„Schräglage von Banken nie aufgeklärt“
In den nächsten Monaten werden die ersten Fremdwährungskredite fällig, und vielen Kreditnehmern droht ein böses Erwachen. VKI-Rechtsexperte Peter Kolba erklärt, warum Fremdwährungskredite reine Spekulationsprodukte waren, Kunden nicht zuwarten sollten und Banken mit zahlreichen Klagen rechnen müssen.
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ORF.at: Was kann man Kunden mit Fremdwährungskrediten derzeit raten?
Peter Kolba: Man kann keinen allgemein gültigen Rat geben, man muss sich den Fall anschauen. Dazu gehört, dass man feststellt, ob und wie hoch die Deckungslücke ist. Die Deckungslücke entsteht aus zwei Bewegungen. Das eine ist, dass der Schweizer Franken im Kurs gestiegen ist, das andere, dass die Tilgungsträger nicht das bringen, was versprochen wurde.
ORF.at: Was wäre so ein Beispiel?
Kolba: Wir haben einen Fall, wo der Kredit 380.000 Euro ausmachte, die Deckungslücke bei 280.000 Euro lag und der Schaden bei 200.000 Euro. Zugegebenermaßen ein gravierender Fall. In diesem Fall handelte es sich um ein Ehepaar, das bei der Flut im Kamptal das Haus verloren habt. Sie hatten 250.000 Euro angespart, aber das Pech, dass in der Familie ein Finanzberater war. Der hat ihnen geraten, die 250.000 nicht in den Hausbau zu investieren, sondern in zwei Tilgungsträger, und einen endfälligen Fremdwährungskredit über 300.000 Euro aufzunehmen. In dem speziellen Fall ist ein Tilgungsträger ganz ausgefallen, und der zweite war ebenfalls am Krachen. Dennoch ist der Fall nicht ganz untypisch.
ORF.at: Wo liegen bei den Fremdwährungskrediten die Probleme?
Kolba: Es gibt zwei Grundfälle. Jemand hat Geld, braucht aber für eine Anschaffung noch einen Kredit. Er fällt dann einem Finanzberater in die Arme, der aus reinem Provisionsinteresse zu einem Fremdwährungskredit rät. Die zweite Konstellation ist die, dass Leute sich ein Einfamilienhaus wünschen und zur Bank gehen und die ihnen dann realistischerweise sagt, dass sie sich einen Euro-Kredit nicht leisten können. Hier kommt der Fremdwährungskredit ins Spiel, weil er zunächst leistbar ist, weil man ja nur Zinsen anfallen.
ORF.at: Liegt die Schuld damit alleine bei den Finanzberatern?
Kolba: In den Fällen, die wir kennen, haben die Vermittler immer mit einer ganz bestimmten Bank und ganz bestimmten Filialen zusammengearbeitet. Da gab’s dann Reisebewegungen, wo Wiener in die Steiermark geführt worden sind oder Steirer nach Tirol. Auch innerhalb von Wien gab’s solche Bewegungen.
Die Banken haben sich bisher darauf berufen, nur Finanzierer zu sein: „Die Leute kommen mit ihrem Wunsch an uns heran, wir klären sie noch über das Währungsrisiko auf, und das war’s dann.“ Damit ist Schluss, seit der Oberste Gerichtshofs (OGH) im Jänner die Entscheidung gefällt hat, dass Banken auch für Fehler des Vermittlers haften, wenn es eine enge Vertriebsbindung gab. Und das gab es in vielen Fällen. Sonst wäre es ja nicht erklärlich, wieso ein und derselbe Vermittler immer ein und dieselbe Bank aufsucht.
ORF.at: Die Banken können sich also nicht ganz aus der Verantwortung nehmen?
Kolba: Die Banken haben in Wahrheit ein sicheres Geschäft gemacht. Sie haben bei endfälligen Krediten 20 Jahre die Zinsen vom gesamten aushaftenden Kapital rechnen können. Das heißt, die Bank verdiente sehr viel mehr an Zinsen und hatte dazu kein Risiko. Die Banken haben den Schuldner, zudem noch die Tilgungsträger verpfändet und, wenn es um ein Eigenheim ging, waren sie im Grundbuch. Aufseiten der Bankkunden war das ein reines Glücksspiel, aufseiten der Banken ein sicheres Geschäft. Und diese Schräglage hat nie eine Bank aufgeklärt, und das muss man den Banken schon vorhalten.
ORF.at: Welche Möglichkeiten haben nun Kunden, die sich schlecht beraten fühlen?
Kolba: Ich kann den Vermittler klagen, der mich falsch beraten hat - und in vielen Fällen ist das so. Wir haben das auch in einigen Musterprozessen gemacht, und hinterher war der Vermittler im Konkurs, und man hat nichts bekommen. Daher ist es interessant zu prüfen, ob die Bank nicht auch ein Verschulden trifft und allenfalls auch den Tilgungsträger.
ORF.at: Droht damit eine neue Klagswelle?
Kolba: Diese neue Judikatur (OGH-Urteil vom Jänner, Anm.) eröffnet vielen Kunden die Chance, mit der Bank eine Lösung zu verhandeln. Es ist ein Unterschied, ob ich an die Bank herantrete und sage ‚ja ich war blöd, helft mir‘, oder wenn ich sag, ‚ihr habt mich hineingetheatert; ihr seid in der Verantwortung, drum lösen wir es gemeinsam.‘ Ich glaube nicht, dass alle Kunden sofort Prozesse führen werden.
Mit Anfang Mai nimmt eine Schlichtungsstelle für alle Verbraucherpropleme ihren Betrieb auf. Möglicherweise ist das auch ein Ort, wo man auch zu Fremdwährungskrediten zu Lösungen findet. Wenn das nicht geht, bleibt als Ultimo Ratio natürlich das Gericht. Und bei 250.000 Fremdwährungskrediten kann man sich vorstellen, dass das auch eine durchaus veritable Belastung der Gerichte auslösen könnte.
ORF.at: Es gab auch das Problem mit den Zwangskonvertierungen.
Kolba: In Musterprozessen wurde geklärt, dass zwangsweise Konvertierungen bei Überschreiten einer Schwelle unzulässig sind. Und die anderen Klauseln, die das ermöglichen, insbesondere die Klausel, wo die Bank mehr Sicherheiten einfordert, wurden vom OGH ebenfalls als intransparent angesehen. In Wahrheit ist die Botschaft an die Kreditnehmer, man soll sich von der Bank nicht ins Boxhorn jagen lassen oder irgendwie unter Druck setzen lassen.
Das Gespräch führte Gabi Greiner, ORF.at