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Papst wollte Schlussstrich ziehen

Nach der Ankündigung des Rücktritts Benedikts XVI. zum Monatsende wird in Rom heftig über die Hintergründe des völlig überraschenden Papst-Beschlusses spekuliert. Der Rückzug des 85-jährigen Josef Ratzinger sei nicht nur altersbedingt, sondern den Machtintrigen in der Kurie zuzuschreiben, die für den Papst vor allem nach dem aufsehenerregenden „Vatileaks“-Skandal unerträglich geworden seien, berichten Vatikan-Insider.

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Von einem Machtkampf im Vatikan wird in Rom offen gesprochen. Spekuliert wird, dass Benedikt das Handtuch geworfen habe, um dem internen Krieg in der Kurie ein Ende zu setzen. Dabei gehe es um eine Auseinandersetzung zwischen dem Staatssekretär des Kirchenstaates, Tarcisio Bertone, und seinen Widersachern, die seine Ablösung erwirken wollten.

Staatssekretär Tarcisio Bertone

APA/EPA/Claudio Peri

Kardinal Bertone bei der Messe

Alte Johannes-Paul-Seilschaft im Hintergrund tätig?

Der Papst hatte vor einigen Monaten das Gesuch des 78-Jährigen auf Ruhestand abgelehnt und sich so hinter ihn gestellt. Bertone steht im Vatikan schon länger in der Kritik, etwa in Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal und dem für die Kirche desaströsen Umgang mit der erzkonservativen Piusbruderschaft. Vor allem Anhänger von Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. wie Bischof Rino Fisichella und der Ex-Privatsekretär des polnischen Papstes, Kardinal Stanislaw Dziwicsz, würden einen Krieg gegen Bertone führen, berichtete die römische Tageszeitung „La Repubblica“ am Dienstag.

Annäherung an Piusbrüder kritisiert

Der Papst wurde auch von anderer Seite bedrängt. Reformorientierte Kräfte kritisierten die Annäherung an die Piusbrüder. Einige Beobachter sehen in der Annäherung Ratzingers an die Gruppierung den größten Fehler seiner Amtszeit. Unter anderem hatte der Vatikan die Exkommunikation mehrerer Pius-Bischöfe aufgehoben. Darunter war auch der Holocaust-Leugner Richard Williamson, den die Piusbrüder aber zwischenzeitlich ausgeschlossen haben.

Benedikt XVI., ein Mann der Bücher, kümmere sich zu wenig ums Regieren, wurde zuletzt immer wieder moniert, und als Monarch im Vatikan habe er nicht für Transparenz in seinem Staat gesorgt. So im Fall der Vatikan-Bank IOR und ihres im Mai gefeuerten Chefs Ettore Gotti Tedeschi: Mehrfach gab es Kritik wegen intransparenten Finanzgebarens und Geldwäscheverdachts, Tedeschi sollte aufräumen.

Verbitterung wegen „Vatileaks“-Affäre

Dem Papst selbst seien die Spekulationen zu bunt geworden, heißt es weiter. Auch Verbitterung wegen der „Vatileaks“-Affäre hätten ihn zum Rücktritt bewogen. Hinter dem Ex-Kammerdiener Paolo Gabriele, der wegen schweren Diebstahls zu 18 Monaten Haft verurteilt worden war, stehe eine Gruppe von vatikanischen Dissidenten, die den Machtkampf in der Kurie an die Öffentlichkeit bringen habe wollen. Davon ist der Journalist Marco Politi, seit vier Jahrzehnten Vatikan-Berichterstatter und „König“ der „Vaticanisti“, der am Heiligen Stuhl ständig akkreditierten Journalisten, fest überzeugt.

„Unvorstellbares Niveau“ der internen Kämpfe

„In der Vergangenheit wurden die Machtkämpfe in den Gängen der Vatikan-Paläste ausgetragen, jetzt geraten sie an die Öffentlichkeit. Das ist ein Zeichen der zunehmenden Säkularisierung und ein Signal, dass der interne Machtkampf ein bisher unvorstellbares Niveau erreicht hat“, so der Journalist. Die Machtkämpfe im Vatikan richten sich laut Politi gegen Bertone, der von der Kurie stets als Außenseiter betrachtet worden sei, weil er nicht aus der vatikanischen Diplomatie stammte und mit dem administrativen System der Kurie nicht vertraut war. Der Druck habe zuletzt zugenommen, damit Bertone aus Altersgründen zurücktrete.

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