Italien „ist nicht krank“
Wenige Wochen vor Ende seines siebenjährigen Mandats rückt der italienische Präsident Giorgio Napolitano mit seinen 87 Jahren zur Schlüsselfigur für die politische Zukunft Italiens auf. Der seit 2006 amtierende Staatschef startet nach der Parlamentswahl mit politischen Sondierungen, in der Hoffnung, so rasch wie möglich einen Ausweg aus der Pattsituation zu finden, die nach dem Urnengang am Sonntag und Montag entstanden ist.
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Napolitano, Schwergewicht der italienischen Linken und erster ehemaliger Politiker der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) an der Spitze des italienischen Staates, muss Konsultationen für die Regierungsbildung in die Wege leiten und konstruktive Gespräche unter den Parteien fördern.
„Kompliziertes Wahlergebnis“
Napolitano zeigte sich am Donnerstag bei einem Besuch in Berlin zuversichtlich hinsichtlich einer Regierungsbildung in Italien. In den „nächsten Wochen“ nach der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Parlaments werde es eine Regierung geben, zeigte sich Napolitano überzeugt. Er fügte hinzu, dass Italien derzeit nicht ohne Regierung sei, sondern von der amtierenden Regierung des ehemaligen EU-Kommissars Mario Monti regiert werde. Diese Regierung werde Italien auch Mitte März beim EU-Gipfel vertreten.
Kritik an Steinbrücks „Clown“-Sager
Es gebe zwar ein „kompliziertes Wahlergebnis“, aber Italien sei „überhaupt nicht krank“, fügte Napolitano hinzu. Er kritisierte gleichzeitig den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück wegen dessen abfälliger Äußerungen zum Wahlausgang in seiner Heimat. „Es liegt natürlich auf der Hand, dass das nicht in Ordnung ist“, sagte Napolitano in einer Pressekonferenz mit dem deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck.
Jeder könne natürlich denken, was er wolle, sagte Napolitano weiter. „Aber wenn man über gewisse Dinge spricht, die ein befreundetes Land betreffen und die das Ergebnis von freien Wahlen angeht, dann muss man wirklich sehr ausgewogen sein bei der eigenen Wortwahl.“ Steinbrück hatte den ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und den Protestpolitiker Beppe Grillo als „Clowns“ bezeichnet, von deren Wahlsieg er entsetzt sei.
Geschickter Verhandler
Mit Blick auf die bevorstehenden Parteienkonsultationen in Italien kann Napolitano unterdessen auf seine langjährige Erfahrung zurückgreifen. Der Ex-Kommunist ist ein Drahtzieher mit Geschick: Im November 2011 hatte er den damaligen Premier Berlusconi zum Rücktritt gezwungen und ihn durch den parteiunabhängigen Wirtschaftsprofessor Monti ersetzt. Napolitano scheint auch nun fest entschlossen, in der jetzigen Konjunktur ein politisches Vakuum in Italien zu verhindern.
Der italienische Präsident, der laut Verfassung über beschränkte Kompetenzen verfügt und hauptsächlich eine Notarsfunktion übernimmt, indem er vom Parlament verabschiedete Gesetze unterzeichnet, spielt bei der Regierungsbildung eine wichtige Rolle.
Verfassungsgemäß führt der Staatschef nach den Wahlen Konsultationen mit allen Parteien. Er kann einem Premierkandidaten den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen oder Neuwahlen ausschreiben, sollte er feststellen, dass der Aufbau eines neuen Kabinetts unmöglich ist. Neuwahlen sind allerdings im letzten Halbjahr vor Ende des Präsidentenmandats nicht möglich.
Vergebliches Werben für neues Wahlgesetz
In seiner Amtszeit übte sich Napolitano unermüdlich darin, die erhitzten Gemüter in der turbulenten italienischen Politik zu beruhigen. Dabei scheute er sich auch nicht davor, immer wieder mit dem exzentrischen Berlusconi in Konflikt zu geraten. Hartnäckig drängt Napolitano auf Staatsreformen, die dem Land die dringend notwendige politische Stabilität bescheren sollen. In den vergangenen Monaten hatte er wiederholt auf die Notwendigkeit eines neues Wahlgesetzes gepocht, seine Appelle gingen jedoch ins Leere.
Das neue Parlament wurde am Sonntag und Montag mit einem seit 2006 geltenden Wahlgesetz gewählt, das wie befürchtet für unklare Machtverhältnisse gesorgt hat.
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