Knapp 60 Millionen ohne Konto
Jeder EU-Bürger soll einem Medienbericht zufolge künftig ein Recht auf ein Girokonto haben. Die EU-Kommission wolle in den 27 europäischen Ländern ein „soziales Grundrecht“ auf ein Bankkonto einführen, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) am Dienstag unter Berufung auf einen Gesetzentwurf von Binnenmarktkommissar Michel Barnier.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Demnach haben derzeit 58 Millionen EU-Bürger ab 18 Jahren kein Bankkonto, die meisten davon in osteuropäischen Ländern. Rund drei Millionen dieser Menschen haben sich bei Geldhäusern um ein Konto bemüht - wurden aber abgewiesen. Viele von ihnen befänden sich in einem sozialen Teufelskreis, da ein Girokonto häufig die Voraussetzung für den Abschluss eines Mietvertrags, eines Arbeitsverhältnisses oder für einen Telefon- und Internetanschluss sei. Die Betroffenen könnten so zum Beispiel nicht günstig im Internet einkaufen und von den Vorteilen des europäischen Binnenmarkts profitieren.
Barnier hatte sich deshalb bereits Sommer 2011 für ein günstiges Basiskonto für alle EU-Bürger ausgesprochen. Ein entsprechender Gesetzentwurf solle nun in den kommenden Monaten vorgelegt werden, sagte ein Sprecherin der EU-Kommission.
Barnier wünscht sich möglichst gebührenfreies Konto
Das Konto für jedermann solle „grundsätzlich nötige Buchungen“ ermöglichen, also Zahlungseingänge und Abbuchungen, solange das Konto im Plus bleibe, wie es in dem Bericht heißt. Kreditaufnahmen seien demnach ausgeschlossen. Die Kontoführung solle möglichst gebührenfrei angeboten werden, in Ausnahmefällen dürften die Institute „erschwingliche“ Gebühren verlangen.
In Rumänien und Bulgarien hat jeder zweite Erwachsene kein Konto. In den mittel- und westeuropäischen Ländern lebt nur einer von zehn Bürgern ohne Girokonto. In elf EU-Ländern gibt es ein gesetzlich verbrieftes Recht darauf. Die meisten europäischen Staaten hätten bisher zu wenig getan, um diesen Missstand zu beheben. „Im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld ist es unwahrscheinlich, dass sich das Problem von selbst löst“, heißt es im Gesetzesentwurf. Barnier will zugleich laut „SZ“-Informationen auch den Wechsel von einer Bank zur anderen erleichtern. Dazu sollen die Finanzinstitute verpflichtet werden, transparente und leicht vergleichbare Angaben zu Gebühren und Konditionen zu machen.
Hundstorfer begrüßt Vorschlag
Konsumentenschutzminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) begrüßte Barniers Vorschlag am Dienstag. „Das Recht auf ein Girokonto ist eine Voraussetzung, um am Erwerbs- und Gesellschaftsleben teilzunehmen“, so Hundstorfer in einer Aussendung. In Österreich lebten derzeit rund 150.000 Menschen ohne eigenes Girokonto.
Auch die grüne Abgeordnete Birgit Schatz begrüßte den Vorschlag. Vor allem die erfolgreiche Arbeits- und Wohnungssuche werde ohne Konto nahezu unmöglich. Die Grünen hätten das Recht auf ein Girokonto schon im Jahr 2009 für alle Österreicher gefordert.
„Zweite Sparkasse“ als Alternative
Hierzulande bietet beispielsweise die „Zweite Sparkasse“ Menschen, die bei einer herkömmlichen Geschäftsbank kein Konto bekommen, die Möglichkeit, ein Girokonto zu eröffnen. 2006 nahm die von der Erste Stiftung initiierte Bank ihre Tätigkeit auf, mittlerweile gibt es Filialen in Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg, Villach und Wien. Rund 8.000 Personen in finanziell schwierigen Situationen werden betreut. Die „Zweite Sparkasse“ bietet ein Konto, das nicht überzogen werden kann, inklusive Bankomatkarte.
Neben der „Zweiten“ bietet seit knapp drei Jahren auch die BAWAG P.S.K. ein Konto ohne Überziehungsrahmen an („Neue Chance Konto“), die Bank Austria hat das „Erfolgskonto light“ im Programm.
Links: