Vieles spricht für rote Kontinuität
Hugo Chavez hat das Bild Lateinamerikas verändert. Sein Name wird in einem Atemzug genannt mit dem von Fidel Castro, Juan Peron und dem Freiheitshelden Simon Bolivar. Sein Erbe, der Chavismus, steht nach seinem Tod nun auf dem Prüfstand der Geschichte. Nicolas Maduro verlieh seinem Ziehvater Chavez unmittelbar nach dessen Tod den Titel „Comandante eterno“.
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Die Botschaft des Vizepräsidenten war klar: Die „Bolivarische Revolution“ geht weiter, die Mission des „Ewigen Kommandanten“ ist noch nicht erfüllt. Chavez selbst kürte den 50-Jährigen fünf Monate vor seinem Tod zu seinem Wunschnachfolger, und ihm werden beste Chancen attestiert, die nun fällige Wahl zu gewinnen. Sollte „Comandante Maduro“ Präsident werden, bliebe das Land auf Linkskurs, was viele Regierungen in Lateinamerika aufatmen ließe.
Kein Systemwechsel in Sicht
„Es wird einen politischen Übergang in Venezuela geben“, schrieb der argentinische Politologe Juan Gabriel Tokatlian in einem Beitrag für die argentinische Tageszeitung „Pagina 12“. Es deute aber nichts auf einen Systemwechsel hin. „In der Essenz handelt es sich um einen Übergang der Anführer. Auf Hugo Chavez folgt ein neuer Präsident des Chavismus.“ Wenn sich in Venezuela eine turbulente und unbeherrschbare Situation, ein Zusammenbruch der Ordnung oder eine revanchistische Umkehr des aktuellen politischen Projekts ergäbe, wäre das Problem für Südamerika monumental, warnte Tokatlian.
Vieles aber spricht für Kontinuität, denn die Venezolaner bestätigten bei den beiden vorangegangenen Wahlen eindeutig die Sozialisten. Chavez gewann am 7. Oktober 2012 die Präsidentschaftwahl klar mit über 55 Prozent. Am 16. Dezember jedoch, als Chavez schon zur Krebsbehandlung in Kuba war, eroberte seine PSUV-Partei bei den Regionalwahlen 20 von 23 Gouverneurssitzen im Land.
Sprudelnde Öleinnahmen
Das waren die Früchte, die Chavez im Inland erntete, wo seine Erfolge bei der Armutsbekämpfung unbestritten sind. In seinen 14 Regierungsjahren verminderte er die Armut nach Angaben der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) in Venezuela von 49,4 auf 29,5 Prozent. Das dankte ihm die Mehrheit seiner Landsleute mit treuer, oft bedingungsloser Gefolgschaft. Die Chavez-Regierung konnte aufgrund sprudelnder Öleinnahmen aus dem Vollen schöpfen, und das kam nicht nur den Armen Venezuelas, sondern auch sozialistischen Bruderstaaten in Lateinamerika zugute.

Reuters/Jorge Silva
Für Chavez’ Anhänger war er der Wohltäter der Armen
Vor allem die Achse Caracas-Havanna stand. In enger Kooperation mit Kuba schuf Chavez 2004 den Verbund „Bolivarische Allianz für die Völker unseres Amerika“ (ALBA), dem heute acht Staaten angehören. 2011 wurde die Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (CELAC) in Caracas gegründet, ohne die USA und Kanada. Sechs Jahre zuvor war der Ölstaatenbund PetroCaribe aus der Taufe gehoben worden. Alle Allianzen tragen die Handschrift Hugo Chavez und im Falle ALBA auch die von Maduro, der von 2006 bis Jänner 2013 Außenminister war.
Starke Verbundenheit mit Castro
Der Castro-Regierung in Kuba war Chavez wie keiner anderen verbunden. Schon vor seiner Erkrankung flog er immer wieder zu Stippvisiten und Absprachen mit Präsident Raul Castro und dessen Bruder Fidel in die kubanische Hauptstadt. In Politik und Gebaren folgte er den Spuren von Revolutionsführer Fidel Castro und dem argentinischen Präsidenten Juan Peron, die beide Lateinamerika prägten. Chavez griff für seine Revolution noch höher und nahm sich den historischen Freiheitshelden Simon Bolivar zum Vorbild. Er wollte Lateinamerika einen: für Sozialismus und gegen Imperialismus.
Deshalb erhielt Kuba seit Jahren Öl aus Venezuela zu verbilligten Preisen im Tausch für die Entsendung von Ärzten und Militärausbildnern. Derzeit sind es 100.000 Barrel (je 159 Liter) pro Tag. Doch auch Regierungen wie denen von Evo Morales in Bolivien, von Rafael Correa in Ecuador und Daniel Ortega in Nicaragua ginge es ohne die Hilfe aus Caracas wesentlich schlechter. Auch Argentiniens Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner fand in dem Ex-Oberstleutnant Chavez einen treuen Freund und Förderer.
„Seine Ideen werden Jahrhunderte überdauern“
Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva beschrieb seine Beziehung zu Chavez als eine zwischen Kameraden. „Nicht jedes Jahrhundert bringt einen Menschen von der Qualität eines Hugo Chavez hervor. Die Menschen sterben, das Fleisch geht. Aber eine Sache bleibt: die Ideen“, sagte Lula da Silva, der Ende 2011 selbst an Krebs erkrankte, aber erfolgreich behandelt werden konnte. „Ich glaube, die Ideen von Chavez werden ähnlich wie die von Bolivar noch Jahrhunderte überdauern.“ Auch Lula da Silva war in seiner Amtszeit ein Freund klarer Sprache, blieb aber weit moderater als der verbale Haudegen in Caracas.

Reuters/Jorge Silva
Brasiliens Lula da Silva mit Chavez im Jahr 2010
Erzfeind USA
Chavez wollte seine Revolution exportieren, und er hatte damit in einigen Ländern indirekt sogar Erfolg. Doch das „Modell Chavez“ bestand nicht nur aus klaren Zielen, sondern auch aus klaren Abgrenzungen. Die USA waren für ihn das Yankee-Imperium, das er geißelte, und sein Wunschnachfolger Maduro folgt ihm eifrig auf diesem Weg. Davon unbeschadet blieben natürlich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und Venezuela, das seinen politischen Erzgegner gewinnbringend mit Öl versorgt.
Eine Blaupause für das Chavez-Modell gab es nicht, obwohl die Linken Lateinamerikas wieder von der Revolution träumten und durch Chavez neuen Aufwind und Selbstbewusstsein bekamen. Nicht allen nutzte aber die Nähe zu Chavez, wie der heutige Präsident Ollanta Humala in Peru erfuhr. Er stellte sich 2006 bei seinem ersten Anlauf aufs Präsidentenamt ganz nah an die Seite des „Comandante“ und verlor die Wahl. 2011 klappte es im zweiten Anlauf, denn diesmal nahm er sich den zweiten starken Mann Lateinamerikas als Vorbild: Lula da Silva.
Bitteres Erbe von Chavez
Die britische Zeitung „Times“ betonte in einem Kommentar, dass Länder wie Brasilien, Chile und Uruguay die Militärdiktatur hinter sich gelassen hätten und zu stabilen, gut regierten Demokratien geworden seien. „Venezuela ist populistisch, antikapitalistisch und autoritär geworden. Wer auch immer die Wahl gewinnt, es wäre besser für Venezuela, Brasilien und Chile nachzueifern, als das bittere Erbe von Chavez anzutreten.“
Chavez gab sich auf internationaler Ebenen als Sprecher Lateinamerikas, und nur Lula da Silva konnte ihm das Wasser reichen. Im Gegensatz zu Chavez akzeptierte der aber die Verfassung seines Landes und räumte Ende 2010 nach zwei Amtszeiten den Sessel. Ob Ecuadors hitziger Staatschef Correa, Boliviens Präsident Morales, der betagte Castro in Kuba oder ein mit Petro-Dollars gepolsterter möglicher Präsident Maduro diese Rolle der Leitfigur ausfüllen können, ist fraglich. Nach dem Tod von Chavez, der gerne bis 2031 im Amt geblieben wäre, ist der Posten des linken Bannerträgers in Lateinamerika jedenfalls vakant.
Helmut Reuter, dpa
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