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Obama mit neuem Ansatz

Seit fast vier Jahren knirscht es im Verhältnis zwischen US-Präsident Barack Obama und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Im Vorfeld von Obamas erstem Staatsbesuch beim traditionellen Verbündeten bemühte sich das Weiße Haus, die Erwartungen nicht zu hoch anzusetzen: Eine neue Friedensinitiative sei nicht geplant.

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Stattdessen probierte es der mächtigste Mann der Welt mit einem neuen Ansatz aus. Obama wollte sich direkt an das israelische Volk wenden. Der Schritt ist nicht ohne Risiko, denn viele Israelis nehmen Obama noch übel, dass er zu Beginn seiner Präsidentschaft einen Stopp des Siedlungsbaus forderte und sogar kurz auf den Erzfeind Iran zuzugehen schien. Zudem versprüht Obama nicht den Charme, mit dem etwa ein Präsident Bill Clinton Freund und Feind verzaubern konnte.

Charmeoffensive nach „holpriger Amtszeit“

Der Nahost-Experte Robert M. Danin von der Washingtoner Denkfabrik Council on Foreign Relations glaubt, dass Obamas Israel-Besuch nach einer mit Blick auf die bilateralen Beziehungen „sehr holprigen ersten Amtszeit“ als eine Art Charmeoffensive dient. „Ich denke, er kommt, um die Israelis zu überzeugen, dass er ein Freund Israels ist, dass er ihnen den Rücken stärkt“, sagte Danin. Nicht zuletzt könnte Obama mit demonstrativer Nähe zum traditionellen Verbündeten Israel auch Kritiker im eigenen Land ruhigstellen.

„Es ist in Obamas Interesse, Israel zu überzeugen, keine unilateralen Einsätze zu starten, sondern auf eine Intervention der Vereinigten Staaten zu vertrauen“, schrieb die „Washington Post“. In einem Interview mit dem israelischen Fernsehen benutzte Obama kürzlich die von Netanjahu immer wieder verwendete Formel der „roten Linie“, ab der Teheran mit militärischen Mitteln am Bau einer Atombombe gehindert werden müsse. Wo genau diese Linie liegt, sagte er aber nicht.

Israelis in Umfragen für Romney

Obamas wohl berühmteste Rede in der Region war bisher seine Ansprache an die Muslime der Welt 2009 in Kairo. Er hatte damals auf einen Besuch in Israel verzichtet, was dort für Verärgerung sorgte. Dass eine deutliche Mehrheit der Israelis sich einen anderen Präsidenten gewünscht hätte, ist belegt: Umfragen zufolge standen während der US-Präsidentenwahl 57 Prozent hinter dem Republikaner Mitt Romney und nur 22 Prozent hinter Obama.

„Schlechtestes Verhältnis, das es je gab“

Auch Benjamin Netanjahu machte keinen Hehl daraus, dass er lieber Romney im Weißen Haus sehen würde. Der ehemalige Nahost-Unterhändler Aaron David Miller bescheinigte beiden Männern das schlechteste Verhältnis, das es je zwischen einem US-Präsidenten und einem israelischen Ministerpräsidenten gegeben habe.

Allerdings stehen Obama wie Netanjahu am Anfang neuer Amtszeiten. Ihnen dürfte klar sein, dass sie die nächsten Jahre miteinander auskommen müssen. Das wiederum deutet auf eine Chance für einen Neuanfang hin. Davon würden beide profitieren: Obama könnte den Vorwurf der Republikaner entkräften, er lasse Israel links liegen, und Netanjahu könnte demonstrieren, dass er mit dem wichtigsten Verbündeten zusammenarbeiten kann.

Wichtiger Verbündeter gegen Iran

Der außenpolitische Rahmen scheint ebenfalls günstig, denn seit Jahren haben sich die strategischen Interessen beider Länder nicht so stark überlappt. Beide wollen verhindern, dass der syrische Bürgerkrieg auf Nachbarstaaten überschwappt. Das wichtigste Thema in der Region bleibt für beide die Furcht vor einer iranischen Atombombe, auch wenn Obama weniger öffentlichen Druck auf die islamische Republik ausübt, als es Netanjahu lieb ist.

Weder die USA noch Israel haben einen Militärschlag gegen die iranischen Atomanlagen ausgeschlossen. Alle Optionen lägen auf dem Tisch, betonte Obama im März in einem Interview des israelischen Fernsehens.

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