Überraschender Abschied
Jim O’Neill, Chefvolkswirt bei Goldman Sachs (GS) und „Erfinder“ der Abkürzung BRIC, will sich noch in diesem Jahr aus seiner Position zurückziehen. O’Neill formulierte seine Idee vom rasanten Aufstieg Brasiliens, Russlands, Indiens und Chinas erstmals in breiterem Rahmen im Jahr 2001. Der Brite gilt auch als eine Art „Popstar“ seiner Branche.
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„Das ist das Ende einer Ära“, schrieb die „Financial Times“ zum geplanten Abschied von „Mr. BRIC“ Anfang Februar. Die Ankündigung kam völlig überraschend. Deshalb wurde auch rasch spekuliert, O’Neill, seit 2001 Chefökonom und Leiter der Investmentsparte von Goldman Sachs, habe sich womöglich mit der Führung der Bank zerstritten. Für das deutsche „Handelsblatt“, das dem Briten unter dem Titel „Goldmans ‚Rockstar‘ tritt ab“ ein ausführliches Porträt widmete, warf dessen Abgang „viele Fragen auf“.
O’Neill formulierte seine Idee unter dem Titel „Building Better Global Economic BRICs“ im November 2001 in der Reihe „Global Investment Research“ von Goldman Sachs. Die zentrale Idee: Brasilien, Russland, Indien und China würden bis spätestens Mitte des 21. Jahrhunderts die führenden westlichen Industrienationen in puncto Wirtschaftskraft überholen. Die Gruppe existiert jedoch nicht nur in der Theorie, sondern hält in regelmäßigen Abständen auch Gipfeltreffen ab. 2010 wurde Südafrika in den Kreis der wirtschaftlich mächtigsten Schwellenländer (von da an BRICS) aufgenommen.
„Next Eleven“ als "Nachfolger
Im Jahr 2005 veröffentlichte O’Neill eine Liste von Staaten, die er „Next Eleven“ (N-11) nannte. Auswahlkriterium war - vereinfacht gesagt - wiederum eine hohe Wachstumsdynamik, die diesen Schwellenländern in den kommenden Jahren einen ähnlich raschen Aufschwung bescheren könnte wie den BRICS. Zu den „Next Eleven“ zählte der Ökonom Ägypten, Bangladesch, Indonesien, den Iran, Mexiko, Nigeria, Pakistan, die Philippinen, Südkorea, die Türkei und Vietnam.
Anfangs wurden O’Neills Postulate nur bedingt ernst genommen, mittlerweile ist das Gegenteil der Fall. Auch für Investoren hätte es sich ziemlich gelohnt, „Mr. BRIC“ zu glauben, hieß es zuletzt in der „Financial Times“. Schließlich hätte der MSCI-Index der vier Länder den US-Börsenindex Standard & Poor’s 500 (S&P 500) locker abgehängt.
Idee „mehr wert als Geld“
O’Neill habe "entschieden, sich bis Jahresende zurückziehen“, hieß es Anfang Februar in einer Mitteilung von Goldman Sachs lapidar. Die „Financial Times“ spekulierte über ein mögliches Zerwürfnis mit der Spitze der Bank oder aber unterschiedlichen strategischen Ansichten und würdigte gleichzeitig O’Neills Leistungen. Dass er den Fokus nachhaltig auf die „historische Transformation“ des globalen Wirtschaftsgefüges gelenkt habe, sei „mehr wert als das Geld, das er für seine Bank und deren Kunden verdient hat“.
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