Themenüberblick

„Staatstragend“ und großzügig

Die Landtagswahlen in Niederösterreich und Kärnten am Sonntag haben - zumindest auf den zweiten Blick - doch mehr Parallelen als die, dass das erste Mal das Team Stronach (TS) mitmischt. Das Thema Länderfinanzen spielte dort wie da eine zentrale Rolle im Wahlkampf, Erwin Pröll (ÖVP) und Gerhard Dörfler (FPK) setzten stark auf die Karte „Stabilität“ und „Landeshauptmann-Bonus“.

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Der Politologe Peter Filzmaier (ISA) verwies gegenüber ORF.at aber noch auf weitere Überschneidungen. Beide Wahlen fänden in einem „Stimmungsklima statt, in dem der traditionelle Regionalstolz und ein starkes Politikmisstrauen miteinander konkurrieren“. Das hatte im Wahlkampf zur Folge, dass „in gewohnter Form Heimatgefühle und Co.“ Thema gewesen sowie gleichzeitig „angebliche oder tatsächliche Vorteile des Landes im Vergleich zur Bundesebene“ beworben worden seien - bzw. auch zu anderen Ländern: Pröll betonte, Niederösterreich sei „innovativer und sozialer“ als andere Regionen in Österreich.

„Heimat“, „Stabilität“ und „klare Verhältnisse“

„Kärnten darf nicht Wien werden“, warnte FPK-Chef Kurt Scheuch und malte das Gespenst einer drohenden Steuer- und Gebührenlawine an die Wand, sollte es zu einem „Linksruck“ in seinem Bundesland kommen. Die FPK und Dörfler verstünden sich dagegen als die „Bewahrer der Kärntner Familien- und Sozialleistungen, die es in keinem anderen Bundesland in diesem großen Umfang“ gebe. „Werte wie Familie und Heimat sind zu schützen.“

In Niederösterreich warb Pröll unter anderem mit dem Slogan „Stabilität und Klarheit als Antwort auf unsichere Zeiten“ - wobei Pröll mit klaren Verhältnissen auch die absolute Mehrheit der ÖVP meinte, wie er zuletzt unter anderem im Ö1-„Journal zu Gast“ präzisiert hatte. Verliert die ÖVP ihre „Absolute“, drohten „verwaschene Verhältnisse“ und „Blockade“ wie auf Bundesebene. Das „wirkliche Match im Wahlkampf“ habe klar „Stabilität contra Veränderung“ geheißen, so Filzmaier, der noch eine weitere Parallele zieht.

ÖVP-Wahlplakat in Niederösterreich

APA/Helmut Fohringer

Pröll will „klare Verhältnisse“ - erneut eine absolute Mehrheit

„Skandalfälle starkes Thema“

Sowohl in Niederösterreich als auch in Kärnten seien auch die - vermeintlichen oder tatsächlichen - „Skandalfälle innerhalb der eigenen Grenzen ein starkes Thema gewesen“. In Niederösterreich schoss sich die Opposition auf das Thema Wohnbaugelder ein, Pröll wies Vergleiche mit dem Salzburger Finanzskandal mehrfach vehement zurück. Das Thema Skandale habe allerdings „sicher in Kärnten in viel höherem Ausmaß als in Niederösterreich den Wahlkampf bestimmt“, so Filzmaier. Interessanter Nebenaspekt: Kritik am eigenen Bundesland (Stichwort „Nestbeschmutzer“) sei diesmal kein Tabu mehr gewesen.

Bleibt die Frage, inwiefern die Opposition am Sonntag mit diesem Thema punkten kann. Der Meinungsforscher Peter Hajek (Public Opinion Strategies) zeigte sich in diesem Punkt gegenüber ORF.at skeptisch. „Ein Thema wie die Veranlagung von Wohnbaugeldern muss man schon viel früher bespielen. Knapp vor der Wahl bringt das zumeist nichts mehr und wird unter ‚Wahlkampfgetöse‘ abgelegt.“

Stronach „kam gerade recht“

Der Wahlkampf der beiden Landeshauptleute hatte mit dem Schwerpunkt „Bewährtes erhalten“ einen etwas defensiven Anstrich - zumindest bis Frank Stronach (TS) aktiv in den Wahlkampf einstieg. Prinzipiell liege das auch an der Rolle, erklärte Hajek. Eine Regierungspartei könne „nur sehr schwer offensiv, um nicht zu sagen angriffig agieren. Man muss sich staatstragend geben und über die Parteigrenzen verbindend wirken“. Angreifen sei Sache der Opposition.

Team-Frank-Stronach-Wahlplakat in Niederösterreich

APA/Helmut Fohringer

Stronach betonte seine Wirtschaftskompetenz und attackierte Pröll scharf

In einem Punkt sind sich Filzmaier und Hajek einig: Stronach sei Pröll mit seinen Attacken auf den Landeshauptmann („Schmähtandler“, „Schuldenmacher“) „gerade recht“ gekommen. Damit hätte die ÖVP Niederösterreich schließlich doch „in den Offensivmodus wechseln“ können, so Hajek. Zuvor sei das kaum möglich gewesen. „Man hat ja die absolute Mehrheit und man kann nicht gut beim letzten Mal klar unterlegene Parteien als gleichwertige Konkurrenten großreden und extrem offensiv auf diese losgehen“, so Filzmaier. Nach Stronachs Attacken habe Pröll dann seinen einen Gegner gehabt. Auch die Inszenierung „Alle gegen einen“ samt „der unterschwelligen Bildvermittlung des Einzelnen, der gegen so viele kämpfen muss“ sei dann naheliegend gewesen.

Wette auf den „Landeshauptmann-Bonus“

In Kärnten hätte dagegen Dörfler „das klassische Feindbild der Linken und einer rot-grünen Zusammenarbeit bemühen“ können. Wie immer die Wahl für die einzelnen Parteien ausgehe, dürfte es danach eine Mitte-rechts-Mehrheit geben. „Da setzte Dörfler auf eine solche als ‚bewährt‘ und versuchte alle anderen Formen von Parteikooperationen - auch jene von SPÖ und Grünen mit der ÖVP - als instabil und Schlimmeres zu kommunizieren“ - siehe auch Scheuchs Warnung vor dem „Linksruck“.

Sowohl Pröll als auch Dörfler hätten „natürlich“ auf ihren „Landeshauptmann-Bonus“ gesetzt, bestätigten Filzmaier und Hajek, wobei Hajek wiederum auf die Stichworte „Bewährtes erhalten“, „Stabilität“ und darauf verwies, dass die FPK in Kärnten als „die Landeshauptmann-Partei“ ins Rennen ging. Allerdings gebe es einen wesentlichen Unterschied in der Ausgangsposition. In Niederösterreich sei es „einfacher, da Pröll klar unumstritten ist im Gegensatz zu Dörfler und der Wahlerfolg der ÖVP nicht nur vom Landeshauptmann abhängt, während Dörfler das letzte Atout der FPK ist“, so Hajek. Ähnlich Filzmaier: Beide Landeschefs hätten „klar bessere Imagedaten als ihre Partei“.

Bei Pröll seien diese im Vergleich zu seinen Amtskollegen in den anderen Ländern „sehr gut“, bei Dörfler „eher unterdurchschnittlich“. Dörfler habe allerdings schon versucht, sich in den letzten Jahren „konsequent als überparteilicher Landeshauptmann zu positionieren, was in Ansätzen gelungen, jedoch nicht mit dem seit 1992 im Amt befindlichen Pröll vergleichbar ist“.

„Die Spendierhose wird es immer geben“

Am Ende werde es spannend, so die Einschätzung Filzmaiers, „ob trotz vieler enttäuschter Wähler wirklich Veränderungen gewollt werden oder die Angst vor solchen und damit dem Unbekannten größer ist. Pröll und Dörfler setzten in ihren Strategien offenkundig auf das Letztere“.

Natürlich schlüpften die Landesväter - dort wie da - auch in die Spendierhosen. Die werde es wohl „immer geben, da die Wählerinnen und Wähler darauf positiv reagieren“, so Hajek, der an den Nationalratswahlkampf 2008 erinnert, als SPÖ und ÖVP unter anderem mit „Maßnahmen gegen die Teuerung“ und „Steuern runter“ geworben hatten. Auch jetzt werde "schon wieder von einer Steuerreform und mehr Familienförderung auf Bundesebene gesprochen.

Mit dem Verweis auf die eigene „Leistungsbilanz“ und darauf, „was man in den letzten Jahren vermeintlich Tolles gemacht hätte“, lasse sich keine Wahl gewinnen, so Filzmaier. Der „Haken“ sei allerdings, dass die Glaubwürdigkeit von Wahlversprechen „aufgrund vieler Skandalfälle in der Politik sehr gelitten hat“. Das bedeute allerdings nicht, dass man auf „Wahlzuckerln“ verzichte.

Lange Liste von Versprechen

Pröll verspricht für Niederösterreich eine „Forschungs-, Technologie und Innovationsstrategie“ (FTI) zur Stärkung des Standorts. In den letzten Wochen gab die Landesregierung außerdem grünes Licht für mehrere Infrastrukturpakete. Mistelbach, Gänserndorf und Zwettl bekommen Umfahrungen, Melk einen neuen Hochwasserschutz, 4.400 Wohnungen eine Landesförderung, die 24-Stunden-Pflege soll ausgebaut werden, es gibt weitere Förderungen für den Erhalt der Nahversorgerinfrastuktur.

FPK-Wahlplakat in Kärnten

APA/Gert Eggenberger

Dörfler will den Zukunftsfonds für Investitionen anzapfen

In Kärnten will die FPK den Zukunftsfonds, bisher die „eiserne Reserve“ des Landes, auflösen und investieren. 400 Mio. Euro daraus sollen „in Familien, Bauoffensiven und Gesundheit investiert werden, um 10.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen“, verspricht Dörfler. Die Opposition („Wahlkampffonds“, „Stimmenkauf“) schäumt. Die FPK verspricht, sollte sie „wieder die Nummer eins in Kärnten werden“, eine Verlängerung der schon bisher stolzen Liste an Förderungen vom „Kärntner Baugeld“ (inklusive „Häuslbaueroffensive“) über Familiengeld (samt „Babygeld“, „Teuerungsausgleich“, Jugendfreifahrt, „Kärntner Brennholzaktion“ und „Jugendstartgeld“) bis hin zum „Kärntner Gesundheitsgeld“.

Wo hat Stronach die besseren Karten?

Angesprochen auf die Chancen des gemeinsamen Herausforderers Stronach beurteilten beide Experten diese gegenüber ORF.at in Kärnten besser als in Niederösterreich - aus mehreren Gründen. Auch seine zukünftige Rolle werde in Kärnten vermutlich wichtiger sein, glaubt Filzmaier.

Während dem TS in Niederösterreich „wahrscheinlich fünf lange Jahre auf auf den harten Oppositionsbänken bevorstehen“ dürften, könnte Stronach in Kärnten zum „Mehrheitsbeschaffer“ werden. „Dementsprechend hat man politisches Gewicht und läuft weniger Gefahr, irgendwann in den nächsten fünf Jahren vielleicht landespolitisch unterhalb der Wahrnehmungsschwelle agieren zu müssen“, so Filzmaier.

Stronach spreche die Unzufriedenen an, erklärte Hajek. Er positioniere sich "ähnlich wie die FPÖ als ‚Anti-Establishment-Party‘. Das kann in Kärnten gut funktionieren, da die Menschen sehr unzufrieden sind. In Niederösterreich sei das anders, da Prölls Wähler zufrieden mit der Landespolitik seien. Daher sei Stronach dort eher ein Konkurrent für SPÖ und FPÖ. „Ob er aber seine Potenziale hebt, ist eine andere Frage.“

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