Arslans gescheiterter Neo-Western
Der deutsch-türkische Regisseur Thomas Arslan widmet sich in seinem Wettbewerbsbeitrag „Gold“ einer Gruppe von deutschen Auswanderern, die in der Neuen Welt, in British Columbia, einen fast ausweglosen Weg antreten, um am Klondike Gold zu finden. Arslans Neo-Western findet allerdings nicht die geeignete Form, ihre übermenschlichen Strapazen auf die Leinwand zu bringen.
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Sechs Männer und eine Frau, ein paar Pferde und Vorräte, mehr braucht es in Thomas Arslans „Gold“, dem einzigen deutschen Wettbewerbsbeitrag, nicht, um einen Western der besonderen Art zu inszenieren. Besonders weil sich Arslan gar nicht erst bemüht, einen Spannungsbogen aufzubauen, der dann schließlich in einen Showdown münden könnte. Arslan wird der viel zitierten und gelobten Berliner Schule (u. a. mit Christian Petzold und Valeska Griesebach) zugeordnet und verzichtet auf die Darstellung großer Gesten und Gefühle.
Er setzt stattdessen auf Distanz, Unterkühltheit, Schwarzblenden und einen Ry-Cooder-artigen Soundtrack, der die langsame bis langatmige Erzählweise dieses ganz und gar in den kanadischen Weiten entstandenen Neo-Westerns noch unterstreicht.
Immer einer weniger
Wenn Jurypräsident Wong Kar Wei gesagt hat, dass ein guter Film ihn bewegen müsse, dann wird „Gold“ bei der Bären-Verleihung wohl leer ausgehen. Die strapaziöse Reise durch die kanadische Wildnis wirkt umso unglaubwürdiger, als, wie im Kinderlied mit den „Zehn kleinen Negerlein“, immer eine weitere Figur den Gefahren der unberührten Weite erliegt. Diese zeigen sich in Form von Banditen (finstere Gesichter, schlechte Laune), Indianern (tauchen aus dem Nichts auf), rostigen Bärenfallen (tauchen ebenfalls aus dem Nichts auf) und Achsenbrüchen am Proviantwagen.
Gut besetzt sind sie alle, die Figuren - sechs Deutsche und ein Österreicher -, doch auch eine Nina Hoss als wortkarge Frau, die ihrer Vergangenheit (als Dienstmädchen in Chicago) entfliehen will, hilft dem Film nicht auf die Sprünge.
Ausstattungsgerecht arrangiert
Wenig ist in den Bildern und Gesichtern zu spüren von dem Unbedingtheitsüberschuss, der die Goldsucher doch erst zu ihrer womöglich letzten Reise antreten lässt. Stilwille ist vorhanden, sicher, doch überzeugen kann das nicht wirklich.
Zwar werden die Gesichter der gemischten Gruppe immer verschmierter, und auch die Löcher in den Hüten und Stiefeln sind ausstattungsgerecht arrangiert, doch die Leidenschaft und Qual, immer weiter in die Wildnis vorzustoßen, will sich beim Zuschauen nicht übertragen. Und auch die Natur fängt Arslan nicht als gefährlich, sondern gerne als lieblich ein. Es ist fast so, als seien die Kriterien der Berliner Schule für einen Spätwestern nicht geeignet.
„Innere Bewegungen in äußere übersetzen“
Im Gespräch mit ORF.at erzählt Arslan (50), was ihn daran interessierte, eine Frau unter Männern in die Wildnis zu schicken, von den Drehbedingungen in Kanada und über seinen Stil.
ORF.at: Millionen Menschen aus Deutschland und Österreich sind im 19. Jahrhundert in die Neue Welt emigriert, viele davon wegen des Goldes. Wie viele haben es gefunden?
Thomas Arslan: Reich geworden sind die wenigsten, am ehesten noch die professionellen Goldsucher. Trotzdem war es eine große Verlockung, eine große Verheißung.
ORF.at: Es gab doch genügend Berichte von Rückwanderern, die nichts gefunden haben. Einen solchen sieht man ja auch im Film wortlos und am Ende seiner Kraft durchs Bild gehen.
Arslan: Es gab einen relativ langsamen Rücklauf an Informationen, weil die Postwege gar nicht richtig erschlossen waren, so konnte es passieren, dass die Leute mehr oder weniger ahnungslos aufgebrochen sind. Daran haben viele verdient, mit gefälschten Reiseführern zum Beispiel. In British Columbia haben sich damals die Städte ja erst formiert. Es war ein Riesengeschäft, die Leute mit Lebensmitteln und Utensilien auszurüsten. Sichere Erkenntnisse gab es nur für die ersten paar hundert Kilometer, danach war alles unerschlossenes Gebiet.
ORF.at: Das Goldschürfen selbst interessiert Sie nicht, sondern der Weg zum Gold?
Arslan: Das war von Anfang an klar, wobei der Prolog, wo man Goldsucher bei der Arbeit sieht, die dann fündig werden, auch wichtig für die Geschichte war. Dass andere Personen Gold mal in der Hand haben, das die anderen dann wie ein Magnet anzieht.
ORF.at: Sind die Figuren in ihren Handlungsweisen historisch belegt? Wie viel davon entstammt Ihrer Phantasie?
Arslan: Viele Details sind recherchiert, trotzdem habe ich irgendwann den Riesenberg an Material beiseitegelegt, um eine Fiktion zu finden, die in sich stimmig ist. Ich habe mir entsprechende Freiheiten genommen, das Ganze muss ja auch als Erzählung funktionieren.
ORF.at: Es sollte auch eine Frau dabei sein. Gab es solche allein reisenden Frauen auf der Suche nach Gold wirklich?
Arslan: Das waren schon ungewöhnliche Fälle, es gab aber einige Frauen, die sich entweder Trupps angeschlossen haben oder ganz alleine losgezogen sind. Das hat mich interessiert: Außenseiter in einer männerdominierten Gesellschaft. Das war für mich die größte Herausforderung, mir so eine Figur vorzunehmen.
ORF.at: Eine Figur nach der anderen verschwindet oder stirbt. War das von Anfang an klar?
Arslan: Das entsprach den Strapazen des langen Weges und den verschiedensten Möglichkeiten des Scheiterns. Manche Gruppen haben sich niedergelassen unterwegs, andere sind zurückgekehrt, sind verrückt geworden, weil sie sich verirrt haben, die wenigsten sind angekommen, das wollte ich als Struktur beibehalten.
ORF.at: 1896 spielt der Prolog, wo das Gold gefunden wird, 1898 die Haupthandlung. War der Rausch da auf seinem Höhepunkt?
Arslan: Streng genommen beginnt er 1898 wieder abzuklingen, 1899 ist er schon wieder vorbei. Ein paar Jahre später zog die ganze Karawane ein paar Hundert Kilometer weiter westlich, in Fairbanks wurde neues Gold gefunden, und Dawson war von einem Tag auf den anderen verwaist.
ORF.at: Kanada 2013 und 1898. Gibt es solche unerschlossenen Naturräume wie damals eigentlich noch?
Arslan: Ja, zwar verbinden Landstraßen ganze Regionen, aber sobald man in eine Seitenstraße einbiegt, soweit es eine gibt, ist man schon mitten in der Wildnis, in völlig unberührten Gebieten. Genau danach haben wir gesucht.
ORF.at: Die Drehbedingungen waren entsprechend verschärft?
Arslan: Wir haben schon probiert, mit einem relativ kleinen Team zu drehen, wobei es dann doch 30 Leute waren, und mit wenig Equipment und wenig Licht zu drehen. Es war eben sehr schwierig, die Ausrüstung an die Drehorte zu bekommen.
ORF.at: Der Film wirkt unterkühlt und distanziert. Oder liege ich da völlig falsch?
Arslan: Man muss ja im Film innere Bewegungen in äußere übersetzen, das sind in der Regel die körperlichen Tätigkeiten, die erzählen für mich schon eine ganze Menge. Ich versuche das eher über das Physische zu vermitteln als über Schauspielergesten, die dann schnell zu theaterhaft werden.
ORF.at: Hätten Sie Teile des Films auch im, sagen wir, Bayerischen Wald drehen können?
Arslan: Nein, Wald ist nicht gleich Wald, gerade die Übergangszonen von offenem Feld in den Wald hinein und wieder hinaus sind anders. Das ist alles unberührt, in Deutschland sind die Wälder alle durchforstet.
Das Interview führte Alexander Musik, ORF.at, Berlin
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