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Stichprobe in Tschechien

Beim Besuch im schwedischen Möbelkaufhaus Ikea essen viele Kunden gern „Köttbullar“ beziehungsweise nehmen sie eine Portion des Fertiggerichts mit. Nach klassischem Rezept werden die kleinen Fleischbällchen aus Faschiertem vom Schwein, Rind, Kalb, Lamm oder in Skandinavien auch Elch zubereitet. Die jetzt in Tschechien gefundene Variante ist neu.

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In den Fleischbällchen „Köttbullar“ der Möbelhauskette Ikea wiesen Behörden in Tschechien Pferdefleisch nach. Das teilte der Sprecher des staatlichen Veterinäramts, Josef Duben, am Montag mit. Laboranalysen hätten Pferde-DNA in einer Ein-Kilogramm-Tiefkühlpackung der Ikea-Filiale in Brünn (Brno) nachgewiesen. Die Behörde wies Ikea an, das Produkt unverzüglich aus den Regalen zu nehmen. Über das Schnellwarnsystem RASFF seien die übrigen EU-Staaten umgehend informiert worden.

Es handele sich um eine in Schweden hergestellte Packung mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 22. Jänner 2014. Die Lieferung, die mit dem Etikett „Rind- und Schweinefleischbällchen“ versehen gewesen sei, sei noch nicht in den Verkauf gelangt. Neben den „Köttbullar“ für Ikea stellte die tschechische Veterinäraufsicht auch 360 Kilogramm Tiefkühlfleisch für Burger aus Polen sicher. Die Burger seien von der Lebensmittelkette Nowaco mit Sitz in Dänemark nach Tschechien importiert worden.

Welche Länder noch betroffen?

Petr Chadraba, Ikea-Sprecher in Tschechien, sagte, dass die betroffene Charge in mehreren europäischen Ländern verkauft wurde: neben Tschechien in Großbritannien, Portugal, Belgien und den Niederlanden. Laut Barbara Riedl, Ikea-Sprecherin in Österreich, seien andere Chargen nicht betroffen. „Die Charge ist in Österreich nicht erhältlich gewesen.“ Betroffen seien 760 Kilogramm, so die tschechische Veterinäraufsicht.

„Wir haben sofort alle Lieferanten gecheckt“, erklärte Riedl. Bisher sei nichts gefunden worden. Der Fall „widerspricht komplett dem, was unsere Anforderungen sagen“, betonte die Ikea-Sprecherin. Man kontrolliere auf das Strengste. Die Ikea-Österreich-Sprecherin kündigte zu den laufenden Kontrollen zusätzliche Überprüfungen an.

Auch in den deutschen Filialen des Möbelhauses wurde kein Pferdefleisch in den beliebten Fleischbällchen gefunden. „Wir haben eine DNA-Probe vom vergangenen Freitag, die besagt, dass in deutschen ,Köttbullar‘ kein Pferdefleisch enthalten ist“, sagte die Sprecherin von Ikea Deutschland, Sabine Nold, am Montag. Ikea in Italien stoppte nach eigenen Angaben den Verkauf von in Schweden produzierten Fleischbällchen.

EU-Plan Plan für klare Herkunftsangaben

Unterdessen beraten die EU-Agrarminister in Brüssel die EU-Agrarminister über den Pferdefleischskandal, der seit Jänner in mehreren europäischen Ländern die Verbraucher verunsichert. In Supermarktprodukten war neben dem angegebenen Rindfleisch auch Pferdefleisch gefunden worden.

Der Kurs ist dabei klar abgesteckt, vor allem Frankreich und Deutschland scheinen sich einig: Die deutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) betonte im Vorfeld, die Kennzeichnung müsse verpflichtend sein. „Wir leben in einem gemeinsamen Binnenmarkt, deshalb müssen sich alle Staaten der EU daran beteiligen.“ Aigners „Aktionsplan“ umfasst europaweite Herkunftsbezeichnungen für verarbeitete Fleischprodukte sowie ein Frühwarnsystem.

Ratspräsident dämpft Erwartungen

Der irische Agrarminister und amtierende Ratspräsident Simon Coveney dämpfte indes die Erwartungen. Es werde am Montag noch keine Entscheidung über die Herkunftskennzeichnung, sondern nur eine Diskussion mit EU-Verbraucherschutzkommissar Tonio Borg geben, sagte er. Es brauche eine europaweite Übereinkunft und Kontrollen, weil das den EU-Binnenmarkt betreffe. „Wir müssen über künftige Maßnahmen reden und sicherstellen, dass dies nicht wieder passiert.“ Die EU habe mit den vereinbarten Fleischtests rasch gehandelt.

Frankreich prescht mit „Vereinbarung“ vor

Ähnlich wie Aigner sagte auch Frankreichs Präsident Francois Hollande am Wochenende, er wolle sich auf europäischer Ebene für eine verpflichtende Kennzeichnung der Fleischherkunft in Fertiggerichten einsetzen. Für den Geltungsbereich von Frankreich will die Regierung derartige Regeln im Alleingang durchsetzen. Die „Vereinbarung“ zwischen Herstellern und Handel werde es „dem Konsumenten erlauben, sicher zu sein, was er bei den beteiligten Geschäften kauft“.

Auch Österreichs Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) forderte vor dem Ministertreffen einen „Reisepass für Lebensmittel“ und „völlige Transparenz bei Herkunftsbezeichnungen“. Bisher habe es auf EU-Ebene Widerstand gegeben - „seitens der Industrie“, wie Berlakovich sagte: „Sie fürchtet mehr Bürokratie.“ Jetzt müsse sich aber etwas tun: „Die Menschen sind total verunsichert.“ Auch auf einem Striezel solle etwa in Zukunft die Herkunft der verwendeten Eier vermerkt sein.

Detaillierte Regeln als potenzielle Schlupflöcher

Der Skandal müsse „die letzten verbliebenen Bremser wachrütteln“, so Berlakovich gegenüber der APA. Auf einen Entschließungsantrag der Grünen aus dem Jahr 2009 betreffend eine konsequente Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln angesprochen, der laut der Oppositionspartei „von SPÖ und ÖVP und damit auch vom Bauernbund abgelehnt“ worden war, wollte Berlakovich nicht konkret eingehen. Er sei sich sicher, dass es jetzt Bewegung geben werde.

Die Skepsis gegenüber einer Verschärfung des Lebensmittelrechts auf EU-Ebene ist tatsächlich groß. Dabei geht es nicht nur um die Interessen der Erzeuger. Vielmehr stellt sich die Frage, wie strenge Herkunftsbezeichnungen bei verarbeiteten Lebensmitteln kontrolliert werden sollen. Auch nach der jetzigen Rechtslage ist das, was im Pferdefleischskandal geschehen ist, als Täuschung und Betrug am Konsumenten klar strafbar.

Einhaltung nicht zu kontrollieren?

Wie die nationalen und europäischen Reaktionen auf den Fleischskandal zeigen, sind die jetzigen Standards - zumindest im Nachhinein - zu kontrollieren: Die nicht deklarierte Beimengung von Pferdefleisch in Lebensmitteln kann per DNA-Test nachgewiesen werden, zudem sind mit dem Anknüpfungspunkt an den Händler die Verantwortlichkeiten klar. Je detaillierter umgekehrt die Kennzeichnungsregeln sind, desto mehr Schlupflöcher bieten sie potenziell auch.

Selbst die denkbar härteste Reform des Lebensmittelrechts dürfte zudem kaum das Niveau erreichen, das etwa in Gesundheitsfragen im engeren Sinn gilt. Und wie Frankreichs Landwirtschaftsminister Stephane Le Foll am Wochenende - im Schatten von Hollandes Versprechen von „Sicherheit für den Konsumenten“ - eingestehen musste, gelangten trotz absoluter Verbote offenbar zumindest drei Kadaver von Pferden in die Nahrungskette, die mit dem gefährlichen Medikament Phenylbutazon behandelt worden waren.

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