Themenüberblick

Randstellung erschwert Lage

Migrantinnen befinden sich als Opfer von häuslicher Gewalt häufig in einer besonders prekären Lage. Das sei strukturell begründet, da es zu aufenthaltsrechtlichen Problemen kommt und sie keine rechtlichen Ansprüche auf finanzielle Unterstützung haben, sagt Kristina Milosits vom Beratungszentrum für Migrantinnen in Wien.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Etwa 800.000 Migrantinnen leben in Österreich, das sind 17,5 Prozent der weiblichen Gesamtbevölkerung. Migrantinnen sind laut den Erfahrungen der Wiener Frauenhäuser nicht öfter Opfer von häuslicher Gewalt als Österreicherinnen. Ihre Situation ist aber besonders problematisch. Es sei für sie schwieriger, sich aus einer gewalttätigen Partnerschaft zu befreien, sagt Milosits. Ihre gesellschaftliche Randposition erschwere ihre Situation zusätzlich.

„Das hat aufenthaltsrechtliche Folgen, denn mit einer anderen (nicht österreichischen, Anm.) Staatsbürgerschaft steht sie nach der Trennung vom Partner ziemlich hilflos da“, sagt Milosits gegenüber ORF.at. Das Gewaltschutzgesetz greife bei Migrantinnen nicht. Häufig werde den Frauen gedroht, sagt Andrea Brem, Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser. Mit Sätzen wie "Ich schicke dich heim, die Kinder bleiben aber bei mir“ beschreiben Opfer den Betreuerinnen in der Kriseneinrichtung oft ihr Schicksal.

Gewaltschutzgesetz greift nicht

Auch Birgitt Haller, Leiterin des Wiener Instituts für Konfliktforschung, hat in ihrer Forschungstätigkeit erlebt, dass Migrantinnen von familiärer Gewalt besonders betroffen sind. Zum Beispiel sei es für sie problematischer, an Hilfsinstitutionen heranzukommen. „Migrantinnen sind in Österreich bei Einschreitungen wegen Gewalt in der Familie deutlich überrepräsentiert. Sie suchen in besonders hohem Ausmaß Zuflucht in Frauenhäusern, was bedeutet, dass das Gewaltschutzgesetz ihnen häufig keinen ausreichenden Schutz bieten kann“, sagt Haller.

Das bestätigt auch Brem. Die Möglichkeiten für Migrantinnen seien, sobald sie ins Frauenhaus kommen, begrenzt. In der Schwangerschaft und als Mutter von Kindern bis zu zwei Jahren erhalten die Frauen finanzielle Unterstützung vom Staat. Sobald die Kinder älter sind, sehe es trist aus, so Brem.

„Rassistische“ Unterscheidung

„Hinzu kommt, dass besonders gegenüber Migrantinnen die psychische Gewalt banalisiert wird“, sagt Brem. Verbote und Vorschriften des Mannes gegenüber der Frau würden von Behörden häufig als milieubedingte Unmutsäußerung und Charakteristikum des Kulturkreises aufgefasst, die man einfach akzeptieren solle, so Brem. "Das ist eine rassistische Differenzierung und gleichzeitige Scheinliberalität gegenüber Gewalt gegen Migrantinnen, die inakzeptabel ist. Gewalt ist nicht kulturell bedingt und man muss sie auch nicht akzeptieren.“

Ökonomische Abhängigkeit

Zur emotionalen Bindung komme bei Migrantinnen in vielen Fällen noch die ökonomische Abhängigkeit vom Partner und der Familie hinzu, so dass eine Trennung erschwert wird. Verschärft wird die Situation durch kulturelle, soziale und sprachliche Barrieren. „Zu wenig Augenmerk kommt im Übrigen mit Österreichern verheirateten Migrantinnen zu, die offenkundig ebenfalls einem erhöhten Gewaltrisiko ausgesetzt sind“, betont Haller.

Untersuchungen zeigten, dass es häufig zu Gewaltbelastungen in interkulturellen Beziehungen kommt, in denen Gewalt hauptsächlich in Form von psychischer und ökonomischer Gewalt erfolgt. Rund ein Viertel aller Frauenhausbewohnerinnen sind mit österreichischen Männern verheiratete Migrantinnen, wie eine letzte Erhebung von 2008 zeigte. Etwa 29 Prozent sind mit einem Migranten verheiratet.

Zum Thema machen

Am 11. und 12. März findet zum zwölften Mal das Symposium zum Thema „Migration von Frauen und strukturelle Gewalt“ in Wien statt. Vertreter von Migrantenorganisationen und Opferschutzeinrichtungen pochen seit Jahren darauf, die besondere Problematik gewaltbetroffener Migrantinnen zu thematisieren sowie die rechtlichen, strukturellen und ökonomischen Rahmenbedingungen für den Schutz von Migrantinnen vor Gewalt zu definieren.

Eva Zelechowski, ORF.at

Links: