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„Moralische Integrität“

Franziska Jägerstätter, die Witwe des NS-Wehrdienstverweigerers Franz Jägerstätter, ist tot. Sie starb 100-jährig am Samstag im Kreise ihrer Familie in ihrer Wohnung in St. Radegund.

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Erst am 4. März feierte Franziska Jägerstätter ihren 100. Geburtstag. Die Jubilarin wurde mit mehreren Veranstaltungen geehrt. Die Oberösterreicherin wurde 1913 in Hochburg im Bezirk Braunau als Franziska Schwanninger in eine große Bauernfamilie geboren. 1936 heiratete Franziska Franz Jägerstätter. Der Linzer Bischof Ludwig Schwarz würdigte die Verstorbene in einer ersten Reaktion als „große Christin und ein großes Vorbild im Glauben“.

Kirche

Gerald Lehner

Kirche mit Friedhof in St. Radegund, auf dem Jägerstätter begraben ist

Bundespräsident Heinz Fischer hatte Jägerstätter noch zu ihrem 100. Geburtstag gratuliert. In dem Glückwunschschreiben hieß es, dass Franziska Jägerstätter ihrem Mann in den schweren Jahren seiner Gewissensentscheidung beigestanden sei und ihm auch eine wertvolle Stütze gewesen sei. Im Laufe ihres Lebens sei sie zu einem „Vorbild für moralische Integrität geworden“. 2007 wurde Franziska Jägerstätter daher auch mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich geehrt.

Archivbild von Franz Jägerstätter

APA/Rubra

Jägerstätter kritisierte die katholische Kirche Österreichs für ihre Empfehlung, 1938 pro „Anschluss“ zu stimmen

Erinnerung an Mann wachgehalten

Franziska Jägerstätter hielt seit dem Tod ihres Mannes, der im Jahr 2007 vom emeritierten Papst Benedikt XVI. seliggesprochen worden war, das Gedenken an ihn aufrecht. Sie bekam für ihre Arbeit zahlreiche Auszeichnungen, u. a. das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich und das päpstliche Ehrenzeichen „Pro Ecclesia et Pontifice“ (für Kirche und Papst).

Auch mehrere Theaterstücke beschäftigten sich mit ihrem Leben, eines aus der Feder von Felix Mitterer wird am 20. Juni im Theater in der Josefstadt in Wien uraufgeführt.

„Es ist einzigartig, dass wir vom seligen Franz Jägerstätter die Gattin, Töchter und Familie dazugeschenkt bekamen und dadurch sein Zeugnis weiterlebt“, so der Linzer Bischof Ludwig Schwarz. Wann das Begräbnis stattfindet, stand am Sonntag noch nicht fest. Ein Termin soll demnächst bekanntgegeben werden.

„Hätte sonst niemanden gehabt“

Franz Jägerstätter war Bauer und Mesner in St. Radegund (Bezirk Braunau) in Oberösterreich. In der NS-Zeit hatte er sich aus religiösen Gründen geweigert, mit der Waffe für Adolf Hitler in den Krieg zu ziehen und wurde von den Nazis hingerichtet. Franziska, die seine Entscheidung mittrug, blieb mit drei Kindern zurück. Der Familienvater wurde am 26. Oktober, dem österreichischen Nationalfeiertag, 2007 im Linzer Mariendom seliggesprochen. Seine Witwe bezeichnete ihr Leben oft als „langen Karfreitag“.

Seligsprechung von Franz Jägerstätter

AP/rubra

2007 wurden Franziska Jägerstätters Bemühungen belohnt: Ihr von den Nazis hingerichteter Mann wurde seliggesprochen

„Wir verdanken ihr in gewisser Weise Franz Jägerstätter“, hatte der heutige Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer einmal in einer Predigt gesagt. Wenn seine Frau nicht zu ihm gehalten hätte, dann hätte er niemanden gehabt. Warum ihr Mann nicht ein zweites Mal zur Wehrmacht einrückte, begründete Jägerstätter so: „Weil sie (die Nationalsozialisten, Anm.) die Kirche so verfolgt haben.“ Der Preis der Entscheidung war dem Paar klar. Als es deswegen zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Verwandtschaft kam, trat Franziska an Franz’ Seite. „Er hätte ja sonst niemanden gehabt, wenn ich nicht zu ihm gehalten hätte“, sagte sie.

Haus

Gerald Lehner

Das Anwesen der Jägerstätters

Bewegender Briefwechsel

Nach der Inhaftierung des Wehrdienstverweigerers gab es einen bewegenden Briefwechsel zwischen den Eheleuten. Vor seiner Hinrichtung am 9. August 1943 konnten sich die beiden noch kurz verabschieden. Auch nach Kriegsende wurden Franziska Jägerstätter und ihre Familie immer wieder diskriminiert. Es kam der Vorwurf, sie sei wegen ihres Glaubens mit schuld an der Verweigerung des Wehrdienstes aus religiösen Gründen. Jägerstätter war mehr als 30 Jahre lang Mesnerin in der Pfarrkirche St. Radegund, Lektorin, Kommunionsspenderin sowie Leiterin der pfarrlichen Katholischen Frauenbewegung und mit Hunderten Menschen in Briefkontakt.

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