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Kampf für Trennung Religion - Staat

Yoram Kaniuk ist in Israel kein Unbekannter und noch weniger ein Unumstrittener: Spätestens seit seinem Roman „Adam Hundesohn“, der im Original 1968 erschien, ist der am 2. Mai 1930 in Tel Aviv geborene Kaniuk auch international als Schriftsteller bekannt. Am 8. Juni starb Kaniuk 83-jährig in einem Spital in Tel Aviv.

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Die Geschichte über einen Mann, der als Unterhaltungsclown in den KZ-Todeslagern überlebte und sich in der Wüste Israels in einer Heilanstalt unter lauter Überlebenden des Holocausts wiederfindet, die sich ihre aberwitzigen Geschichte erzählen, brachte die „New York Times“ damals dazu, Kaniuk als den „innovativsten und brillantesten Romancier der westlichen Welt“ zu bejubeln. Überhaupt ist der Holocaust und der Umgang mit den Überlebenden, so wie die aktuellen Ereignisse in Israel, immer wieder Thema in seinem literarischen Werk.

„Ohne Bekenntnis“ durchgesetzt

Neben seinem Buch „1948“, das in Israel neben Begeisterung auch radikale Ablehnung auslöste, sorgte Kaniuk zuletzt vor allem dadurch für Aufregung, dass er 2011 per Gerichtsentscheid das Recht erkämpfte, sich als „religionslos“ registrieren zu lassen. Nachdem das Innenministerium sich geweigert hatte, die Angaben zu seiner Religion auf Kaniuks Wunsch hin von "jüdisch in „ohne Religion“ zu ändern, war Kaniuk vor Gericht gezogen.

Seitdem ist es Israelis erstmals möglich, sich als religionslos eintragen zu lassen. Kaniuk nannte die Entscheidung „historisch“: Das Gericht habe den Israelis das Recht zuerkannt, „gemäß ihrem Gewissen zu leben“ und zu entschieden, dass „Menschenwürde und Freiheit bedeuten, dass eine Person ihre eigene Identität und Definition festlegen kann“, sagte Kaniuk. Er könne daher sehr wohl Jude von Nationalität und gleichzeitig religionslos sein. Von seinen Unterstützern wurde die Entscheidung als Sieg im Ringen um eine Trennung von Kirche/Religion und Staat gesehen.

In einem Kommentar forderte Kaniuk einmal die Zweistaatenlösung. Er meinte damit aber nicht einen für Israelis und einen für Palästinenser, sondern einen für die säkularen Israelis, mit Tel Aviv als Hauptstadt, und einen für die Religiösen mit Jerusalem.

Mit Rabin gekämpft

Kaniuk ist ein „Zaber“ - ein in Palästina geborener Jude. Sein Vater stammt aus Galizien, seine russische Mutter kam bereits 1909 nach Israel und arbeitet als Lehrerin und verfasste Lehrbücher.

Kaniuk brach 1948 17-jährig die Schule ab und ging zu der Marineabteilung der Eliteeinheit Palmach. Dort kämpfte er in der vom 1995 ermordeten Regierungschef Jizchak Rabin angeführten Harel-Brigade. Diese spielte eine entscheidende Rolle im Unabhängigkeitskrieg: Die Brigade war für den Korridor zwischen Tel Aviv und Jerusalem verantwortlich und versorgte den belagerten jüdischen Teil der umkämpften Stadt mit Lebensmitteln und Medikamenten. Mitte Mai 1948 eroberte die Einheit Kaniuks den Zionsberg und drang bis zum jüdischen Viertel in der Altstadt vor.

Holocaust-Überlebende gerettet

Nach einer schweren Verwundung am Bein konnte Kaniuk nicht mehr weiterkämpfen. Er diente stattdessen auf einem Schiff, mit dem Holocaust-Überlebende von Europa nach Israel gebracht wurden. 1950 verließ Kaniuk für zehn Jahre das Land und zog nach New York. 1961 kehrte er nach Israel zurück.

Kaniuk, der jahrzehntelang auch als Journalist tätig war, veröffentliche zahlreiche Romane, Kurzgeschichten und mehrere Kinderbücher. Eine schwere Erkrankung verarbeitete Kaniuk in dem Buch „Über das Leben und über den Tod“

Späte Würdigung

Er veröffentlichte unter anderem siebzehn Romane, sechs Bände mit Kurzgeschichten und vier Kinderbücher. In Israel blieb seinen Büchern lange der Erfolg versagt, während sie in zahlreiche Fremdsprachen übersetzt wurden. Für „1948“ erhielt Kaniuk 2010 den renommierten israelischen Sapir-Literaturpreis. Kaniuk zeigte sich damals gegenüber der Tageszeitung „Haaretz“ völlig überrascht über die Würdigung: „Alter hat über Schönheit gesiegt. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich gewinne, daher habe ich nur meine Frau und einen Freund, der Kardiologe ist, mitgebracht. Damit er, sollte ich, Gott bewahre, einen Herzinfarkt erleiden, mir helfen kann.“ 2011 verlieh ihm die Universität von Tel Aviv die Ehrendoktorwürde.

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