Themenüberblick

Wohnillusionen auf Zeit

Ein guter Makler überlässt bei der Präsentation einer Immobilie nichts dem Zufall. Das Objekt wird vor Betreten geputzt und hell erleuchtet, die Besichtigung der Räume folgt einer ausgeklügelten Reihenfolge - das Highlight kommt zum Schluss. Neben diesen klassischen Vorbereitungen werden immer mehr Immobilien professionell für den Verkauf inszeniert.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Beim Home-Staging werden die Immobilien mit geschickt platzierten Designstücken, edlen Accessoires und durchdachter Beleuchtung für den Verkaufszeitraum herausgeputzt. Eine idealisierte Wohnwelt, die sich nicht am praktischen Nutzen orientiert, sondern einzig und allein Emotionen beim Interessenten wecken soll. Klobige Kästen kommen darin ebenso wenig vor, wie vollgestellte Regale und dunkle Ecken. Ist das Objekt verkauft, verschwindet die Illusion wieder.

In USA entstanden

Home-Staging wurde in den 1970er Jahren von der US-Maklerin Barb Schwarz erfunden. Im Unterschied zu einem Innenarchitekten schneidet ein Home-Stager die Einrichtung einer Immobilie nicht praktisch und passgenau auf die Bedürfnisse der künftigen Bewohner zu, sondern versucht, bei der Kurzzeitmöblierung den Geschmack einer möglichst großen Käuferzielgruppe zu treffen.

Die Psychologie des Verkaufens

„Gerade beim Wohnungskauf werden viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen,“ so Sandra Bauernfeind von EHL Immobilien im Gespräch mit ORF.at. Der Immobiliendienstleister setzt im Bereich von hochpreisigen Immobilien auf das professionelle Vorher-nachher-Styling. „Auf den aufwendigen 3-D-Bildern im Inserat werden die Wohnungen mit vielen Einrichtungsvarianten gezeigt, beim Betreten der kahlen Räume folgt dann die Ernüchterung. Uns geht es darum, eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen und das Produkt für die Besichtigung ins beste Licht zu rücken.“

Die Realität im Alltag von Wohnungssuchenden sieht freilich noch ganz anders aus. Oft scheuen Makler und Eigentümer selbst geringste Investitionen in eine zum Erwerb stehende Immobilie, um ihren Verkaufsertrag nicht zu schmälern. Was beim Verkauf eines Autos längst zum Standard zählt - die gründliche Reinigung des Wagens - ist bei Wohnungen längst keine Selbstverständlichkeit.

Jeder Raum bekommt seinen Zweck

Professionelle Wohnungsaufpepper wollen die Branche nun zum Umdenken bewegen. Sie arbeiten nach dem Motto „Der erste Eindruck zählt, und der letzte Eindruck bleibt“. „Das Wichtigste beim Home-Staging ist, dass jeder Raum eine eigene Funktion bekommt“, so Jutta Wallner von Wohnfee.at. „Interessenten schauen sich meist viele Wohnungen hintereinander an. Beim fünften kahlen Objekt weiß man schon nicht mehr, welches Wohnzimmer zu welcher Wohnung gehört hat. Mit Home-Staging kann man sich besser an das einzelne Objekt erinnern.“

Küche

Wohnfee

Der nüchterne Raum vor dem Umstyling

Küche

Wohnfee

Funktionale Gestaltung im Zuge des Home-Stagings

Aufblasbare Betten und frischer Kaffeeduft

Um sich die spätere Nutzung der trostlos kahlen Zimmer vorzustellen, benötigt es zudem Vorstellungsvermögen. Doch das bringt nicht jeder Interessent mit. Aufgabe des Home-Stagers ist es, in den leeren Räumen eine Wohnsituation anzudeuten, um Interessenten Ideen zu geben.

Dafür greifen sie auch schon mal in die Trickkiste. Aufblasbare Betten und aus Karton gebastelte Küchenzeilen sollen den Interessenten zeigen, was in welchen Räumen möglich ist. Eine funktionierende Kaffeemaschine in der Küche mit wie zufällig daneben liegenden duftenden Kapseln macht Gusto auf eine Tasse, die der Makler sogleich anbieten kann. Kunstwerke an den Wänden, frische Obstkörbe und echte Pflanzen perfektionieren die inszenierte Wohnillusion.

„Manchen Käufern gefällt unser Interieur so gut, dass sie einzelne Stücke übernehmen,“ so Wallner. „Ein Eigentümer, der seine Wohnung nachher vermieten wollte, hat gleich die gesamte Einrichtung dazu gekauft.“ In den USA, wo Home-Staging seit Jahrzehnten zum Standard gehört, wird auch gerne mal mit Backspray in der Küche der Duft frisch gebackener Kekse simuliert. Das sei hierzulande aber nicht der Fall, so Wallner.

Die Kosten des Immostylings

Eine Home-Staging-Erstberatung inklusive Maßnahmenkatalog bieten heimische Experten für 100 bis 280 Euro an. Dem Auftraggeber - das ist in der Regel der Eigentümer - obliegt dann zu entscheiden, ob er die Maßnahmen selbst umsetzt oder von Professionisten ausführen lässt. Bei Gesamtbeauftragung liegen die Kosten für Aus- und Einräumen, Leihmöbel etc. bei etwa einem Prozent der späteren Verkaufssumme.

Ausräumen und entpersonalisieren

Doch nicht nur leere Wohnungen, auch bewohnte und schon voll möblierte Immobilien fallen in den Geschäftsbereich der Home-Stager. Hier gilt es vor allem, durch Ausdünnen des Mobiliars das Objekt vom persönlichen Stil des Besitzers zu befreien. Wäscheständer, Tuben im Bad und Klimbim auf der Fensterbank müssen dabei ebenso weichen wie abgewohnte Sofas, muffige Teppiche und die Kinderzeichnungen am Kühlschrank.

Laut einer Studie der Handelshochschule in Stockholm, kann durch Home-Staging ein bis zu 15 Prozent höherer Verkaufspreis erzielt werden. Auch der Verkauf selbst geht demnach doppelt so schnell vonstatten. In den USA, Großbritannien,den skandinavischen Ländern und Deutschland bereits gang und gäbe, wird Home-Staging in Österreich erst zögerlich von den Maklern eingesetzt.

Wohnzimmer

Wohnfee

Eine Wohnung vor dem „Eingriff“ durch einen Home-Stager ...

Wohnzimmer

Wohnfee

... und nach dem Umstilisieren

„Ich bekomme oft die Problemfälle, die schon lange Zeit am Markt sind,“ so Elisabeth Schlicker von Home-staging.at. „Vor allem Objekte, die nicht dem aktuellen Zeitgeschmack entsprechen, schrecken viele Käufer ab. Dabei kann man hier schon mit wenigen Änderungen viel erreichen.“ Fliesen und Sanitärobjekte im berühmten 70er-Jahre-Braun und -Orange würden etwa durch neutrale moderne Accessoires entschärft. „Was wir ganz klar nicht machen, ist irgendetwas zu vertuschen oder zu verstecken“, so Schlicker. Ganz im Gegenteil, nach dem erfolgreichem Aufpeppen sehe der Interessent nicht länger die Mängel, sondern das Potenzial der Immobilie.

Nicht von Wohnkosmetik blenden lassen

Doch wie können sich Interessenten davor schützen, sich von schneller Wohnkosmetik blenden zu lassen? Im Gespräch mit ORF.at gibt Renate Wagner vom Verein für Konsumenteninformation einige Tipps. „In erster Linie gilt es, kühlen Kopf zu bewahren“, so Wagner. Wohnungsinteressenten sollten sich demnach für eine Besichtigung ebenso gut vorbereiten, wie der Makler. Eine Checkliste mit Punkten, die einem besonders wichtig sind, hilft dabei.

„Man sollte sich nicht auf den ersten Eindruck verlassen, sondern sich mit dem Erhaltungszustand der Wohnung und der Allgemeinteile des Hauses auseinandersetzen. Nur so erkennt man, welche Investitionen auf einen zukommen können.“ Beschwerden über eine etwaige Irreführung durch Home-Staging lägen bisher keine vor, so Wagner. „Grundsätzlich ist gegen diese Methode nichts einzuwenden. Jeder Verkäufer versucht ja, seine Ware ins rechte Licht zu rücken.“

Beate Macura, ORF.at

Links: