Intrigen im Theater
Nach dem Säureangriff auf den Ballettchef des Moskauer Bolschoi-Theaters, Sergej Filin, hat ein Moskauer Gericht am Donnerstag Haftbefehl gegen den Startänzer Pawel Dmitritschenko erlassen. Es bestehe Fluchtgefahr, begründete das Gericht seine Entscheidung. Der 29 Jahre alte Solist des legendären Theaters soll den Anschlag auf den Ballettchef am 17. Jänner organisiert haben.
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Die Polizei bezeichnete Dmitritschenko als „mutmaßlichen Auftraggeber“ und den 35-jährigen Juri Saruzki als „Angreifer“. Der Chauffeur Andrej Lipatow habe Saruzki zum Tatort gefahren. Dem Innenministerium zufolge wurde Saruzki in Twer rund 160 Kilometer von Moskau entfernt aufgegriffen. Es soll sich demnach um einen früheren Häftling handeln. Dmitritschenko und seinen Komplizen drohen nun bis zu zwölf Jahre Gefängnis. Filins Anwältin Tatjana Stukalowa kündigte an, die härteste Strafe für die „Bande“ zu fordern.
1.250 Euro für Attentat bezahlt?
Dmitritschenko war auf Bildern aus dem Gerichtssaal in einem Gitterkäfig zu sehen. Er soll 50.000 Rubel (1.250 Euro) für den Angriff auf Filin bezahlt haben. Der Tänzer meinte, dass es dabei nur um eine Lektion gegangen sei. Ein Säureattentat habe er nicht bestellt, sagte er vor Gericht. Als er von den Verätzungen erfahren habe, sei er entsetzt gewesen, sagte der Tänzer. Indirekt machte er Filin für Korruption und Vetternwirtschaft am weltberühmten Theater verantwortlich.

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Dmitritschenko wollte seinem Chef eine „Lektion“ erteilen
Kollegen des Tänzers kritisierten den Haftbefehl. Sie vermuten, dass Dmitritschenko Opfer einer Intrige am größten Staatstheater des Landes sei - und sich unter äußerem Druck selbst belastet habe. Dagegen berichteten Medien unter Berufung auf Ermittler und Informanten im Bolschoi, dass es Dmitritschenko seit langem auch auf den einflussreichen Posten des Ballettchefs abgesehen haben soll. Seine Gegner innerhalb des Bolschoi schilderten den Ballettstar, der unter anderem die Titelpartie in „Iwan der Schreckliche“ tanzte, als „explosiv“ und „größenwahnsinnig“.
Vom Tänzer zum Ballettchef
Sergej Filin, der von 1989 bis 2007 im Bolschoi-Ensemble tanzte, wurde im März 2011 zum Ballettchef ernannt. Zuvor hatte er als Ballettchef am Stanislawsky-und-Nemirowitsch-Dantschenko-Theater, Heimat von Moskaus zweiter großer Ballettcompagnie, gearbeitet.
Eifersucht als mögliches Tatmotiv?
In der Boulevardpresse wurde auch gemutmaßt, Dmitritschenkos Freundin, die Tänzerin Angelina Woronzowa, stecke hinter dem Säureangriff auf den Ballettchef. Sie sei wütend gewesen, weil Filin ihr im „Schwanensee“ nicht die Doppel-Titelrolle der Odette/Odile gegeben habe.
Bolschoi-Intendant Anatoli Iksanow verurteilte den Anschlag. „Ich bin zu 100 Prozent sicher, dass das mit seiner beruflichen Tätigkeit zu tun hat“, sagte Iksanow dem russischen Staatsfernsehen nach dem Attentat. „Er (Filin, Anm.) ist ein prinzipienfester Mensch und geht keine Zugeständnisse ein. Wenn er den einen oder anderen Künstler für nicht reif für eine Partie hält, verwehrt er ihm den Auftritt“, sagte Iksanow.
Filin fühlte sich vor Säureattacke bedroht
Der Ballettchef gilt als besonnener und diplomatischer Künstler. Iksanwo betonte, Filin habe ihm noch kurz vor der Attacke gesagt: „Ich habe das Gefühl, dass ich mich mitten im Krieg befinde.“ Filins Kollegen berichteten, dass zuletzt etwa auch dessen Website gehackt und mit Beleidigungen übersät worden sei. Zudem seien die Reifen seines Autos zerstochen worden.

Reuters/Vselovod Kutznestov
Ballettchef Filin wird in Aachen behandelt und will bald wieder in Moskau arbeiten
Der 42-jährige Chef der mit 220 Tänzern größten Balletttruppe der Welt wird weiter in der Augenklinik im deutschen Aachen behandelt. Nach mehreren Operationen könne er wieder einigermaßen gut sehen, berichtete die Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“. Das Bolschoi hofft, dass er im Sommer wieder in Moskau arbeiten kann. Über Anwältin Stukalowa ließ der 42-Jährige mitteilen, dass er den Ermittlern für ihre Arbeit gedankt habe.
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