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„The Master“ dreimal nominiert

Der Name L. Ron Hubbard kommt in dem Sektendrama „The Master“ nicht vor, auch nicht der Begriff Scientology. Aber die Parallelen zu der umstrittenen Organisation, die der Autor Hubbard 1954 in den USA gründete, liegen auf der Hand.

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In dem bildgewaltigen und packenden Drama von US-Regisseur Paul Thomas Anderson („There Will Be Blood“) verwandelt sich Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman („Capote“) in einen charismatisch-herrischen Guru, der seinen Anhängern Heilung und Glück verspricht. Die dreifach Oscar-nominierte Produktion startet am Freitag in den österreichischen Kinos.

Er heißt Lancaster Dodd, doch seine Schüler nennen ihn nur „The Master“, den Meister. Wie Hubbard schart er im Nachkriegsamerika der 1950er Jahre immer mehr Anhänger um sich. Mit Hypnose und intensiven Zweiergesprächen nimmt er sie in Beschlag. Dass der Scientology-Gründer Pate stand, räumte Anderson bei der Weltpremiere des Films im vorigen September bei den Festspielen in Venedig ein.

Von Scientology-Anfängen inspiriert

Er wisse nicht sehr viel über Scientology, gerade zur heutigen Zeit, sagte der Regisseur. „Ich weiß aber viel über die Anfänge dieser Bewegung. Das hat mich inspiriert, es als Hintergrund für diese Charaktere zu verwenden.“ Das fiktive Epos ist weit davon entfernt, die von Kritikern als gefährliche Sekte angesehene Organisation anzuprangern oder Skandale aufzudecken. Vielmehr ist es ein Psychodrama über die Suche nach Zugehörigkeit, Machthunger und Abhängigkeit. Der Guru spielt darin die Nebenrolle, die Hauptfigur ist seine rechte Hand, der dubiose Anhänger Freddie Quell.

Phoenix als traumatisierter Kriegsveteran

Mit ungeheurer Intensität verwandelt sich Joaquin Phoenix („Gladiator“, „Walk the Line“) in den traumatisierten Kriegsveteranen und einsamen Alkoholiker, der zufällig und betrunken eines Nachts auf die Jacht des Sektenführers stolpert. Vom blinden Passagier wird er zum blind ergebenen Anhänger, dann zum Zweifler an den Methoden und absurden Ideen des Lehrers.

Phoenix ist die quälende Zerrissenheit auf den Körper geschrieben. Die Kamera fährt nah über sein zerfurchtes Gesicht. Mal läuft er mit gebeugten Schultern, mal hebt er die Fäuste zum Angriff hoch. Besessen rennt er in einem Zimmer zwischen zwei Wänden hin und her, wenn Lancaster Dodd das als Therapie befiehlt.

Fesselnder Schlagabtausch mit Hoffman

Hoffman ist das kontrollierte Gegenstück zu dem animalisch-impulsiven Schüler. „Ich bin Schriftsteller, Arzt, Kernphysiker, theoretischer Philosoph, aber vor allem bin ich ein Mann, genau wie Sie“, trumpft er bei ihrer ersten Begegnung überheblich auf. Anderson packt homoerotische Momente in die komplexe Beziehung der ungleichen Männer. Mit genialer Schauspielkunst gehen Hoffman und Phoenix unter die Haut.

Ihr fesselnder Schlagabtausch über 137 Minuten hinweg brachte ihnen höchstes Kritikerlob und Preise ein. In Venedig wurden sie zu den besten Schauspielern gekürt, Anderson gewann den Silbernen Löwen für die beste Regie. Bei der Oscar-Verleihung könnte Phoenix als Hauptdarsteller Gold holen, Hoffman ist als Nebendarsteller nominiert. Die dritte Oscar-Hoffnung für „The Master“ liegt bei Amy Adams. Die Schauspielerin glänzt als Dodds Ehefrau Peggy, vordergründig brav und geduldig, in Wirklichkeit aber berechnende Powerfrau an der Seite des Gurus.

Opulentes Starkino

Fünf Jahre nach dem viel gelobten Kapitalismus-Drama „There Will Be Blood“ - mit Daniel Day-Lewis als gierigen Ölmagnaten - beweist sich Anderson mit „The Master“ wieder als Meister seiner Kunst. Im seltenen 70-mm-Format liefert er brillante Bilder, mit einem schwelgerischen Setdesign fängt er die 50er Jahre ein.

Perfekt untermalt wird der Film von dem Komponisten Johnny Greenwood, der 2008 in Berlin mit „There Will Be Blood“ den Silbernen Bären für die beste Musik holte. Opulentes Kino, Starbesetzung und ein heikler Stoff - „The Master“ zieht die Zuschauer in seinen Bann, so wie Lancaster Dodd seine Anhänger fesselt.

Barbara Munker, dpa

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