„Wir bestrafen Zypern nicht“
Als fünftes Euro-Land wird Zypern mit Hilfskrediten der Euro-Staaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor der Staatspleite bewahrt. Das finanziell marode Land werde mit zehn Milliarden Euro unterstützt, erklärte Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem in der Nacht zum Samstag nach mehr als zehn Stunden zäher Verhandlungen in Brüssel.
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Laut Dijsselbloem soll die Absichtserklärung in der kommenden Woche fertiggestellt werden, so dass die Abstimmungen darüber in den nationalen Parlamenten vollzogen werden könnten. Doch die Bedingungen für die Zahlungen sind hart: Schließlich sind im Gegenzug Einsparungen und Reformen fällig - und die Kunden der zypriotischen Banken müssen über eine einmalige Steuer zu den Kosten der Bankenrettung beitragen.
Bankkunden sollen 5,8 Mrd. Euro zahlen
Nach der Vereinbarung ist eine Abgabe von 9,9 Prozent auf Guthaben über 100.000 Euro in zypriotischen Banken fällig. Beträge unter dieser Schwelle werden mit 6,75 Prozent besteuert. Das soll einen Betrag von 5,8 Milliarden Euro einbringen. Bis 2018 soll der Bankensektor auf EU-Durchschnitt gebracht werden - er dürfte dann von der Bilanzsumme her nur noch vier- statt wie heute achtmal so groß sein wie die Wirtschaftsleistung des Landes.

AP/Virginia Mayo
Euro-Gruppe-Chef Dijsselbloem und IWF-Chefin Lagarde: „Faire Lastenteilung“
Die Steuer soll sowohl für in Zypern ansässige als auch für ausländische Bankkunden gelten. Sie können der Gebühr nicht mehr entgehen: Der fällige Betrag werde ab sofort auf den Konten eingefroren, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen. „Bevor die Banken wieder öffnen, wird die Abgabe abgezogen. Der Rest des Geldes ist frei verfügbar.“ Asmussen betonte zugleich, es gebe keine Gefahr, dass ein solches Vorgehen auch in anderen Krisenländern folgen könnte.
„Haben Lastenverteilung sehr sorgfältig geprüft“
Das Parlament des Inselstaats soll noch am Wochenende das Steuergesetz beschließen, damit die einmalige Abgabe schon nach dem Feiertag am Montag abgezogen werden und das Geld möglichst nicht außer Landes geschafft werden kann. „Wir haben die Lastenverteilung sehr sorgfältig geprüft“, versicherte Dijsselbloem. „Wir bestrafen Zypern nicht“, meinte der Niederländer.
Zum ersten Mal in der Euro-Krise werden nur Bankkunden und nicht alle Steuerzahler gezwungen, die Rettung der Institute mitzubezahlen. In den 1990er Jahren hatte Italien einmal eine ähnliche Steuer erhoben, um die Lira zu schützen. Der IWF habe auf dieser fairen Lastenteilung bestanden, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde.
Ansturm auf Banken
Doch diese „Fairness“ konnten die zypriotischen Bankkunden kaum erkennen: In Reaktion auf die Maßnahme strömten Samstagfrüh Hunderte Menschen Samstag zu ihren Banken, um ihr Geld abzuheben. Es kam zu einem kurzfristigen Ansturm auf Genossenschaftsbanken, die auch am Samstag geöffnet sind. Die Banken hatten jedoch vorgesorgt und den Anteil der Einlagen eingefroren, den ihre Kunden entrichten sollen. Das Onlinesystem der Banken war außer Betrieb gesetzt. Später schlossen die wenigen geöffneten Filialen, wie der stellvertretende Präsident der Cooperative Central Bank of Cyprus, Erotokritos Chlorakiotis, im staatlichen Rundfunk sagte.
Banken müssen dringend gestützt werden
Zuvor stimmte Zypern nach den zähen Verhandlungen außerdem zu, seinen rekordniedrigen Unternehmenssteuersatz von zehn auf 12,5 Prozent anzuheben. Zusammen mit Irland hat die Insel damit noch immer die niedrigste Besteuerung, mit der Unternehmen angelockt werden sollen. Mit weiteren Einsparungen und der von Zypern lange abgelehnten Privatisierung öffentlicher Unternehmen sollen die Staatsschulden unter Kontrolle gebracht werden und bis 2020 auf 100 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt sinken.
Die Regierung in Nikosia braucht das Geld vor allem, um seine Banken zu stützen, die wegen des Schuldenschnitts in Griechenland in die Klemme gerieten. Russen und Briten sollen einen großen Teil der fast 70 Milliarden Euro Guthaben auf zypriotischen Banken halten. Seit längerem halten sich Vorwürfe, Zypern locke mit niedrigen Firmensteuern und einer lockeren Finanzaufsicht Schwarzgeld an. Zypern bestreitet das. Die Mittelmeer-Insel ist zweitgrößter Auslandsinvestor in Russland. Russland stellte die Verlängerung eines Kredits an Zypern in Aussicht.
Durchbruch nach monatelanger Hängepartie
Der Durchbruch auf der kurzfristig einberufenen Sitzung der Euro-Gruppe kam nach einer monatelangen Hängepartie zustande. Auch die neue konservative Regierung hatte sich gegen eine Beteiligung von Bankengläubigern oder -kunden gewehrt, die neben dem IWF auch Deutschland, Finnland und die Niederlande gefordert hatten. Einen Schuldenschnitt wie im Fall Griechenlands gibt es nicht.
Doch für die außergewöhnliche Situation Zyperns mit seinem überdimensionierten Bankensektor sei diese maßgeschneiderte Lösung notwendig gewesen, sagte Dijsselbloem. Nach Griechenland, Irland, Portugal und Spanien ist Zypern das fünfte Land, das in der seit drei Jahren anhaltenden Schuldenkrise Beistand braucht.
Kommunisten sträubten sich gegen Privatisierungen
Zypern hatte schon im Sommer um ein Kreditpaket von gut 17 Milliarden Euro gebeten, um seine angeschlagenen Banken zu stützen und den Staatshaushalt zu finanzieren. Die Verhandlungen scheiterten vor dem Regierungswechsel aber daran, dass der kommunistische Ex-Präsident Demetris Christofias Privatisierungen strikt ablehnte. Außerdem weigerte sich die inzwischen von den Konservativen abgelöste Regierung, Gläubiger oder Kunden von Banken zur Kasse zu bitten.
Die neue Regierung sträubte sich lange dagegen. Sie befürchtet einen massenhaften Abzug von Geld aus den Banken, die dann zusammenbrechen könnten. Auch herrscht die Sorge, dass die Zinsen auf Staatsanleihen der strauchelnden südlichen Euro-Länder erneut ansteigen könnten, weil Investoren beim zweiten Schuldenschnitt nach Griechenland das gerade erst wieder wachsende Vertrauen in die Euro-Zone erneut verlieren könnten.
Jagd nach Schwarzgeld
Auf Drängen der Euro-Finanzminister muss Zypern außerdem nachweisen, dass die Banken die Anti-Geldwäsche-Regeln der EU befolgen. Das sollen unabhängige Experten überprüfen. Es wird vermutet, dass ein großer Teil der enorm hohen Guthaben im überdimensionierten Bankensektor Zyperns Schwarzgeld sind.
Die schriftliche Vereinbarung über die Einigung soll im Lauf der kommenden Woche erstellt werden, damit die nationalen Parlamente abstimmen können. Neben Deutschland haben auch in den Niederlanden, in Finnland, Estland und in der Slowakei die Parlamente das letzte Wort über Rettungsaktionen für andere Euro-Staaten.
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