannt habe, teilte die Ermittlungsbehörde in Moskau mit.

Nawalny wies die Vorwürfe zurück. Die Anschuldigungen beruhten auf einem Propagandabericht des Staatsfernsehens, schrieb der Oppositionelle in seinem Blog. Die Justiz ermittelt bereits wegen Unterschlagung, Betrugs und Geldwäsche gegen den scharfen Kritiker Putins. Nawalny drohen mehrere Jahre Haft.

Vernichtender Menschenrechtsbericht

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte in ihrem Anfang Februar vorgestellten Jahresbericht 2012 als „das schlimmste Jahr für die Menschenrechte in der jüngeren Geschichte Russlands“ bezeichnet und sich damit auf die Zeit seit dem Ende der Sowjetunion vor 21 Jahren bezogen. Russische Nichtregierungsorganisationen und die Opposition beklagen anhaltende Verstöße gegen Recht und Freiheit seit der Rückkehr Putins ins Präsidentenamt im Mai 2012. Putin war bereits von 2000 bis 2008 Präsident.

Nach Auffassung Putins dagegen gab es im vergangenen Jahr keine „besonderen Probleme“ bezüglich der Menschenrechte. „Ich denke nicht, dass es 2012 besondere Probleme mit den Menschenrechten gab“, so Putin Ende Februar.

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