Wollsocken und Schal im Hochsommer
Des einen Freud, des andern Leid - während in vielen Büros mit Ventilatoren und kalten Getränken im Sommer gegen Hitze gekämpft wird, haben Arbeitnehmer in klimatisierten Räumen oft ein ganz anderes Problem. Zentral gesteuerte Klimaanlagen können Büros in die reinsten Kühlhäuser verwandeln und lassen Schals, Wollsocken und dicke Sweater auch im Sommer zu beliebten Accessoires werden.
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Doch zu kalte Büroluft ist nicht nur unangenehm, sondern auch ungesund, wie zahlreiche Studien belegen. Einerseits steigt die Erkältungsgefahr, weil die kalte trockene Zugluft die Schleimhäute austrocknet und dadurch Erkältungsviren ein leichtes Spiel machen. Andererseits können durch nicht oder schlecht gewartete Klimaanlagen Schadstoffe, Pilzsporen und Keime in die Raumluft gelangen, die wiederum das Sick-Building-Syndrome (SBS) auslösen können.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt die Bürokrankheit als Syndrom aus arbeitsplatzbezogenen Reizungen der Haut und Schleimhäute, Kopfschmerzen, Mattigkeit, Konzentrationsschwäche und Depressionen. Allein in den USA leiden vermutlich Millionen Beschäftigte an diesem Syndrom, das die Produktivität drückt und die Zahl der Krankmeldungen hochtreibt. In etwa 25 Prozent der Fälle soll die klimatisierte Luft als Auslöser ermittelt worden sein.
Unterschiedliches Wärme- und Kälteempfinden
Schwierig ist es in vielen Fällen, die Klimaanlagen auf angenehme Temperaturen zu bringen - schon alleine weil das Wärme- und Kälteempfinden von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist. Was einem selbst als zu kühl erscheint, ist für den Kollegen oft genau richtig. Zentral gesteuerte Anlagen erschweren die Sache zusätzlich: Wenn ganze Bürogebäude auf Einheitstemperatur gebracht werden, ist der Unmut schnell groß.
In Arbeitsräumen müssen laut Arbeiterkammer (AK) raumklimatische Verhältnisse herrschen, die dem menschlichen Organismus angemessen sind. Wenn eine Klimaanlage vorhanden ist, ist sie so einzustellen, dass die Temperatur zwischen 19 und 25 Grad (bei geringer körperlicher Belastung etwa im Büro) oder 18 und 24 Grad (bei normaler oder körperlicher Belastung) konstant bleibt, so die AK.
Bei Hitze sinkt die Produktivität
Bei großer Hitze sinkt die Arbeitsleistung um 30 bis 70 Prozent im Vergleich zu Tagen mit normalen Temperaturen. Gleichzeitig leidet die Arbeitsqualität, Fehlerhäufigkeit und Unfallrisiko steigen. Eine gut eingestellte Klimaanlage kann da Abhilfe schaffen, und wirkt sich zu dem förderlich auf den Kreislauf aus. Werden Büroräume aber auf arktische Temperaturen herunter gekühlt, verbessert das das Wohlbefinden keineswegs. Im Gegenteil, beträgt die Differenz zwischen Außen- und Innentemperatur mehr als sechs Grad, belastet das den Körper zusätzlich.

AP/Itsuo Inouye
Für modisch unsichere Japaner gibt das Ministerium Beispiele zur Orientierungshilfe
Klimaanlagen könnten auch dick machen
US-Forscher wollen 2006 sogar herausgefunden haben, dass Klimaanlagen dick machen. Optimal gekühlte oder beheizte Räume sorgen dafür, dass sich der menschliche Körper permanent in einer „thermoneutralen Zone“ befindet. Wenn der Körper nicht schwitzt oder friert, ist er nicht gezwungen, für das Konstanthalten der Temperatur Energie aufzuwenden, so die Theorie der im „International Journal of Obesity“ veröffentlichten Studie.
Laut den Forschern zeigen Versuche außerdem, dass in mit Klimaanlagen geregelten Räumen mehr gegessen wird. Der Anstieg der klimatisierten Wohnungen in den USA spiegele praktisch den Zuwachs bei Übergewichtigen wider.
Japaner dürfen auf Krawatten verzichten
Zu einem wahren Problem hat sich die Verbreitung von Klimaanlagen in Japan entwickelt. Im Sommer befürchtet man dort regelmässig, dass es wegen des gestiegenen Strombedarfs für die Aircondition während der heißen Sommermonate zu Energieengpässen kommen könnte. Mit der Kampagne „Super Cool Biz“ des Umweltministeriums, in der Angestellte aufgefordert werden, ihre Outfits an die Hitze anzupassen, versucht man gegenzusteuern.

AP/Itsuo Inouye
Japans Umweltminister Ryu Matsumoto und seine Amtsvorgänger gingen bereits 2011 mit gutem Beispiel „super cool“ kurzärmelig voran
Kurze Hosen und Schlapfen, hierzulande in den meisten Büros ein modisches No-go für Männer, sind in Japan im Sommer nicht nur erlaubt, sondern erwünscht, berichtet die „Economic Times“. Auch auf die Krawatten dürfen Männer in der heißen Jahreszeit verzichten. Im Gegenzug sollen die Firmen dazu animiert werden, ihre Klimaanlagen auszuschalten oder auf mindestens 28 Grad zu stellen und so Strom zu sparen.
Angst vor Stromausfällen in New York
Auch in den USA sind die omnipräsenten Klimaanlagen längst zum Energieproblem geworden. Jeden Sommer appellieren etwa die Stromversorger New Yorks an die Einwohner der Stadt, ihre Klimaanlagen auf nicht weniger als 25 Grad einzustellen. Eine Überlastung der Umspannwerke ist im Big Apple keine Seltenheit. Im Gegenteil: Zu einem richtigen New Yorker Sommer gehört, dass das veraltete Stromnetz bei großer Hitze zusammenbricht und damit nicht nur die Lichter, sondern auch die Klimaanlagen ausgehen.
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