„Kann Unterschied ausmachen“
Der Wahlkampf in Niederösterreich ist in die Zielgerade eingebogen. Jetzt geht es darum, mit letzten Manövern Wähler zu mobilisieren. Und Mobilisierung geschieht in Niederösterreich nach eigenen Gesetzen, schließlich gilt dort der Grundsatz „Name vor Partei“ - ein bemerkenswertes Spezifikum, das die ÖVP vor dem Verlust der Absoluten bewahren könnte.
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Bereits seit 2003 beinhaltet das Wahlrecht in Niederösterreich diese Besonderheit. Auf den Punkt gebracht bedeutet „Name vor Partei“ Folgendes: Wird einem Kandidaten eine Vorzugsstimme gegeben, zählt diese mehr als das bei den Parteien gemachte Kreuz. Eine Vorzugsstimme für einen Kandidaten ist also automatisch eine Stimme für dessen Partei und macht ein Kreuzerl bei einer anderen Partei obsolet.
„Nützt erfahrungsgemäß Amtsinhaber“
Vergeben wird nur eine Stimme pro Wahlberechtigtem, eine tatsächliche Direktwahl des Landeshauptmanns neben der Wahl des Landtags - in dem Sinn, dass zwei Stimmen vergeben werden können - gibt es nicht. „Gewährt also jemand zum Beispiel (Erwin, Anm.) Pröll eine Vorzugsstimme, wählt aber gleichzeitig die SPÖ, so wird die Vorzugsstimme als Stimme für die ÖVP gewertet, und das Kreuzerl bei der SPÖ wäre hinfällig“, erklärt Politikwissenschaftler Peter Filzmaier gegenüber ORF.at.
„Das moderne Persönlichkeitswahlrecht - Name vor Partei - ermöglicht bereits jetzt die Direktwahl des Landeshauptmanns“, betonte ÖVP-Landesgeschäftsführer Gerhard Karner bereits mehrfach in Pressemitteilungen. Doch gerade darüber empörten sich SPÖ, FPÖ und Grüne, die von diesem Modell nicht in dieser Form profitieren könnten. Auch laut Filzmaier nützt es „erfahrungsgemäß immer dem Amtsinhaber“.

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Auf den ÖVP-Plakaten in Niederösterreich ist von der ÖVP keine Spur
„Kann Unterschied ausmachen“
Doch die große Frage ist, ob dieser Umstand heuer tatsächlich wahlentscheidend sein kann, schließlich bekam Pröll bei der letzten NÖ-Wahl exakt 303.022 Vorzugsstimmen. „Das sind mehr Stimmen, als jede andere Partei bekommen hat, das sind über 20 Prozent der Wahlberechtigten und noch ein weit höherer Prozentsatz bezogen auf jene, die tatsächlich ihre Stimme abgegeben haben“, legt Filzmaier dar. „Selbst wenn nur ein Zehntel dieser Wähler ihre Stimme einer anderen Partei geben, kann das zwei Prozent Unterschied ausmachen“, rechnet er exemplarisch vor.
Und ausgerichtet darauf ist auch der Wahlkampf der Volkspartei NÖ. Praktisch kein Wahlplakat der ÖVP führt die Partei an, vielmehr wird in klarer und einfacher Botschaft damit geworben, Pröll „direkt“ zu wählen. Auf den verschiedenen Sujets ersetzt „Pröll“ den Parteinamen. Auch die Homepage der Landes-ÖVP ist komplett auf einen Personenwahlkampf zugeschnitten.

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Stronachs Antritt in NÖ als einzige Bedrohung für Prölls Absolute
„Willkommene Gelegenheit“ für Stronach
Doch auch dem Team Stronach (TS) kommt die Regelung „Name vor Partei“ gelegen. Politikwissenschaftler Filzmaier sieht in diesem Faktor durchaus die Motivation für ein Antreten Frank Stronachs als niederösterreichischer Spitzenkandidat. Es sei „zumindest eine willkommene Gelegenheit“ gewesen, so Filzmaier. Auch Stronach legt den Wahlkampf in Niederösterreich klar auf seine Person an, auch er wirbt damit - anders als in Kärnten, wo der Personenwahlkampf keine große Rolle spielt -, als Listenerster zur Direktwahl zu stehen.
Gleichzeitig ist vielen - auch verstärkt durch entsprechende Kampagnen der ÖVP - klar, dass Stronach persönlich am politischen Geschehen in Niederösterreich nicht teilnehmen wird. Auch die Grünen seien erst „in einer Reaktion“ auf die Persönlichkeitsschiene aufgesprungen. Gleichzeitig lassen die Grünen die Konsequenz des Vorzugsstimmenmodells rechtlich prüfen. Sie kritisierten den „Versuch“ der ÖVP, die „Wähler in die Irre zu führen“, so Grünen-Abgeordneter Dieter Brosz kürzlich.
Modell kommt Parteipolitik entgegen
Dabei steht in demokratiepolitischer Hinsicht ein ganz anderes Grundmotiv hinter dem Vorzugsstimmenmodell. Und zwar die Idee, auf kommunaler Ebene die Distanz zwischen Bürgern und Politik zu verringern und Politiker aufgrund persönlicher Erfahrungen auf dem Stimmzettel entsprechend wählbar zu machen. Doch in der Wirklichkeit führe diese Idee ins Leere, wie Filzmaier mittels eines einfachen Umstandes zeigt: „Wer kann sich schon an den Listenzweiten jener Partei, die er gewählt hat, erinnern?“, so Filzmaier. Die parteipolitischen Motive hinter dem Vorzugsstimmenmodell erschließen sich aus dem Wahlkampf.

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Trotz Kritik: Die Grünen stellen „Madeleine“ (Petrovic, Anm.) zur Wahl
Meinungsforscher uneins
Die Meinungsforscher gehen unterdessen von einer recht sicheren Absoluten für die ÖVP in Niederösterreich aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass Pröll diese halten wird, sei eine hohe, sagte etwa Meinungsforscher Peter Hajek von Public Opinion Strategies.
Diesen Aussagen schließt sich auch OGM-Chef Wolfgang Bachmayer an, der Stronach gegenüber Pröll im Vorteil sieht. Pröll selbst habe Stronach in den Kampfring gebeten und diesen damit sehr stark aufgewertet. Er wage auch zu bezweifeln, ob das zu einer zusätzlichen Mobilisierung bei den ÖVP-Wählern führt. Politikberater Thomas Hofer will hingegen nicht ausschließen, dass das Mobilisierungskraft für die ÖVP bringt. „Hätte es Stronach nicht gegeben, hätte es für die ÖVP Probleme gegeben, ‚Drive‘ in den Wahlkampf zu bringen“, sagte er.
SPÖ vor „schweren Verlusten“?
Auch laut Hajek hat sich Stronach gut als „Reibebaum“ angeboten. Grundsätzlich habe die ÖVP in Niederösterreich aber ohnehin nicht mit Mobilisierungsproblemen zu kämpfen, so Hajek. Diese Schwierigkeiten liegen demnach eindeutig aufseiten der Opposition. Das sieht auch Bachmayer so, der SPÖ prognostiziert er erneut „schwere Verluste“. Auch Hajek sagt, die Sozialdemokratie werde wohl wieder „Federn lassen müssen“. Und für Grüne und FPÖ sei Niederösterreich ohnehin ein schwieriges Pflaster, so der Tenor.
Valentin Simettinger, ORF.at
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