Wunsch als Vater des Gedankens
Den italienischen Bischöfen ist nach der Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio eine peinliche Panne unterlaufen. Offenbar im festen Glauben, einer der ihren werde Oberhaupt der katholischen Kirche, dankten sie Gott am Mittwochabend um 20.23 Uhr in einer Aussendung „voller Freude“ für die Wahl des Mailänder Erzbischofs Angelo Scola zum Pontifex maximus. Zu der Zeit ließ sich Bergoglio als Papst Franziskus bereits auf dem Petersplatz feiern.
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Danach ging eine Dreiviertelstunde ins Land, ehe die italienische Bischofskonferenz eine korrigierte Erklärung mit dem richtigen Namen des neuen Papstes herausgab.
Werbung für Scola
Der für die Mitteilung verantwortliche Generalsekretär der Bischofskonferenz, Monsignore Mariano Crociata, hatte möglicherweise die Schlagzeilen der italienischen Zeitungen zu sehr verinnerlicht, die seit Tagen für die Wahl Scolas zum neuen Papst die Trommel rührten und ihn als Gewinner des Konklaves feierten.
Dass Bergoglio und nicht der favorisierte Scola die Wahl für sich entschied, bestätigte erneut den alten Lehrsatz: „Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus.“ Scola war als Kandidat für die Nachfolge Benedikt XVI. im Gespräch. Bei seiner Wahl an die Spitze der 1,2 Milliarden Katholiken weltweit wäre die jahrhundertelange Tradition fortgesetzt worden, wonach auf dem Stuhl Petri ein Italiener sitzt.
Scharfe Kritik von Schönborn
Scharfe Kritik kam von Kardinal Christoph Schönborn. Es sei ein Skandal, „dass vertrauliche Gespräche der Kardinäle im Vatikan wortwörtlich von italienischen Zeitungen gedruckt“ worden seien. Schönborn äußerte die Hoffnung, dass der neue Papst diesbezüglich durchgreifen werde. „Dringende Aufräumarbeit ist notwendig“, sagte der Kardinal.
Es sei ein Affront für die vielen „treuen, loyalen und kompetenten Mitarbeiter des Vatikans, dass sein Ruf derart belastet werde“, sagte Schönborn. „Wir hoffen alle, dass der neue Papst den guten Ruf des Vatikans wiederherstellt.
„Tiefgründige Säuberung“ gefordert
Wegen des Fehlverhaltens weniger schwarzer Schafe darf der Ruf des Vatikans nicht so geschädigt werden“, so der Kardinal. Der Wiener Erzbischof betonte, dass die Kardinäle ihre Loyalität zum Vatikan klar hervorgehoben haben. „Wir hoffen alle, dass es zu einer tiefgründigen Säuberung kommen wird“, sagte Schönborn - mehr dazu in religion.ORF.at.
Schönborn als Unterstützer Bergoglios
Schönborn könnte nach Ansicht von Insidern auch eine besondere Rolle bei der Wahl Bergoglios gespielt haben. Vor Beginn des Konklaves hatte Schönborn behauptet, dass der neue Pontifex ein „Mann des Evangeliums“ und eine Person mit ausgesprochener Spiritualität sein müsse. „Wir wählen schließlich das Oberhaupt der katholischen Kirche, nicht den Vorstand einer Bank“, hatte Schönborn am Sonntag vor Journalisten betont.
Diese Eigenschaften entsprechen der bescheidenen Persönlichkeit Bergoglios bestens. „Die Weltkirche braucht frischen Wind, und letztendlich haben auch die großen Befürworter von Scolas Kandidatur, darunter Schönborn und der Pariser Erzbischof Andre Vingt-Trois, beschlossen, auf Bergoglio zu setzen“, meinte der Vatikan-Insider Paolo Rodari.
Scola als Mitfavorit
Vatikan-Insider hatten fest mit der Wahl Scolas gerechnet, nachdem seit 35 Jahren kein Italiener mehr zum Nachfolger Petri gewählt worden war. Der 71-jährige Scola war Gerüchten zufolge mit der Zusage von circa 40 Stimmen ins Konklave gezogen. Wegen der Opposition mehrerer italienischer Purpurträger konnte der gebürtige Lombarde jedoch nicht das Quorum von 77 Stimmen erreichen, die für die Papst-Wahl erforderlich waren.
Zwar galt Scola als Kritiker der römischen Kurie, trotzdem wurde er offensichtlich nicht als unabhängig genug von Rom betrachtet, um sich die Zweidrittelmehrheit zu sichern. Als alternativer Kandidat galt der Brasilianer Odilo Scherer. Doch der Eindruck ist, dass Scherer schon bei den ersten Wahlgängen an Boden verlor, da nicht alle brasilianischen Kardinäle ihn unterstützen wollten.
Kurie als Verliererin
Die römische Kurie geht als klare Verliererin der Papst-Wahl hervor. Die konservative Front der Kurienkardinäle, die Schlüsselpositionen im Vatikan kontrollieren, geht mit der Wahl des ersten lateinamerikanischen Papstes in der Geschichte der Kirche deutlich geschwächt aus dem Konklave hervor. Reformer gegen Kurie, Italiener gegen Nichteuropäer: Laut Vatikan-Insidern ist das Konklave für die Wahl des Nachfolgers Benedikts zu einem heiklen Match geworden, aus dem die progressiv orientierten Kardinäle als klare Sieger hervorgegangen sind. „Das Konklave rebelliert gegen die Kurie: Die römische Partei hat verloren“, kommentierte die Tageszeitung „La Repubblica“ die historische Wahl des Argentiniers Bergoglio zum Nachfolger Petri.
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