„Das ist eine Katastrophe“
Zur Rettung Zyperns vor der Pleite werden in einem beispiellosen Schritt auch Bankkunden kräftig zur Kasse gebeten - im Gegenzug gewährt die Euro-Zone Finanzhilfen von bis zu zehn Mrd. Euro. Alle Konten bei zypriotischen Banken werden mit einer einmaligen Zwangsabgabe belegt. Das Geld wird direkt von den Konten abgebucht. Die Bankkunden reagierten schockiert und wollten sofort an ihr Geld kommen.
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So erfuhren die Zyprioten Samstagfrüh, welche Kompromisse ihre Regierung in der Nacht in Brüssel für internationale Finanzhilfe eingegangen war. Bei Einlagen unter 100.000 Euro wird eine Abgabe von 6,75 Prozent fällig, bei höheren Beträgen sind es fast zehn Prozent - das trifft nicht nur reiche ausländische Anleger wie russische Oligarchen, sondern auch Pensionisten und andere Kleinsparer des Inselstaats. Ein bisher einmaliger Vorgang im Kampf gegen die Euro-Krise.
Lange Schlagen vor Bankomaten
Bereits am frühen Morgen hatten sich in der Hauptstadt Nikosia, der Küstenstadt Larnaka und in anderen Städten Schlangen vor den Bankomaten gebildet. Kurzzeitig kam es zu einem Ansturm auf einige wenige Genossenschaftsbanken, die auch am Samstag geöffnet hatten. Später schlossen auch diese wenigen geöffneten Filialen. Das Onlinesystem der Banken war außer Betrieb gesetzt. „Das ist eine Katastrophe“, sagte ein 45-Jähriger, der in Nikosia Geld abhob, um sein Erspartes in Sicherheit zu bringen.

APA/EPA/Christos Theodorides
Auch in der Hauptstadt Nikosia wollten viele Kunden an ihr Erspartes kommen
Entsprechende Beträge „eingefroren“
Doch das Vorhaben der vielen verärgerten Bankkunden sollte sich als effektlos erweisen: Es habe keinen Sinn, jetzt Geld vom Bankkonto zu holen, erklärte Marios Skandalis, Vizepräsident des zypriotischen Buchhalterverbands: Von der Maßnahme betroffene Konten seien bereits in der Höhe der Sonderabgabe gesperrt, die Guthaben könnten nicht mehr transferiert werden. „Liebe Depotinhaber, der Zeitpunkt, um vor Euren Banken Schlange zu stehen, war letzte Woche, jetzt hat es keinen Sinn. Eure Depots sind jetzt sehr, sehr sicher!“, kommentierte Analyst Sony Kapoor über den Onlinenachrichtendienst Twitter.
Und auf Twitter machten auch verärgerte Tweets die Runde: „Der Zypern-Deal ist genau der Grund, warum ich mein Geld nicht mehr auf der Bank anlege. Brüssel kann einfach so Euer Geld beschlagnahmen“, schimpfte ein Nutzer im Internet. „Die Briten und Russen werden es sich jetzt zweimal überlegen, sich in der Sonne zur Ruhe zu setzen und ihr Geld auf eine zwielichtige Bank einzuzahlen“, kommentierte ein anderer.
Banken müssen gestützt werden
Die zyptiotische Regierung in Nikosia benötigt die Finanzhilfen vor allem, um ihre Banken zu stützen, die wegen des Schuldenschnitts in die Klemme gerieten - und die Bürger sollen kräftig mitzahlen: Ein Pensionist mit 100.000 Euro auf der hohen Kante hat also am Dienstag, wenn die Banken nach einem Feiertag wieder öffnen, fast 10.000 Euro weniger auf dem Konto - und das trotz einer in der gesamten EU geltenden Einlagensicherung für Guthaben für bis zu 100.000 Euro.
Wenigstens habe er Einschnitte bei Löhnen und Renten verhindern können, sagte Zyperns Finanzminister Michalis Sarris. „Wir gehen auf harte Zeiten zu, und die Gürtel werden enger geschnallt.“ Die Regierung in Nikosia hatte mit Eilmaßnahmen dafür gesorgt, dass der fällige Betrag blockiert wird. „Die zyprische Regierung hat bereits mit der Umsetzung begonnen“, sagte das Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), Jörg Asmussen, als die Abgabe in der Nacht in Brüssel verkündet wurde.
Zyperns Finanzminister Michalis Sarris deutete an, die Zwangsabgabe könne möglicherweise in Aktien der betroffenen Banken umgetauscht werden. Als Finanzminister sei er nicht glücklich über die Gebühr. „Aber die Aufgabe, den Wohlstand der Menschen und die Stabilität des Systems zu schützen, ließ uns keine andere Wahl.“
Für Nikosia eigentlich „rote Linie“
Eigentlich hatte die zypriotische Regierung bis zuletzt eine Sonderabgabe für Bankkunden zu einer „roten Linie“ erklärt, die nicht überschritten werden dürfe. Doch nach den Verhandlungen sah alles anders aus: Das finanziell marode Land werde mit zehn Milliarden Euro unterstützt, erklärte Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem in der Nacht zum Samstag nach mehr als zehn Stunden zäher Verhandlungen in Brüssel - als Bedingung wurde jedoch die Beteiligung der Bankkunden hineinverhandelt.
Wie die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen des Finanzministeriums auf Zypern erfuhr, soll es bei den Verhandlungen zu dramatischen Szenen gekommen sein. Mindestens dreimal soll die zypriotische Delegation bei der Euro-Gruppe kurz davor gewesen sein, abzureisen. Die anderen Europäer hätten Zypern vor die Alternative gestellt, entweder der Sonderbesteuerung der Geldeinlagen zuzustimmen oder zur früheren Währung des Landes, dem Zypern-Pfund, zurückzukehren, berichteten zypriotische Reporter.
Treibende Kräfte hinter der Einlegerbeteiligung waren laut Agenturberichten neben dem IWF auch Deutschland, Finnland und die Niederlande. Asmussen sagte, mit der Steuer würden auch die ausländischen Bankkunden erfasst. Russen und Briten sollen einen großen Teil der auf rund 70 Mrd. Euro geschätzten Bankguthaben halten.
„Gerechte Lastenverteilung“
Dijsselbloem begründete den Beschluss mit der im Vergleich zur sonstigen Wirtschaft des Landes außergewöhnlichen Größe des zyprischen Bankensektors. Die Sonderabgabe zielt auch nicht vorrangig auf die Zyprioten, sondern auf reiche Bankkunden aus dem Ausland - die Insel gilt als beliebte Finanzoase für wohlhabende Russen, aber etwa auch für britische Anleger. Daher sieht Dijsselbloem in der Sondersteuer eine „gerechte Lastenverteilung“: „Wir haben die Lastenverteilung sehr sorgfältig geprüft“, versicherte Dijsselbloem. „Wir bestrafen Zypern nicht“, meinte der Niederländer.
Die Steuer soll 5,8 Milliarden Euro einbringen - das ist aller Voraussicht nach bedeutend mehr, als der Internationale Währungsfonds (IWF) zur Rettung des Landes vor der Pleite beitragen wird. Laut Dijsselbloem soll die Absichtserklärung in der kommenden Woche fertiggestellt werden, so dass die Abstimmungen darüber in den nationalen Parlamenten vollzogen werden könnten.
Unternehmenssteuersatz wird angehoben
Zuvor stimmte Zypern nach den zähen Verhandlungen außerdem zu, seinen rekordniedrigen Unternehmenssteuersatz von zehn auf 12,5 Prozent anzuheben. Zusammen mit Irland hat die Insel damit noch immer die niedrigste Besteuerung, mit der Unternehmen angelockt werden sollen. Russen und Briten sollen einen großen Teil der fast 70 Milliarden Euro Guthaben auf zypriotischen Banken halten. Seit längerem halten sich Vorwürfe, Zypern locke mit niedrigen Firmensteuern und einer lockeren Finanzaufsicht Schwarzgeld an - Zypern bestreitet das.
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